Online-Nachricht - Donnerstag, 16.12.2021

Einkommensteuer | Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen wiederkehrende Leistungen (BFH)

Sind wiederkehrende Barleistungen in einem vor dem abgeschlossenen Vermögensübergabevertrag vereinbart worden, stellen sie dauernde Lasten dar, wenn sie abänderbar sind (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG i.d.F. vor Inkrafttreten des JStG 2008 vom EStG a.F. , BGBl I 2007, 3150; die Neufassung ist nur auf Versorgungsleistungen anzuwenden, die auf nach dem vereinbarten Vermögensübertragungen beruhen, § 52 Abs. 18 Satz 2 EStG. Dauernde Lasten sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG a.F. in vollem Umfang abziehbar. Leibrenten können nach näherer Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG a.F. nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG aufgeführten Tabelle ergibt.

Sachverhalt: Die Kläger wurden in den Streitjahren 2012 bis 2014 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Jahr 2004 hatte der Kläger im Wege der vorweggenommenen Erbfolge den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern übernommen. Im Gegenzug räumte er den Eltern mit notariellem Vertrag v. ein Wohnrechts für bestimmte Räume ein. Ferner verpflichtete er sich, seinen Eltern bzw. dem Längstlebenden die Kosten der gewöhnlichen Unterhaltung der für das Wohnrecht bestimmten Räume, die Kosten für Heizung, Strom, Telefon, Wasser, Abwasser und Müllabfuhr (Ziff. IV.2) sowie einen monatlichen Betrag in Höhe von 1.000 € als dauernde Last zu zahlen. Für den zu zahlenden Geldbetrag gilt § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO) nach seinem materiellen Gehalt. Bei Änderung der Verhältnisse im wesentlichen Umfang kann jeder Vertragsteil eine entsprechende Abänderung des Geldbetrages verlangen, wobei hierfür insbesondere die Leistungsfähigkeit des Erwerbers und die Bedürftigkeit der Eltern bzw. des Längstlebenden maßgeblich sind. Änderungen in der Bedürftigkeit der Eltern, die durch Wegzug aus ihrer Wohnung bedingt sind, bleiben außer Betracht (Ziff. IV.3). Eine Warte und Pflege durch den Erwerber für seine Eltern sollte nicht vereinbart werden (Ziff. IV.5).

In einer weiteren Vereinbarung zwischen dem Kläger und seinen Eltern wurde der in Ziff. IV.3 des Notarvertrags geregelte Ausschluss der Abänderungsmöglichkeit dahingehend bestimmt, dass nunmehr Änderungen in der Bedürftigkeit der Eltern oder des Längstlebenden, die durch Unterbringung im Alten- oder Pflegeheim bedingt sind, außer Betracht bleiben sollten.

Das FA berücksichtigte von den Zuwendungen des Klägers an seine Eltern nur einen Teilbetrag von 3.200 € pro Jahr als Sonderausgaben. Dabei wurden die von ihm übernommenen Nebenkosten (jährlich 800 € für Heizung, Strom usw.) vollständig, die monatlichen Zahlungen von 1.000 € hingegen nur als Leibrente mit einem Ertragsanteil von 20 % (insgesamt 2.400 €/Jahr) steuermindernd anerkannt.

Das FG der ersten Instanz () sowie der BFH urteilten dagegen, dass die wiederkehrenden Barleistungen als dauernde Last in vollem Umfang abziehbar sind:

  • Sind wiederkehrende Barleistungen in einem vor dem abgeschlossenen Vermögensübergabevertrag vereinbart worden, stellen sie dauernde Lasten dar, wenn sie abänderbar sind.

  • Eine Abänderbarkeit der Leistungen kann trotz eines teilweisen Ausschlusses der Übernahme des pflegebedingten Mehrbedarfs gegeben sein.

  • Es reicht aus, wenn sich der Vermögensübernehmer entweder zur persönlichen Pflege (mindestens im Umfang der bis 2016 geltenden Pflegestufe 1 bzw. des ab 2017 geltenden Pflegegrades 2) oder in entsprechendem Umfang zur Übernahme der Kosten für die häusliche Pflege oder der Kosten für die externe Pflege verpflichtet hat.

Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter im X. Senat des BFH:

Häufig wird im Rahmen von Vermögensübergaben gegen Versorgungsleistungen die Übernahme der Kosten für den pflegebedingten Mehrbedarf ausgeschlossen. Für den Fall von sog. Altverträgen, die vor dem abgeschlossen worden sind, hat der BFH nun dargelegt, dass ein Vollabzug der Versorgungsleistungen auch dann noch als dauernde Last gegeben ist, wenn die persönliche Pflege im Umfang der alten Pflegestufe 1 oder des neuen Pflegegrades 2 übernommen wird (Durchführungsweg 1). Hat der Übernehmer stattdessen die zusätzlichen Kosten für die häusliche Pflege in entsprechendem Mindestumfang (Durchführungsweg 2) oder die im Rahmen einer externen Pflege des Übergebers entstehenden Kosten in vergleichbarer Höhe (Durchführungsweg 3) zu zahlen, liegt ebenfalls eine dauernde Last und damit der Vollabzug aller vereinbarten und entrichteten Versorgungsleistungen vor.

Haben die Vertragsparteien dagegen im Versorgungsvertrag den vollständigen Ausschluss einer Anpassung der persönlichen oder finanziellen Versorgungsleistungen bei Pflegebedürftigkeit vereinbart, ist „nur“ eine Leibrente gegeben. Die Versorgungsleistungen gleich welcher Art sind in diesem Fall deshalb mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst a Doppelbuchst. bb EStG als Sonderausgaben zu berücksichtigen.

Soweit in sog. Altverträgen trotz des Verweises auf § 323 ZPO der Mehrbedarf für die (künftige) Pflege des Übergebers nicht mindestens in Höhe der drei dargelegten Durchführungswege vereinbart worden ist, kann der Versorgungsvertrag mit Wirkung für die Zukunft geändert werden.

Im vorliegenden Fall hielt der BFH die Würdigung des FG für vertretbar, dass trotz des Ausschlusses von „Warte und Pflege“ nur die persönlich durch den Übernehmer zu erbringende Pflegeleistungen ausgeschlossen worden seien. Die Mehrkosten habe er folglich zu tragen, so dass (noch) eine dauernde Last anzunehmen sei.

Offen ist weiterhin, wie der BFH den Ausschluss des Mehrbedarfs für die Pflege des Übergebers in Neuverträgen, die nach dem abgeschlossen worden sind, bewertet.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
QAAAH-97180