§ 169 AO Wahrung der Festsetzungsfrist durch rechtzeitige Absendung des Steuerbescheids (§ 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO)
1. Rechtsfolgen der rechtzeitigen Absendung
Für die Wahrung der Festsetzungsfrist durch rechtzeitige Absendung eines Steuerbescheides gem. § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO kommt es nicht darauf an, dass der Bescheid dem Empfänger auch tatsächlich zugeht (vgl. -, BStBl 2001 II S. 211), er muss nur vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Bereich der zuständigen Finanzbehörde verlassen haben.
Voraussetzung für die Fristwahrung ist aber,
dass das Finanzamt alle Voraussetzungen eingehalten hat, die für den Erlass eines wirksamen Steuerbescheids vorgeschrieben sind (z. B. Übersendung an aktuelle Adresse, vgl. -, BStBl 2001 II S. 58) und
dass der Bescheid von dem örtlich zuständigen Finanzamt erlassen wird (vgl. -, BStBl 2002 II S. 406, nach dem ein materiell unrichtiger Steuerbescheid eines örtlich nicht zuständigen Finanzamtes die Festsetzungsfrist nicht nach § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO wahrt, wenn der Bescheid dem Steuerpflichtigen erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist zugegangen ist; die Frage, ob der materiell richtige Bescheid eines örtlich unzuständigen Finanzamtes die Festsetzungsfrist wahrt, ist bisher nicht entschieden. Ich bitte insoweit entweder auf eine rechtzeitige Aktenabgabe oder eine formell korrekte Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO zu achten.).
Für den Fall, dass der Bescheid dem Empfänger nicht zugegangen ist, muss die Bekanntgabe allerdings wiederholt werden, weil durch die rechtzeitige Absendung lediglich die Verjährungsfrist gewahrt wurde (vgl. -, BStBl 1999 II S. 749).
Die Wirkungen der Bekanntgabe (Beginn der Einspruchsfrist, Bindungswirkung des Bescheids, Beginn der Zahlungsfrist) treten erst ab dem Zeitpunkt der Nachholung der Bekanntgabe ein.
2. Beweisführung über rechtzeitige Absendung
In dem Urteil vom - III R 43/97 - (a. a. O.) hat der BFH darüber hinaus entschieden, dass das Finanzamt Beweis darüber führen muss, dass der Steuerbescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist das zuständige Finanzamt verlassen hat, damit von einer Wahrung der Verjährungsfrist durch rechtzeitige Absendung ausgegangen werden kann.
Im Zentralversand durch das Finanz-Rechenzentrum kann im Einzelfall nicht nachgewiesen werden, dass der fristwahrende Bescheid den ”Bereich des Finanzamts” tatsächlich verlassen hat. Dies ist grundsätzlich verfahrensrechtlich unproblematisch, weil in der Regel die ganz überwiegende Zahl der Postsendungen beim Empfänger ankommen und von diesem auch der Zugang nicht bestritten wird.
Es kann jedoch erforderlich sein, in Ausnahmefällen, in denen die Festsetzungsfrist demnächst abläuft und auf Grund weiterer Umstände ein besonderes Gewicht auf die Nachweismöglichkeit der rechtzeitigen Absendung gelegt werden muss, weil z. B. besondere Umstände des Einzelfalls die Behauptung eines Nichtzugangs durch den Steuerpflichtigen/Berater vermuten lassen, die rechtzeitige Absendung durch die Finanzbehörde nachzuweisen. In diesen Fällen ist der Bescheid förmlich zuzustellen (AEAO § 122 Tz. 3.1).
In anderen Ausnahmefällen, in denen die Festsetzungsfrist demnächst abläuft und auf Grund weiterer Umstände ebenfalls ein besonderes Gewicht auf die Nachweismöglichkeit der rechtzeitigen Absendung gelegt werden muss (z. B. Steuerbescheid mit hoher Steuerschuld) bitte ich, Bescheide, die ab dem 1. Oktober des Jahres versandt werden, mit dessen Ablauf die Festsetzungsverjährung eintritt, vom Zentralversand auszuschließen (vgl. hierzu Rdvfg. vom - O 2200 - 314/71 - StH 114/StO 142, Tz. 5.2). Bei Bescheiden, die früher versandt werden, ist dies nicht erforderlich, weil davon ausgegangen werden kann, dass eine rechtzeitige Wiederholung der Bekanntgabe im Falle des Bestreitens des Zugangs des Bescheides möglich ist.
Bei Bescheiden, die nicht im zentralen Versand verschickt werden, lässt der BFH einen Aktenvermerk der veranlagenden Stelle über die Aufgabe zur Post nicht genügen, sondern fordert einen Absendevermerk der Poststelle Der Absendevermerk durch einen Bediensteten des Festsetzungsbereichs ist nach Auffassung des BFH nicht ausreichend, da der Bescheid auf dem Weg vom Festsetzungsbereich zur Poststelle verloren gehen könnte.
Zu diesem Zweck wird eine StarOffice-Vorlage ”Absendevermerk_Poststelle” eingestellt (unter Abgabenordnung_OFD). Diese soll grundsätzlich nur verwendet werden, wenn das Finanzamt die Steuerbescheide selbst versendet und der Eintritt der Festsetzungsverjährung in Kürze bevorsteht (s. o.).
Der Absendevermerk ist im Bedarfsfall von der Veranlagungsstelle durch Abarbeitung der Vorlage zu erstellen und zusammen mit dem Bescheid und ggf. den beizufügenden Anlagen der Poststelle zuzuleiten und von dieser nach Durchführung der Absendearbeiten zu unterzeichnen. Nach der Aufgabe zur Post ist der unterschriebene Vermerk an die Veranlagungsstelle zurückzusenden und dort zu den Akten bzw. dem Vorgang zu nehmen.
Daneben ist es auch weiterhin möglich, Bescheide, bei denen der Eintritt der Festsetzungsverjährung droht, nach den Vorschriften des VwZG förmlich zuzustellen. Soweit die Verjährung unmittelbar bevorsteht, sind aber auch bei Zustellungen nach dem VwZG Absendevermerke durch die Poststelle zu fertigen, weil bei Zustellungen nur der Zeitpunkt des Zugangs, nicht aber der Zeitpunkt des Abgangs beim Finanzamt exakt nachgewiesen werden kann.
3. Verfahren bei drohender Zahlungsverjährung
Die vorstehenden Regelungen gelten für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, bei denen Zahlungsverjährung droht, sinngemäß (z. B. Bekanntgabe von AdV-Bescheiden).
4. Anrufung des Großen Senats - 2/01 -
Abschließend weise ich darauf hin, dass der II. Senat des BFH die insbesondere in Tz. 1 AEAO zu § 169 wiedergegebene Rechtsauffassung anderer BFH-Senate nicht teilt und deshalb mit Beschluss vom , - II R 47/98 - (BStBl II 2001 S. 695), dem Großen Senat des BFH die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt hat, ob die Festsetzungsfrist gem. § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO auch dann gewahrt ist, wenn der Bescheid, der vor Ablauf der Steuerfestsetzungsfrist den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Behörde verlassen hat, dem Empfänger nicht zugeht, obwohl die Behörde nach Lage der Steuerakten alles getan hat, dass er hätte zugehen können, aber nach Ablauf der Festsetzungsfrist ein inhaltsgleicher Bescheid ergeht, der dem Empfänger auch bekannt gegeben wird.
Bis zur Entscheidung des Großen Senats bittet die OFD nach den unter Tzn. 1 bis 3 genannten Grundsätzen zu verfahren.
OFD Hannover v. - S 0340 - 27 - StH 461 S 0340 - 8 - StO 321
Fundstelle(n):
YAAAA-80877