BVerwG Beschluss v. - 4 VR 2/21

Teilweise unzulässiger, im Übrigen unbegründeter Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen die sofort vollziehbare Anordnung der Duldung von Vorarbeiten

Gesetze: § 43e Abs 1 S 1 EnWG 2005, § 44 Abs 1 EnWG 2005, § 44 Abs 2 EnWG 2005, § 6 Abs 1 BBPlG, § 70 Abs 1 VwVG ND 2019, §§ 64ff SOG ND, § 64 SOG ND, § 50 Abs 1 Nr 6 VwGO, § 80 Abs 2 S 1 Nr 4 VwGO, § 80 Abs 3 VwGO, § 80 Abs 5 S 1 VwGO

Gründe

I

1Der Antragsteller ist Eigentümer des landwirtschaftlich genutzten Flurstücks ... der Flur ..., Gemarkung E. Er wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügung vom , mit der das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport (Ministerium) ihm - gestützt auf § 44 EnWG - aufgegeben hat, die auf dem Grundstück beabsichtigten Vorarbeiten zur Erstellung der für die Planfeststellung benötigten Unterlagen (Durchführung einer Kampfmitteluntersuchung, Durchführung von Aufschlussbohrungen, Durchführung von Drucksondierungen, Nutzung des Grundstücks als vorübergehende Arbeits- und Abstellfläche) für einen Zeitraum von acht Wochen ab Vollziehbarkeit der Verfügung zu dulden (Nr. 1 des Bescheids), sowie gegen die von Gesetzes wegen sofort vollziehbare Androhung von Zwangsmaßnahmen (Zwangsgeld, unmittelbarer Zwang) für den Fall der Zuwiderhandlung (Nr. 3 und 4 des Bescheids).

2Der Antragsteller hat beim Bundesverwaltungsgericht am Klage gegen den Bescheid vom erhoben und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.

3Der Antragsgegner und die Beigeladene sind dem Antrag entgegengetreten. Sie haben jeweils darauf hingewiesen, dass die Kampfmitteluntersuchung und die Aufschlussbohrungen abgeschlossen seien.

4Mit Bescheid vom hat der Antragsgegner die Frist für die in der Verfügung vom getroffenen Anordnungen mit Ausnahme der Vorarbeiten "Durchführung einer Kampfmitteluntersuchung" und "Durchführung von Aufschlussbohrungen" bis zum verlängert. Der Antragsteller hat hiergegen bisher keine Klage erhoben.

II

5Über den Antrag entscheidet das Bundesverwaltungsgericht, weil die Duldungsanordnung der Vorbereitung der Planfeststellung eines nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 6 Satz 1 BBPlG und Nr. 6 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG (Höchstspannungsleitung Conneforde - Landkreis Cloppenburg - Merzen/Neuenkirchen; Drehstrom, Nennspannung 380 kV; im Folgenden "Höchstspannungsleitung") in die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts fallenden Vorhabens dient ( 4 VR 1.20 - Buchholz 451.17 § 44 EnWG Nr. 2 Rn. 6).

6Der Antrag bezieht sich bei sachdienlichem Verständnis auf den angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Verlängerungsbescheids. Ob es einer - hier noch unterbliebenen - ausdrücklichen und fristgerechten Einbeziehung des mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Verlängerungsbescheids in das anhängige Klageverfahren bedarf oder ob der Verlängerungsbescheid dem angefochtenen Ausgangsbescheid gleichsam automatisch angewachsen ist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls ist die Klagefrist noch nicht abgelaufen (vgl. hierzu etwa 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 19 und vom - 8 C 22.19 - BVerwGE 170, 311; Beschluss vom - 4 B 12.20 - NVwZ-RR 2021, 87 Rn. 5) und ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auch schon vor Klageerhebung statthaft.

7A. Der Antrag ist unzulässig, soweit sich der Antragsteller gegen die Anordnung der Duldung der Durchführung einer Kampfmitteluntersuchung und von Aufschlussbohrungen wendet. Diese Maßnahmen sind nach dem übereinstimmenden Vortrag des Antragsgegners und der Beigeladenen abgeschlossen. Damit hat sich die Verfügung vom insoweit - und ungeachtet der Änderungen durch den Verlängerungsbescheid - erledigt. Das gilt auch für die auf diese Maßnahmen bezogenen Zwangsmittelandrohungen. Für einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz fehlt das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 132).

8B. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er unbegründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell nicht zu beanstanden (I.). Das erforderliche öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Duldungsanordnung (Nr. 1 des Bescheids) überwiegen das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (II.). Gleiches gilt in Bezug auf die Zwangsmittelandrohungen (Nr. 3 und 4 des Bescheids) (III.).

9I. Zu Unrecht rügt der Antragsteller einen Verstoß gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.

10Das Ministerium hat nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet. Der aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO folgenden formellen Pflicht, das besondere Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen, ist es nachgekommen (zu den Anforderungen siehe etwa 1 DB 26.01 - juris Rn. 6). Es hat sich - entgegen der Ansicht des Antragstellers - nicht auf formelhafte Wendungen zurückgezogen, sondern eine Reihe von Gründen angeführt, warum die Duldungsanordnung im konkreten Einzelfall sofort und nicht erst nach Eintritt der Bestandskraft vollzogen werden muss. So hat das Ministerium zunächst das besondere öffentliche Interesse an der zügigen Verwirklichung der Höchstspannungsleitung in den Blick genommen, dessen vordringlicher Bedarf in einem Bedarfsplan ausgewiesen sei, und darauf verwiesen, dass nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BBPlG für Vorhaben im Geltungsbereich des Bundesbedarfsplangesetzes ein überragendes öffentliches Interesse bestehe. Die hierdurch ausgewiesene Dringlichkeit beziehe sich auch auf vorausgehende und begleitende Vorarbeiten. Die Eilbedürftigkeit und Dringlichkeit des Vorhabens werde zusätzlich dadurch verstärkt, dass die Planfeststellungsunterlagen bereits weitgehend erstellt seien und alsbald eingereicht werden sollten. Demgegenüber träten die Interessen des Antragstellers zurück, die notwendigen Untersuchungen zu verhindern. Diese Ausführungen werden der Informationsfunktion, die dem Begründungserfordernis im Hinblick auf den Adressaten, insbesondere im Interesse der Einschätzung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten zukommt, ebenso gerecht wie der Warnfunktion gegenüber der Behörde selbst, durch die ihr der Ausnahmecharakter der sofortigen Vollziehung vor Augen geführt wird. Ob die Begründung die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch inhaltlich trägt, bedarf im Zusammenhang mit dem formellen Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO keiner Entscheidung ( 4 VR 4.20 - juris Rn. 10).

11II. Die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO gebotene Interessenabwägung geht hinsichtlich der Duldungsanordnung (Nr. 1 des Bescheids) zu Lasten des Antragstellers. Das öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Durchführung der (verbliebenen) Vorarbeiten überwiegen das private Interesse des Antragstellers, von Vorarbeiten auf seinem Grundstück vorerst verschont zu bleiben, weil sich die Duldungsverfügung - nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung - als rechtmäßig (1.) und ihre Vollziehung als eilbedürftig erweist (2.). Es besteht daher kein Anlass, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.

121. Die Duldungsanordnung ist von § 44 Abs. 1 Satz 2 EnWG gedeckt.

13a) Für den Erlass der Duldungsanordnung war das Ministerium nach § 44 Abs. 1 Satz 2 EnWG i.V.m. Ziffer 11.1.5 der Anlage zu § 1 Abs. 1 der Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten des Arbeitsschutz-, Immissionsschutz-, Sprengstoff-, Gentechnik- und Strahlenschutzrechts sowie in anderen Rechtsgebieten (ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz) vom (Nds. GVBl. S. 374), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom (Nds. GVBl. S. 618), zuständig.

14b) Der sinngemäß gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor. Ausweislich der vorgelegten Behördenakte ist der Antragsteller von der Beigeladenen mit Schreiben vom von der Aufnahme der Vorarbeiten in Kenntnis gesetzt worden; das genügt den Anforderungen des § 44 Abs. 2 EnWG. Der Antragsgegner hat den Antragsteller zudem zum beabsichtigten Erlass einer Duldungsanordnung rechtzeitig angehört.

15c) Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 2 EnWG liegen vor.

16Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 EnWG haben Eigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte zur Vorbereitung der Planung und der Baudurchführung eines Vorhabens oder von Unterhaltungsmaßnahmen notwendige Vermessungen, Boden- und Grundwasseruntersuchungen einschließlich der vorübergehenden Anbringung von Markierungszeichen sowie sonstige Vorarbeiten durch den Träger des Vorhabens oder von ihm Beauftragte zu dulden. Weigert sich der Verpflichtete, Maßnahmen nach dieser Vorschrift zu dulden, so kann nach § 44 Abs. 1 Satz 2 EnWG die zuständige Behörde auf Antrag des Trägers des Vorhabens gegenüber dem Eigentümer und sonstigen Nutzungsberechtigten die Duldung dieser Maßnahmen anordnen.

17aa) Anordnungen nach § 44 Abs. 1 Satz 2 EnWG setzen - anders als der Antragsteller meint - die vorherige Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens nicht voraus. Das legt schon der Wortlaut nahe ("zur Vorbereitung der Planung"). Sie können daher auch schon vor Antragstellung ergehen ( 4 VR 1.20 - Buchholz 451.17 § 44 EnWG Nr. 2 Rn. 15). Für die Erarbeitung der Antragsunterlagen kommt ihnen besondere Bedeutung zu.

18bb) Bei den (noch) zugelassenen Maßnahmen auf Flurstück ... der Flur ... (Durchführung von Drucksondierungen; Nutzung als vorübergehende Arbeits- und Abstellfläche, um beispielsweise erforderliche Geräte, Fahrzeuge, Werkzeuge und Materialien an- und abzutransportieren) handelt es sich um Vorarbeiten im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 EnWG.

19Sie dienen nach dem Antrag der Beigeladenen vom sowie dem Verlängerungsantrag vom der für die Realisierung des Vorhabens erforderlichen Baugrunduntersuchung. Mit den Drucksondierungen wird die Tragfähigkeit des Baugrundes ermittelt. Diese Untersuchungen tragen dem Umstand Rechnung, dass im Rahmen der Erarbeitung der für die Planfeststellung erforderlichen Unterlagen der bevorzugte Leitungsverlauf und alternative Leitungsverläufe in den Blick genommen werden müssen, um die Trassenwahl vorzubereiten. Die Vorarbeiten dienen somit gerade dazu, festzustellen, ob auf dem Grundstück des Antragstellers der geplante Mast Nr. 35 errichtet werden kann. Dass dies von vornherein ausgeschlossen wäre, wie der Antragsteller behauptet, ist nicht ersichtlich.

20cc) Die noch anstehenden Maßnahmen sind nach Art und Umfang notwendig und auch im Übrigen verhältnismäßig.

21Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 EnWG muss der Grundstückseigentümer nur notwendige Vorarbeiten dulden. Dies bestimmt sich auch nach dem Zeitpunkt oder dem Verfahrensstadium, in dem die Vorarbeiten durchgeführt werden sollen. Die Behörde muss daher die für die Anordnung sprechenden Gründe darlegen können. Das gilt umso mehr, je stärker die Maßnahmen in das Eigentum am Grundstück eingreifen ( 4 VR 9.02 - Buchholz 407.4 § 16a FStrG Nr. 1 S. 3).

22Ausweislich der Begründung der Duldungsanordnung verspricht sich die Beigeladene von den Vorarbeiten detaillierte Informationen über den Baugrund. Mit Hilfe der Vorarbeiten sollen bodenphysikalische Eigenschaften verifiziert werden. Nur durch sichere Kenntnis der tatsächlichen Beschaffenheit und damit der Tragfähigkeit des Untergrundes könnten Mastfundamente richtig geplant werden. Damit ist die Notwendigkeit der in der Duldungsanordnung bezeichneten Vorarbeiten hinreichend begründet. Das gilt mit Blick auf den Verlängerungsbescheid vom umso mehr, als es für den Abschluss dieser Prüfung nur noch der Drucksondierungen bedarf. Dafür, dass diese Maßnahmen, die nach ihrer Eingriffsintensität nicht über das Maß dessen hinausgehen, was einem Grundstückseigentümer im Allgemeinen auf der Grundlage des § 44 Abs. 1 EnWG zuzumuten ist (BVerwG, Beschlüsse vom - 9 VR 2.17 - Buchholz 407.4 § 16a FStrG Nr. 6 Rn. 15 und vom - 7 VR 4.20 - NVwZ 2021, 572 Rn. 17), im Übrigen nicht angemessen und damit nicht verhältnismäßig sind, bestehen für den Senat keine Anhaltspunkte. Die von dem Antragsteller insoweit erhobenen Bedenken sind unbegründet.

23(1) Soweit der Antragsteller eine irreversible Verdichtung des fruchtbaren Ackerbodens durch das Befahren seines Grundstücks mit Transportmitteln und Raupengeräten bzw. in der Anlage 3 des Antrags aufgelisteten Maschinen und Bohrgeräten befürchtet und sich hierdurch in der Planung der landwirtschaftlichen Nutzung der Fläche bzw. der Frucht- und Nachsaatfolge eingeschränkt sieht, fehlt es an jeglicher Substantiierung. Der Antragsteller übersieht zudem § 44 Abs. 3 EnWG. Danach hat der Träger des Vorhabens eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten, wenn durch eine Maßnahme nach § 44 Abs. 1 EnWG dem Eigentümer unmittelbare Vermögensnachteile (z.B. durch Beschädigungen an der Fläche) entstehen. Hierauf hat der Antragsgegner im Bescheid vom (S. 5) zutreffend hingewiesen.

24(2) Die Notwendigkeit der in der Duldungsanordnung genannten Maßnahmen ist auch nicht deshalb zweifelhaft, weil - wie der Antragsteller behauptet - das gesamte Bauvorhaben nicht erforderlich ist und der Netzentwicklungsplan bzw. die Bundesfachplanungsentscheidung beanstandet würden. Der Einwand ist nicht substantiiert. Hiermit könnte der Antragsteller aber auch im Verfahren um eine Duldungsanordnung nicht gehört werden, weil dies auf eine - unzulässige - vorbeugende Unterlassungsklage hinausliefe. Solche Einwendungen können nur Gegenstand eines gegen den Planfeststellungsbeschluss gerichteten Klageverfahrens sein ( 4 VR 4.20 - juris Rn. 26 m.w.N.). Auch mit dem Vortrag, der Antragsteller werde einem Maststandort auf seinem Grundstück widersprechen, kann er hier nicht durchdringen. Insofern ist er auf das Planfeststellungsverfahren zu verweisen.

25(3) Dafür, dass die Dauer der Maßnahme von acht Wochen ab Vollziehbarkeit der Duldungsanordnung bzw. aufgrund der Verlängerung bis unverhältnismäßig sein könnte, fehlen jegliche Anhaltspunkte.

26dd) Schließlich ist auch die Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Der Bescheid lässt erkennen, dass die Duldungsanordnung notwendig und angemessen erscheint, um auf der Grundlage der noch ausstehenden Vorarbeiten einen schnellen, sicheren und zuverlässigen Bau der Höchstspannungsleitung zu gewährleisten. Angesichts der kraft Gesetzes bestehenden Duldungspflicht, der ausdrücklichen Weigerung des Antragstellers, und der Geringfügigkeit der verbliebenen Eingriffe in sein Eigentum waren weitere Erwägungen nicht veranlasst.

272. An der Ausnutzung der Duldungsanordnung besteht auch ein besonderes Vollzugsinteresse im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Dieses wird dadurch indiziert, dass es sich bei der Höchstspannungsleitung um ein Projekt des vordringlichen Bedarfs handelt, für das der Gesetzgeber in § 43e Abs. 1 Satz 1 EnWG die sofortige Vollziehbarkeit der Planfeststellung angeordnet hat. Diese Grundentscheidung ist auch bei den der Ausarbeitung der Planunterlagen dienenden Vorarbeiten zu berücksichtigen (z.B. BVerwG, Beschlüsse vom - 7 VR 4.20 - NVwZ 2021, 572 Rn. 20 und vom - 4 VR 4.20 - juris Rn. 33). Dass es nach den besonderen Umständen des Einzelfalles gleichwohl an der Dringlichkeit fehlt, hat der Antragsteller nicht dargetan.

28Auch die Beigeladene hat ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung. Aufgrund des vorliegenden Eilverfahrens hat sie die bereits laufenden Vorarbeiten eingestellt. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nur noch die Drucksondierungen durchzuführen sind und diese Arbeiten - innerhalb der verlängerten Frist - nur am durchgeführt werden können, ist der Beigeladenen ein weiteres Zuwarten nicht zumutbar.

29III. Auch in Bezug auf die Zwangsmittelandrohungen (Nr. 3 und 4 des verfahrensgegenständlichen Bescheids) überwiegen das öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen an der Aufrechterhaltung der kraft Gesetzes bestehenden sofortigen Vollziehbarkeit.

30Nach § 70 Abs. 1 des Niedersächsischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (NVwVG) in der Fassung vom (Nds. GVBl. S. 316) i.V.m. § 64 Abs. 4 Satz 1 des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (NPOG) in der Fassung vom (Nds. GVBl. S. 9), zuletzt geändert durch Gesetz vom (Nds. GVBl. S. 428), haben Rechtsbehelfe u.a. gegen die Androhung von Zwangsmitteln (vgl. § 65 Abs. 1 NPOG) keine aufschiebende Wirkung. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist damit statthaft (vgl. § 64 Abs. 4 Satz 2 NPOG).

31Zwangsmittel sind, möglichst schriftlich, anzudrohen (§ 70 Abs. 1 Satz 1 NPOG) und müssen sich auf ein bestimmtes Zwangsmittel beziehen (§ 70 Abs. 3 Satz 1 NPOG). Gemäß § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Im Falle einer Zwangsgeldandrohung bedeutet das, dass für den Betroffenen erkennbar ist, für welchen Verstoß gegen welche einzelne Pflicht ein Zwangsgeld in welcher Höhe angedroht ist (vgl. u.a. 1 A 10.95 - Buchholz 452.00 § 93 VAG Nr. 1 S. 8; OVG Lüneburg, Urteil vom - 1 L 2065/96 - BauR 1999, 882). Für die Zwangsgeldandrohung konkretisiert § 70 Abs. 5 NPOG das Bestimmtheitsgebot zudem insoweit, als das Zwangsgeld in bestimmter Höhe anzudrohen ist (OVG Lüneburg, Beschluss vom - 1 ME 136/21 - juris Rn. 10).

32Diesen Vorgaben genügt die Zwangsgeldandrohung (Nr. 3 des Bescheids) nach dem Erlass des Verlängerungsbescheids. Sie stellt nicht mehr, wie noch im Ausgangsbescheid, auf eine Duldungsanordnung ab, die mehrere Maßnahmen umfasst; insoweit wäre eine Zwangsgeldandrohung für jede einzelne Maßnahme erforderlich gewesen. Nunmehr bezieht sich die Zwangsgeldandrohung jedoch nur noch auf die Duldung der Drucksondierung. Diese bildet mit der gesondert erwähnten Nutzung des Grundstücks als Arbeits- und Abstellfläche für die benötigten Geräte und Fahrzeuge eine einheitliche Maßnahme. Denn die Drucksondierung kann nur nach Befahren der landwirtschaftlichen Flächen des Antragstellers vorgenommen werden. Die Androhung eines Zwangsgeldes "pro Tag" begegnet vor diesem Hintergrund letztlich auch keinen durchgreifenden Bedenken. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die §§ 64 ff. NPOG eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für eine der Durchsetzung einer Verfügung dienende Zwangsgeldandrohung "für jeden Fall der Zuwiderhandlung" (OVG Lüneburg, Urteil vom - 11 LB 29/15 - Nds. VBl. 2016, 312 = juris Rn. 61; Beschluss vom - 12 ME 188/18 - DVBl. 2020, 433 <Rn. 27>; siehe auch 1 A 10.95 - Buchholz 452.00 § 93 VAG Nr. 1 zu §§ 11, 13 VwVG; ferner Tilmanns, in: Sadler/Tillmanns, VwVG/VwZG, 10. Aufl. 2020, § 13 Rn. 84 sowie Troidl, in: Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, 12. Aufl. 2021, § 13 Rn. 4c) oder - wie hier - einer Androhung "pro Tag" enthalten. Angesichts des Umstandes, dass sich die Zwangsgeldandrohung jedenfalls in der Fassung des Verlängerungsbescheids nur noch auf die Drucksondierung bezieht, für die nach den Angaben der Beigeladenen nur ein Tag benötigt wird, kann die Androhung dahingehend ausgelegt werden, dass sie der Durchsetzung der Drucksondierung an diesem Tag dient.

33Die Androhung unmittelbaren Zwangs für den Fall der Erfolglosigkeit der Festsetzung von Zwangsgeld (Nr. 4 des Bescheids) ist als solche gemäß § 70 Abs. 3 Satz 2 NPOG möglich.

34Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2021:131221B4VR2.21.0

Fundstelle(n):
NAAAI-01052