§ 107 AO Entschädigung der Auskunftspflichtigen und Sachverständigen
1 Geltungsbereich
Die Vorschrift des § 107 AO gilt in allen Abschnitten des Besteuerungsverfahrens (einschließlich des Außenprüfungs-, Vollstreckungs- und Rechtsbehelfsverfahrens), nicht jedoch im Steuerstraf- bzw. im Bußgeldverfahren.
Folgende Besonderheiten sind zu beachten:
1.1 Im Steuerstraf- und im Bußgeldverfahren gehörte Zeugen oder bestellte Sachverständige werden nicht nach § 107 AO, sondern nach § 405 AO entschädigt.
1.2 Eine besondere gesetzliche Regelung besteht für Dritte, die aufgrund eines Beweiszwecken dienenden Ersuchens der Strafverfolgungsbehörde Gegenstände herausgeben (§ 95 Abs. 1 StPO) oder die Pflicht zur Herausgabe entsprechend einer Anheimgabe der Strafverfolgungsbehörde abwenden, Auskunft erteilen oder die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs ermöglichen (§ 100 b Abs. 3 StPO). Diese Dritten haben nach § 17 a Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 ZSEG einen Anspruch darauf, wie Zeugen entschädigt zu werden.
2 Entschädigungsberechtigte
2.1 Die von einem Finanzamt durch Verwaltungsakt zu Beweiszwecken herangezogenen Auskunftspflichtigen (§ 93 AO; nicht § 93 a AO) und Sachverständigen (§ 96 AO) erhalten nach § 107 AO auf Antrag eine Entschädigung in entsprechender Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) [1], soweit sie weder Beteiligte (§§ 78, 359 AO) sind noch die Auskunftspflicht für einen Beteiligten zu erfüllen haben (wie z. B. die Vertreter und Verfügungsberechtigten i. S. d. §§ 34, 35 AO).
Entschädigungsberechtigt sind auch Geldinstitute (Banken, Sparkassen und die Deutsche Postbank AG). [2]
2.2 Freiwillig – d. h. ohne Aufforderung durch das Finanzamt – vorgelegte Auskünfte und Sachverständigengutachten führen jedoch selbst dann nicht zu einer Entschädigung, wenn das Finanzamt sie verwertet. [3]
2.3 Nimmt ein Auskunftspflichtiger oder ein Sachverständiger eine Hilfsperson in Anspruch (z. B. Steuerberater), so hat dieser keinen eigenen Entschädigungsanspruch. [4]
2.4 Die dem Drittschuldner durch die Erfüllung seiner Erklärungspflicht gem. § 316 AO entstehenden Kosten sind nicht nach § 107 AO zu erstatten. Dies gilt auch, wenn das Finanzamt die Angaben in der Drittschuldnererklärung für unzureichend hält und deshalb um Ergänzung oder Vervollständigung nachsucht. Eine Entschädigung kommt aber in Betracht, wenn das Finanzamt den Drittschuldner um Auskünfte ersucht, die über dessen Erklärungspflicht gem. § 316 AO hinausgehen.
3 Entschädigungsfähige Aufwendungen und Höhe der Entschädigung
In der Mehrzahl der Fälle, in denen bei den Finanzämtern Anträge nach § 107 AO gestellt werden, handelt es sich um den Ersatz der nachstehend aufgeführten Aufwendungen. Für Beteiligte, die ihren Wohnsitz oder Sitz in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben, ermäßigen sich die aus § 2 Abs. 3 Satz 2, §§ 3, 5, Abs. 1, 2 und 3 Satz 1, §§ 17 und 17 a Abs. 1 bis 3 ZSEG ergebende Entschädigung sowie die in § 2 Abs. 2 und § 5 Abs. 3 Satz 2 ZSEG festgesetzten Höchstbeträge um 10 vom Hundert. Die Entschädigung kann im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände bis zu den Höchstsätzen dieses Gesetzes festgesetzt werden, wenn die sich nach Satz 2 ergebende Entschädigung unbillig wäre.
Die Entschädigung von Auskunftspflichtigen stellt echten Schadenersatz dar und unterliegt nicht der Umsatzsteuer (Abschnitt 3 Abs. 8 UStR). Etwaige in Rechnung gestellte Umsatzsteuer, ist daher nicht zu erstatten (vgl. aber Tz. 3.6).
3.1 Entschädigung für Arbeitsaufwand
Hat der Antragsteller mit der Erledigung des Auskunftsersuchens des Finanzamts in seinem Betrieb beschäftigte Personen beauftragt (§ 17 a Abs. 3 ZSEG), kommt es nicht darauf an, ob dem Antragsteller durch Zahlung von Überstundenvergütungen oder Neueinstellungen ein Mehraufwand entstanden ist. [5] Soweit bei der Erledigung von Ersuchen Fachkräfte eingesetzt werden, kommt daher regelmäßig eine Entschädigung i. H. des gesetzlichen Höchstbetrages von 13,00 EUR (§ 2 Abs. 2 ZSEG) pro Stunde in Betracht. Die Entschädigung wird für höchstens zehn Stunden pro Tag gewährt (§ 2 Abs. 5 ZSEG).
Werden hingegen keine Fachkräfte beschäftigt und können im Übrigen auch keine Mehraufwendungen nachgewiesen werden, ist nach § 2 Abs. 2 ZSEG nur eine Mindestentschädigung von 2,00 EUR pro angefangener Stunde zu gewähren. Das gilt auch, wenn durch die Auskunftserteilung ein Verdienstausfall nicht eingetreten ist (§ 2 Abs. 3 Satz 1 ZSEG).
Auskunftspflichtige, die nicht erwerbstätig sind und einen Haushalt für mehrere Personen führen, erhalten eine Entschädigung von 10,00 EUR je Stunde (§ 2 Abs. 3 Satz 2 ZSEG). Das Gleiche gilt für Teilzeitbeschäftigte, die außerhalb ihrer vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit herangezogen werden (§ 2 Abs. 3 Satz 3 ZSEG).
Auskunftspflichtige können auch Fahrtkostenersatz gem. § 9 ZSEG und Aufwandsentschädigung gem. § 10 ZSEG erhalten.
Wird der Ersatz entsprechender Aufwendungen beantragt, ist im Einzelfall sorgfältig u. a. zu prüfen, ob der geltend gemachte Arbeitsaufwand im Verhältnis zu Art und Umfang des Auskunftsersuchens steht.
3.2 Auslagenersatz für Abschriften und Ablichtungen
Der Auslagenersatz für die Herstellung von Abschriften und Ablichtungen richtet sich nach den für die gerichtlichen Schreibauslagen im Gerichtskostengesetz bestimmten Beträgen (§ 11 Abs. 2 ZSEG). Danach ist als Auslagenersatz für jede Abschrift oder Ablichtung
für die ersten 50 Seiten je 0,50 EUR
für jede weitere Seite 0,15 EUR
zu ersetzen.
Diese Beträge sind jedoch nur dann zu gewähren, wenn nicht noch zusätzlich die Erstattung von Arbeitslohn für das Kopieren beantragt wird. Wird eine Entschädigung für Personalkosten gewährt, in der die Arbeitszeit für das Kopieren bereits erfasst ist, ist nur noch der Materialwert für die Fotokopie mit 0,08 EUR je Kopie zu erstatten. [6] Bei der Überlassung von elektronisch gespeicherten Daten anstelle von Fotokopien beträgt der Auslagenersatz 2,50 EUR je Datei.
Aufwendungen für unaufgefordert eingereichte Abschriften und Ablichtungen werden nicht erstattet.
3.3 Ersatz weiterer Aufwendungen
Für die Vorlage von Urkunden (§ 97 AO) und für die Duldung der Einnahme des Augenscheines (§ 98 AO) kann eine Entschädigung nach § 107 AO nicht beansprucht werden. [7] Eine Entschädigung wird auch nicht gezahlt für Kosten, die dadurch entstehen, dass Unterlagen lesbar gemacht werden. [8]
Bei einem kombinierten Auskunfts- und Vorlageersuchen hat der ersuchte Dritte dagegen Anspruch auf Ersatz aller seiner mit dem Ersuchen zusammenhängenden Aufwendungen, d. h. auch jener, die ihm im Zusammenhang mit der Vorlage von Urkunden entstanden sind. Die Vorlagepflicht ist hier als Nebenpflicht der Auskunftspflicht anzusehen. [9] In diesem Fall sind auch die Kosten für das Lesbarmachen von Unterlagen erstattungsfähig. Denn im Rahmen der Auskunftspflicht nach § 93 AO ist die Vorschrift des § 147 Abs. 5 AO auch nicht entsprechend anwendbar. [10]
Im Übrigen ist der Antrag auf Ersatz von Aufwendungen nach den §§ 9 bis 11 Abs. 1 ZSEG im Einzelfall zu prüfen.
3.4 Besonderheiten bei Geldinstituten
Das ZSEG sieht grundsätzlich keine Vergütung für die Benutzung von Werkzeugen, Geräten oder technischen Einrichtungen vor, die der Inanspruchgenommene bei der Ausübung seines Berufs oder Gewerbes ohnehin benötigt. Abnutzung im üblichen Rahmen begründet keinerlei Ersatzanspruch. Deshalb können bei einem Geldinstitut nur die Aufwendungen für den Arbeitseinsatz von Mitarbeitern (siehe Nr. 3.1) ersetzt werden, die das gewünschte Zuordnen der in Betracht kommenden Mikrofilme zu den entsprechenden Kontounterlagen, das Heraussuchen der Mikrofilme, das Ausfindigmachen der richtigen Bildes, dessen Vergrößerung und Fotokopie sowie das Rückeinordnen der Filme vorgenommen haben. Hierfür erscheint ein Zeitaufwand von durchschnittlich acht Minuten pro Bild als realistisch. [11] Daneben sind die als Schreibauslagen (siehe Nr. 3.2) anzusehenden Kosten zu erstatten.
3.5 Wegen weiterer Entschädigungsfälle vgl. Vollstreckungskartei zu § 249 AO.
3.6 Besonderheiten bei Sachverständigen
Der Einsatz unabhängiger Sachverständiger gem. § 96 AO kommt im Besteuerungsverfahren nur in Ausnahmefällen in Betracht. Soweit erforderlich, sind die jeweils zuständigen Sachverständigen der Finanzverwaltung einzuschalten.
Daher hat die Entschädigungsnorm des § 107 AO in diesem Bereich keine große praktische Bedeutung.
Bei den wenigen in Betracht kommenden Fällen sind insbesondere zu beachten:
§ 3 ZSEG: Entschädigung der Sachverständigen für ihre Leistungen mit Stundensätzen zwischen 25,00 und 52,00 EUR (Abs. 2) und Überschreitungsmöglichkeiten in besonderen Fällen (Abs. 3),
§ 5 ZSEG: Entschädigungen für besondere Leistungen,
§ 8 ZSEG: Ersatz von Aufwendungen, die üblicherweise durch die Sachverständigentätigkeit entstehen,
§§ 9, 10 ZSEG: Fahrtkostenersatz und Aufwandsentschädigungen,
§ 11 ZSEG: Sonstige Aufwendungen
Im Gegensatz zur Entschädigung des Auskunftspflichtigen ist die auf die Entschädigung des Sachverständigen entfallende Umsatzsteuer erstattungsfähig, sofern sie nicht nach § 19 Abs. 1 UStG unerhoben bleibt (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 ZSEG).
4 Antrag, Antragsfrist und Verjährung
4.1 Die Entschädigung eines Auskunftspflichtigen oder Sachverständigen erfolgt auf Antrag.
4.2 Der Anspruch der Auskunftspflichtigen (§ 93 AO), der Zeugen (§ 405 AO) und des Dritten i. S. d. § 17 a Abs. 1 Satz 1 ZSEG ist innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten geltend zu machen. Sie beginnt mit der Abgabe der erbetenen Auskunft gegenüber der ersuchenden Stelle, bei der Vernehmung eines Zeugen mit seiner Entlassung, mit der Übergabe der herauszugebenden Gegenstände an die ersuchende Strafverfolgungsbehörde oder mit der Beendigung der Überwachung des Fernmeldeverkehrs. Nach Ablauf der Frist erlischt der Anspruch (§ 15 Abs. 2 ZSEG); Fristverlängerung ist unzulässig und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorgesehen.
4.3 Hinsichtlich der Entschädigung der Sachverständigen kann das Finanzamt gem. § 15 Abs. 3 ZSEG eine Frist setzen, die mindestens zwei Monate betragen muss. Diese Frist kann verlängert werden und ggf. kommt auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.
4.4 Auf die Verjährung des Entschädigungsanspruchs sind die Vorschriften des BGB anzuwenden (§ 15 Abs. 4 ZSEG). Die Ansprüche auf Erstattung zuviel gezahlter Entschädigungen verjähren in vier Jahren (§ 15 Abs. 6 ZSEG).
5 Festsetzung der Entschädigung
5.1 Die Entscheidung darüber, ob ein Auskunftspflichtiger, ein Sachverständiger oder ein Dritter zu entschädigen ist, liegt nicht im Ermessen des Finanzamts. Auf die Entschädigung besteht beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch.
5.2 Für die Festsetzung der Entschädigung ist die Geschäftsstelle des Finanzamts zuständig, das die Auskunft verlangt oder das Gutachten angefordert hat. Die Ausgabe ist beim Titel 538 02 zu buchen.
5.3 Wir der Antrag auf Entschädigung ganz oder teilweise abgelehnt, so ist gegen diesen Verwaltungsakt der Einspruch gegeben.
OFD Hannover v. - S 0256
– 2 – Sto 321; S 0256
– 1 – StH 461
Fundstelle(n):
SAAAA-80934
1amtliches AO-Handbuch 2003 Anhang 14
2vgl. (BStBl 1981 II S. 392)
3vgl. AO-Kartei § 107 AO Karte 1 Nr. 1
4 vgl. Urteil des NFG vom – XII 649/87 – (n. v.)
5vgl. Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom – 2 Ws 152/90 –
6vgl. OLG Celle, Beschluss vom 10. September 1981 – 1 Ws 221/81 – (n. v.)
7a. A.: (EFG 1980 S. 318)
9vgl. (BStBl 1988 II S. 163)
10vgl. (BStBl 1981 II S. 392)
11vgl. – (n. v.)