Erbschaftsteuer | Vereinbarkeit der §§ 16 Abs. 2 ErbStG und 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG mit Unionsrecht (EuGH)
Der EuGH hat zur Vereinbarkeit der §§ 16 Abs. 2 ErbStG und 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG mit der Kapitalverkehrsfreiheit entschieden. Die erste Vorschrift hält der EuGH für unionsrechtskonform, die zweite nicht ().
Sachverhalt und Verfahrensgang: Die Klägerin ist österreichische Staatsangehörige und wohnt in Österreich. Sie ist die Tochter von E, der ebenfalls österreichischer Staatsbürger war und in Österreich wohnte und der am verstarb.
E war Eigentümer dreier bebauter Grundstücke sowie eines unbebauten Grundstücks in Deutschland. Er hatte ein Testament errichtet, mit dem er seine Tochter zu seiner Alleinerbin einsetzte, während seine Ehefrau und sein Sohn Anspruch auf einen Pflichtteil hatten.
Nach dem Tod ihres Vaters verpflichtete sich die Klägerin des Ausgangsverfahrens in einem Pflichtteilsübereinkommen, ihrer Mutter und ihrem Bruder Beträge von 1.700.000 € und 2.850.000 € zur Berichtigung ihrer Pflichtteilsansprüche zu zahlen. Sie beantragte in ihrer Erbschaftsteuererklärung, die Verbindlichkeiten aus den Pflichtteilen in Höhe von 43 % von dem Wert ihres Erwerbs von Todes wegen als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Der in Deutschland der Erbschaftsteuer unterliegende Teil des Grundvermögens mache 43 % des Gesamtwerts des Nachlassvermögens in Höhe von 11.592.598,10 € aus, zu dem auch Kapitalvermögen und ein in Spanien belegenes Grundstück gehörten.
Das FA setzte die von der Klägerin geschuldete Erbschaftsteuer auf 642.333 € fest. Dabei unterwarf es nur die in Deutschland belegenen Grundstücke der Besteuerung. Den Abzug der Pflichtteile als Nachlassverbindlichkeiten lehnte es mit der Begründung ab, dass diese nicht im Sinne von § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den zum Nachlassvermögen gehörenden Grundstücken stünden. Ferner berücksichtigte es bei der Berechnung der Erbschaftsteuer anstelle des für die Kinder des Erblassers an sich nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG vorgesehenen Freibetrags von 400.000 € einen nach § 16 Abs. 2 ErbStG geminderten Freibetrag.
Im Klageverfahren hat das FG Düsseldorf dem EuGH die Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob § 16 Abs. 2 und § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG sowie § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG mit Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV vereinbar seien (, s. hierzu Lieber, IWB 3/2021 S. 90). NWB OAAAH-70597
Hierzu führten die Richter des EuGH weiter aus:
Die Art. 63 und 65 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Berechnung der Erbschaftsteuer nicht entgegenstehen, die vorsieht, dass im Fall des Erwerbs von im Inland belegenen Grundstücken, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers weder dieser noch der Erbe seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte, der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage gegenüber dem Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest einer von ihnen zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat gehabt hätte, um einen Betrag gemindert wird, der dem Verhältnis des Wertes des nicht der Steuer in diesem Mitgliedstaat unterliegenden Vermögens zum Gesamtwert des Nachlasses entspricht.
Die Art. 63 und 65 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Berechnung der Erbschaftsteuer entgegenstehen, die vorsieht, dass im Fall des Erwerbs von im Inland belegenen Grundstücken, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers weder dieser noch der Erbe seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte, die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen nicht als Nachlassverbindlichkeiten vom Nachlasswert abzugsfähig sind, während diese Verbindlichkeiten vollständig abgezogen werden können, wenn zumindest einer von ihnen zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte.
Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des EuGH veröffentlicht.
Quelle: EuGH online (il)
Fundstelle(n):
BAAAI-00301