BSG Beschluss v. - B 13 R 20/19 BH

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Entscheidung in der Hauptsache ohne vorherige Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe - Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör - Berücksichtigung klägerischer Vorbringen

Gesetze: § 62 Halbs 1 SGG, § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 73a Abs 1 S 2 SGG, § 103 S 1 SGG, § 106 Abs 1 SGG, § 110 Abs 1 S 1 SGG, § 112 Abs 2 S 2 SGG, § 126 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 69 Abs 1 Nr 2 SGB 10, § 117 Abs 2 S 1 ZPO, § 117 Abs 3 S 2 ZPO, § 117 Abs 4 ZPO, § 118 Abs 2 S 4 ZPO, Art 103 Abs 1 GG

Instanzenzug: Az: S 11 R 3064/14 Gerichtsbescheidvorgehend Thüringer Landessozialgericht Az: L 12 R 846/16 Urteil

Gründe

1I. Das einen Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form berufsfördernder Leistungen sowie auf die Erstattung von Bewerbungskosten abgelehnt.

2Mit privatschriftlichem Schreiben vom , das hier am selben Tag eingegangen ist, hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines noch zu benennenden Prozessbevollmächtigten für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil beantragt.

3II. Der PKH-Antrag des Klägers ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es hier. Das gegen die angefochtene Berufungsentscheidung statthafte und vom Kläger angestrebte Rechtsmittel ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 160a SGG). Die Revision darf gemäß § 160 Abs 2 SGG nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das angegriffene Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein bestimmter Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach summarischer Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Akten des LSG und derjenigen der Beklagten auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers im Schreiben vom nicht ersichtlich. Obgleich der darin angekündigte weitere Vortrag nicht erfolgt ist, bedurfte es weder eines Hinweises an den Kläger noch einer Aufforderung, seine Ausführungen näher zu erläutern. Seine Einwände gegen das angegriffene Urteil kommen im Schreiben vom hinreichend deutlich zum Ausdruck. Mit der Ablehnung des PKH-Antrags entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

41. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass ein zur Vertretung vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (vgl § 73 Abs 4 Satz 1 bis 3 SGG) des Klägers erfolgreich geltend machen könnte, der Rechtssache komme eine grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zu. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Eine derartige Rechtsfrage stellt sich vorliegend nicht. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gegenüber dem zuständigen Rentenversicherungsträger ergeben sich unmittelbar aus §§ 9 ff SGB VI. Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen ergeben sich dabei aus § 13 Abs 1 Satz 1, § 16 SGB VI iVm §§ 49 ff SGB IX. Die Anforderungen, die das Bestimmtheitserfordernis (§ 33 Abs 1 SGB X) an Verwaltungsakte stellt, sind bereits höchstrichterlich geklärt (vgl etwa - SozR 4-2500 § 13 Nr 48 RdNr 19; - SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 11), auch speziell bezogen auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (vgl - BSGE 110, 1 = SozR 4-2600 § 43 Nr 17, RdNr 7). Das weitere klägerische Vorbringen bezieht sich vor allem auf die seiner Ansicht nach unrichtige Rechtsanwendung des LSG in seinem konkreten Fall. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl etwa - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18; - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; jüngst Senatsbeschluss vom - B 13 R 354/18 B - juris RdNr 9).

52. Es spricht ferner nichts dafür, dass ein beim BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter mit Erfolg den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) geltend machen könnte. Die angefochtene Entscheidung des LSG ist nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen.

63. Schließlich ist kein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) erkennbar, auf dem die Entscheidung des LSG beruhen kann und der im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde in zulässiger Weise geltend gemacht werden könnte.

7a) Das LSG hat zwar eine Entscheidung in der Sache getroffen, ohne zuvor über den mit Schriftsatz vom gestellten Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH für das Berufungsverfahren zu entscheiden. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG; § 62 Halbsatz 1 SGG) folgt aus einem solchen Vorgehen jedoch nur dann, wenn dem Beteiligten, der PKH begehrt, bei zeitgerechter Entscheidung über seinen Antrag PKH zugestanden hätte ( - SozR 4-1500 § 62 Nr 9; BH - juris RdNr 6; - juris RdNr 6; - juris RdNr 6; vgl auch Senatsbeschluss vom - B 13 R 32/15 BH - juris RdNr 17). Das wäre vorliegend nicht der Fall gewesen. Der Senat lässt dahinstehen, ob die Berufung des Klägers hinreichende Erfolgsaussichten geboten hat, weil weitere Ermittlungen von Amts wegen notwendig gewesen wären (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 1281/04 - juris RdNr 14, zur gebotenen Bewilligung von PKH bei einer ernsthaft in Betracht kommenden Beweisaufnahme). Die verzögerte Entscheidung über den PKH-Antrag hat sich jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers ausgewirkt, weil seinem PKH-Antrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG die erforderliche Bewilligungsreife gefehlt hat; der Antrag hätte nur abgelehnt werden können (vgl zur Bewilligungsreife von PKH-Anträgen BH - juris RdNr 5; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Gehle, Zivilprozessordnung, 78. Aufl 2020, § 117 RdNr 35 mwN).

8Beteiligte, die PKH begehren, haben ihrem Antrag eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 117 Abs 2 Satz 1 ZPO). Dabei haben sie sich des amtlichen Vordrucks zu bedienen (§ 73 Abs 1 Satz 2 SGG iVm § 117 Abs 3 Satz 2, Abs 4 ZPO). Da sich der Inhalt der Erklärung auf den Zeitpunkt der Antragstellung beziehen muss, haben Beteiligte grundsätzlich bei jedem prozessual selbständigen Antragsverfahren erneut eine Erklärung unter Nutzung des amtlichen Vordrucks abzugeben ( - juris RdNr 6 mwN; - juris RdNr 5). Das ist vorliegend nicht geschehen. Der Kläger hat mit seinem PKH-Antrag vom keine Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorgelegt. Er hat diese auch nicht bis zum Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung am Folgetag nachgereicht. Sein Hinweis auf "die dem LSG bekannten PKH-Unterlagen" hat eine formgerechte Antragstellung nicht ersetzt. Der Zwang, sich des amtlichen Vordrucks zu bedienen, soll den Beteiligten die Darlegung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erleichtern; er dient aber auch dazu, den Gerichten die Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erleichtern. Dazu bedarf es in aller Regel der Erklärungen, welche in dem Vordruck gefordert werden, einschließlich der Versicherung über die Vollständigkeit und Richtigkeit der gemachten Angaben ( - SozR 1750 § 117 Nr 4 S 8; - juris RdNr 3). Aufgrund des Hinweises auf bereits vorliegende Unterlagen - die sich im Übrigen in der dem BSG vorliegenden Gerichtsakte der Vorinstanzen nicht finden - konnte das LSG sich keine ausreichende Gewissheit über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers verschaffen. Gleiches gilt für den pauschalen Verweis des Klägers auf die abgegebene eidesstattliche Versicherung nach den §§ 807, 899 ZPO und seine bloße Behauptung, dass "keine Besserung der Lage eingetreten" sei, zumal er den erwähnten aktuellen Eintrag im Schuldnerverzeichnis nicht belegt hat. Eine Konstellation, in der im PKH-Verfahren ausnahmsweise von der Vorlage einer aktuellen Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen abgesehen werden kann (vgl dazu - juris RdNr 7; - juris RdNr 5; IVb ZB 73/82 - NJW 1983, 2145), hat nicht vorgelegen.

9Eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör ließe sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt geltend machen, dass nach dem Inhalt der hier vorliegenden Akten das LSG dem Kläger vor der Entscheidung in der Sache keine Gelegenheit gegeben hat, seinen PKH-Antrag zu ergänzen. Zwar müssen die Gerichte einem Beteiligten Gelegenheit geben, die noch unvollständigen Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen innerhalb einer zu setzenden Frist glaubhaft zu machen, bevor sie einen Antrag auf Bewilligung von PKH allein deswegen ablehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 118 Abs 2 Satz 4 ZPO, vgl dazu etwa B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 73a RdNr 5b). Die Frist ist so zu bemessen, dass der Beteiligte die fehlenden Unterlagen voraussichtlich beschaffen kann (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Gehle, Zivilprozessordnung, 78. Aufl 2020, § 117 RdNr 35). Vorliegend hätte ein entsprechendes Hinweisschreiben des LSG den Kläger aber jedenfalls auf dem Postwege erst nach der für den anberaumten mündlichen Verhandlung erreicht, denn der Kläger hat seinen PKH-Antrag erst am Vortag um 15:16 Uhr gestellt. Das LSG ist auch nicht gehalten gewesen, den Termin allein deswegen von Amts wegen zu verlegen (vgl dazu, dass jedenfalls die erneute Stellung eines inhaltsgleichen PKH-Antrags für sich genommen keinen erheblichen Grund für eine Terminverlegung darstellt, - juris RdNr 7). Die Ladung ist dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am und damit rechtzeitig (vgl § 110 Abs 1 Satz 1 SGG) zugestellt worden. Es gibt keinen Hinweis auf Umstände, die den Kläger an einer zeitgerechten Stellung des PKH-Antrags gehindert haben könnten.

10b) Ebenso wenig ist erkennbar, dass erfolgreich eine Verletzung des § 103 Satz 1 SGG (Amtsermittlungsprinzip) geltend gemacht werden könnte. Zwar hat das LSG keine weiteren Ermittlungen angestrengt, nachdem die Beklagte eine Vorlage ihrer Verwaltungsakte mit Verweis auf eine vom Kläger gewünschte "komplette Datensperre" verweigert und der Kläger gegenüber dem Gericht die Abgabe einer Einverständniserklärung bezogen auf die Beiziehung der vollständigen Verwaltungsakte einschließlich der medizinischen Unterlagen abgelehnt hatte. Der darin möglicherweise liegende Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (vgl - SozR 4-1500 § 128 Nr 5 RdNr 22, dazu, dass zwar nicht die Beteiligten bestimmen, welche Angaben für die gerichtliche Entscheidung erforderlich sind, das Gericht jedoch bei einer Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten versuchen muss, die erforderlichen Ermittlungen selbst anzustellen) könnte vorliegend jedoch nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Der Senat kann daher auch dahinstehen lassen, ob nicht die Beklagte nach § 69 Abs 1 Nr 2 SGB X zur Vorlage der angeforderten Verwaltungsakte im gerichtlichen Verfahren befugt und sogar verpflichtet gewesen ist (vgl Bieresborn, SGb 2010, 501, 505 mwN, demzufolge sich die datenschutzrechtliche Übermittlungsbefugnis einer Behörde bei einer - vom anfordernden Gericht zu beurteilenden - Erforderlichkeit der Datenübermittlung zu einer Übermittlungspflicht verdichtet). Für den Vorhalt, das Berufungsgericht habe seine Verpflichtung zur Amtsermittlung gemäß § 103 SGG verletzt, bestehen nach § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 3 SGG spezifische Darlegungserfordernisse. Die Verfahrensrüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; - juris RdNr 9 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG ferner die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; , B 13 R 285/17 B - juris RdNr 14 mwN). Zwar sind an Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines Beweisantrags verminderte Anforderungen zu stellen, wenn ein Beteiligter - wie der Kläger - in der Berufungsinstanz durch keinen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten gewesen ist (vgl - SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 6; - juris RdNr 5). Auch ein unvertretener Kläger muss aber dem Gericht deutlich machen, dass er noch Aufklärungsbedarf sieht (vgl - juris RdNr 11; - juris RdNr 7; - juris RdNr 11). Einen derartigen Beweisantrag hat der Kläger nicht gestellt.

11Da er der mündlichen Verhandlung vor dem LSG ferngeblieben ist, kommt allein sein Vorbringen im ersten seiner zwei Schriftsätze vom in Betracht. Darin hat der Kläger vor allem verschiedene Beweismittel dafür angeboten, bei Ausübung seiner letzten Tätigkeiten stets "arbeitsfähig" gewesen zu sein. Dahingestellt bleiben kann, ob damit die Anforderungen an noch ausreichende Beweisanträge iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 3 SGG bei nicht durch rechtskundige und berufsmäßige Prozessbevollmächtigte vertretenen Beteiligten erfüllt wären. Es ließe sich jedenfalls nicht erfolgreich darlegen, dass das LSG bei Kenntnis der früheren "Arbeitsfähigkeit" des Klägers von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Kläger günstigen Ergebnis hätte gelangen können. Damit wären weiterhin nicht sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der begehrten Teilhabeleistungen, deren konkrete Natur der Kläger jedenfalls im gerichtlichen Verfahren im Unklaren gelassen hat, erwiesen. Das gilt schon für die generelle Erfolgsaussicht von Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben beim Kläger (vgl § 10 Abs 1 Nr 2b SGB VI). Dessen gesundheitliche Belastbarkeit in der Vergangenheit würde nicht automatisch bedeuten, dass er bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht grundsätzlich rehabilitationsfähig gewesen wäre (vgl dazu - SozR 4-2600 § 10 Nr 2 RdNr 29 ff). Zudem wäre offengeblieben, ob die Erwerbsfähigkeit des Klägers erheblich gemindert gewesen wäre (vgl § 10 Abs 1 Nr 1 SGB VI). Dies konnte auch nicht allein deswegen unterstellt werden, weil der Kläger offensichtlich eine Erwerbsminderungsrente bezieht, denn bei Feststellung einer geminderten Erwerbsfähigkeit iS von § 10 Abs 1 Nr 1 SGB VI sind nicht die Kriterien anwendbar, die für die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen der Rente wegen Erwerbsminderung maßgebend sind (vgl - SozR 4-2600 § 10 Nr 1 RdNr 15; - SozR 4-2600 § 10 Nr 2 RdNr 17; - BSGE 108, 158 = SozR 4-3250 § 17 Nr 1, RdNr 46). Zu diesen konkreten Punkten hat der Kläger nicht einmal sinngemäß eine weitere Aufklärung angemahnt. Er hat vielmehr im Schriftsatz vom erneut vorgebracht nicht zu wissen, was genau Streitgegenstand des von ihm - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den vorangegangenen Gerichtsbescheid des SG - angestrengten Berufungsverfahrens sei.

12c) Es liegt ferner kein rügefähiger Verfahrensmangel darin, dass das LSG von der Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers (§ 111 Abs 1 SGG) zum Termin am abgesehen hat. Die Anordnung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts und lässt ihm einen großen Entscheidungsspielraum (stRspr; vgl 9a RV 3/91 - juris RdNr 11; - juris RdNr 11; - juris RdNr 11). Weder Art 103 Abs 1 GG noch § 62 SGG verlangen, dass das Gericht dafür Sorge zu tragen hat, dass jeder Beteiligte auch persönlich vor Gericht auftreten kann. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens kann nur im Ausnahmefall geboten sein, etwa wenn der schriftliche Vortrag eines Beteiligten wegen Unbeholfenheit oder Sprachunkenntnis keine Sachverhaltsaufklärung gewährleistet und ein Erscheinen auf eigene Kosten sich als undurchführbar erweist (vgl 9a RV 3/91 - juris RdNr 11; - juris RdNr 11). Ein derartiger Ausnahmefall hat hier nicht vorgelegen. Selbst eingedenk des Vorbringens des Klägers im ersten seiner zwei Schriftsätze vom , es gehe um "komplizierte Tat- und Rechtsfragen", ist nicht ersichtlich, dass ihm der Zugang zum Gericht wegen Mittellosigkeit oder aus anderen Gründen praktisch versperrt oder erschwert worden wäre. Er war zu schriftlichem Vortrag in der Lage und hat von dieser Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen, auch Gebrauch gemacht.

13d) Ebenso wenig ist ein rügefähiger Verfahrensmangel darin zu erblicken, dass das LSG in Abwesenheit des Klägers über dessen Berufung mündlich verhandelt und entschieden hat. Ist einem Beteiligten - wie vorliegend dem Kläger - das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden, kann das Gericht die mündliche Verhandlung auch ohne den ordnungsgemäß geladenen, aber nicht erschienenen Prozessbeteiligten durchführen oder nach § 126 SGG nach Aktenlage entscheiden, ohne dass dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt würde ( - juris RdNr 12 = VdKMitt 1983, 12, 46; - juris RdNr 5; Senatsbeschluss vom - B 13 R 320/18 B - juris RdNr 8). Auf diese Möglichkeit ist der Kläger in der Ladung hingewiesen worden.

14e) Dass das LSG dem Kläger vor seiner Entscheidung keinen gerichtlichen Hinweis erteilt hat, stellt keinen rügefähigen Verfahrensmangel dar. Eine Gehörsverletzung begründet dies schon deswegen nicht, weil es keine allgemeine Verpflichtung der Gerichte gibt, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Tatsachen- und Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Eine derartige Hinweispflicht wird weder durch den allgemeinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus § 62 SGG bzw Art 103 Abs 1 GG noch durch die Regelungen zu richterlichen Hinweispflichten in § 106 Abs 1 und § 112 Abs 2 Satz 2 SGG begründet, denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ( - juris RdNr 44; Senatsbeschluss vom - B 13 R 377/15 B - juris RdNr 19; Senatsbeschluss vom - B 13 R 287/18 B - juris RdNr 12; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 590 mwN). Das Absehen von einem Hinweis hat vorliegend auch nicht zu einer den klägerischen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzenden Überraschungsentscheidung geführt. Hiervon kann nur ausgegangen werden, wenn sich das Gericht ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 2 BvR 2126/11 - NJW 2012, 2262 - juris RdNr 18 mwN; Senatsbeschluss vom - B 13 R 287/18 B - juris RdNr 13). Zu einer solchermaßen unerwarteten Wende ist es vorliegend bereits deswegen nicht gekommen, weil das LSG die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis bestätigt hat. Zudem hat es den Kläger mit ausführlichem Schreiben vom darauf hingewiesen, dass er bei unveränderter Sach- und Rechtslage mit einer Beweislastentscheidung zu seinen Lasten rechnen müsse.

15f) Soweit der Kläger vorbringt, sein Berufungsvorbringen insbesondere in seinen beiden Schriftsätzen vom sei nicht ausreichend zur Kenntnis genommen und erwogen worden, ist ebenfalls kein rügefähiger Verfahrensmangel ersichtlich. Jedenfalls der erste klägerische Schriftsatz vom ist vom LSG vor Beginn der mündlichen Verhandlung entgegengenommen worden, denn ausweislich der Sitzungsniederschrift ist der Bevollmächtigten der Beklagten im Termin eine Abschrift ausgehändigt und ist ihr Gelegenheit zur Durchsicht und Stellungnahme gegeben worden. Bei vom Gericht entgegengenommenem Vorbringen der Beteiligten ist aber grundsätzlich davon auszugehen, dass die Ausführungen zur Kenntnis und in Erwägung gezogen worden sind (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 1890/15 - juris RdNr 14 f). Im Übrigen sind die Gerichte nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden; sie müssen nur das wesentliche, der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienende Vorbringen in den Entscheidungsgründen verarbeiten (stRspr; zB BVerfG <Kammer> vom - 1 BvR 2722/06 - BVerfGK 13, 303, 304 = juris RdNr 9 ff mwN; BVerfG <Kammer> - BVerfGK 7, 485, 488). Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung von Vorbringen ist dann anzunehmen, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl - BVerfGE 22, 267, 274; - BVerfGE 96, 205, 216 f), zB wenn ein Gericht das Gegenteil des Vorgebrachten annimmt, den Vortrag eines Beteiligten als nicht existent behandelt (vgl aaO) oder wenn es auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, es sei denn, der Tatsachenvortrag ist nach der materiellen Rechtsauffassung des Gerichts unerheblich ( - BVerfGE 86, 133, 146). Ein solcher Verstoß ist vorliegend nicht zu erkennen. Insbesondere ist nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des LSG das klägerische Vorbringen zu seiner Leistungsfähigkeit in früheren Beschäftigungsverhältnissen nicht entscheidungserheblich gewesen.

16Ob der zweite Schriftsatz vom , den der Kläger in der Nacht vom 18. auf den per Fax an das LSG übermittelt hat, dem dortigen Senatsvorsitzenden bis zur mündlichen Verhandlung hat vorgelegt werden können, ist den vorliegenden Akten nicht zu entnehmen. Jedoch hat dieser Schriftsatz lediglich Vorbringen zum Verbleib der vermeintlichen Verwaltungsakte der Beklagten enthalten. Es ist nicht erkennbar, inwiefern die mögliche Unkenntnis des LSG vom Inhalts dieses Schriftsatzes für das angefochtene Urteil erheblich sein könnte. Zudem endete der dort in Bezug genommene, dem LSG vorliegende Aktenband ausweislich des Vermerks auf Bl 50 R der Prozessakte vor dem streitigen Zeitraum.

174. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2020:220720BB13R2019BH0

Fundstelle(n):
UAAAI-01041