Zulassung als Syndikusrechtsanwalt: Tätigkeit im Bereich der Schadensregulierung eines Versicherungsmaklers
Gesetze: § 46 Abs 5 S 1 BRAO, § 46a Abs 1 S 1 Nr 3 BRAO
Instanzenzug: Az: AnwZ (Brfg) 62/19 Beschlussvorgehend Anwaltsgerichtshof München Az: BayAGH III - 4 - 15/18 Urteilnachgehend Az: AnwZ (Brfg) 62/19 Beschluss
Gründe
I.
1Die Beigeladene ist seit 2005 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Aufgrund Arbeitsvertrages vom ist sie seit dem bei der E. AG (im Folgenden: Arbeitgeberin), einer Industrieversicherungsmaklerin, tätig.
2Ausweislich ihrer Tätigkeitsbeschreibung beschäftigt sie sich zum einen mit dem Bereich der Schadensregulierung, wobei auf die Aufklärung des Sachverhalts und die Verhandlung mit dem Versicherer bei Verweigerung der Deckung 8% ihrer Gesamttätigkeit entfallen und auf die rechtliche Revision von Schadensfällen weitere 7%. Der verbleibende Teil ihrer Tätigkeit entfällt demnach auf Rechtsrat an den Innendienst zur Ausgestaltung der zu verwendenden Versicherungsklauseln, die Entwicklung und Umsetzung neuer Versicherungsbedingungen mit Versicherern bzw. deren Anpassung ("Renewals"), auf die rechtliche Gestaltung und Platzierung individueller Versicherungsvertragslösungen, auf Rechtsrat zur Deckungsschädlichkeit etwaiger Vertragsschlüsse und auf die risikospezifische Anpassung bestehender Versicherungsverträge. In der mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof hat die Beigeladene angegeben, es habe sich eine leichte Verschiebung dahin ergeben, dass der letztgenannte Bereich des sogenannten Maklerwordings nunmehr etwa 80% der Tätigkeit ausmache.
3Die Beklagte erteilte der Beigeladenen mit Bescheid vom die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin. Hiergegen hat sich die Klage der Klägerin gerichtet. Insbesondere hat sie angezweifelt, dass die Voraussetzung des § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO erfüllt sei.
4Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage mit Urteil vom abgewiesen. Die Beigeladene sei zu 80% ihrer Tätigkeit mit Maklerwording befasst. Der Rechtsrat zu konkreten Fallgestaltungen und zum Entwurf von Versicherungsbedingungen könne sich zwar unmittelbar auf die Verhältnisse der Kunden auswirken. Dies führe aber nicht dazu, dass die Beigeladene Kunden ihrer Arbeitgeberin berate. Weder träten diese an die Beigeladene noch die Beigeladene an diese heran. Es obliege insoweit der Entscheidung der Arbeitgeberin, inwieweit der Rechtsrat der Beigeladenen weitergegeben werde. Die Beigeladene werde daher in Rechtsangelegenheiten ihrer Arbeitgeberin (§ 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO) tätig.
5Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Klägerin. Darin verteidigt sie ihre Rechtsauffassung, dass die Berufung bereits wegen der Tätigkeit der Beigeladenen im Bereich der Schadensregulierung begründet sei; nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck von § 46 Abs. 5 BRAO sei jedwede Tätigkeit in Drittangelegenheiten syndikusschädlich.
6Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom den Bescheid der Beklagten vom aufzuheben.
7Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
8Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Insbesondere verweist die Beigeladene darauf, dass sie in Schadensfällen intern vom Vorstand einbezogen werde, um im Rahmen eines Rechtsgutachtens eine Einschätzung über die Erfolgsaussichten einer Deckungsklage abzugeben, damit der Vorstand darüber entscheiden könne, ob er etwa dem Versicherungsnehmer empfehle, einen Anwalt mit der Durchsetzung seiner Rechte zu beauftragen. Da die zu der Rechtsstellung von Haftpflichtversicherern im Haftpflichtprozess ergangene Rechtsprechung auf diejenige eines Versicherungsmaklers zu übertragen sei, handele es sich bei der vorbeschriebenen und ihrerseits ausgeübten Tätigkeit um die Mitwirkung an einer Rechtsangelegenheit ihres Arbeitgebers.
9Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf das angefochtene Urteil und auf die vom Anwaltsgerichtshof beigezogenen Akten und Unterlagen Bezug genommen.
II.
10Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 112e Satz 2 BRAO, § 130a Satz 1 VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Sachverhalt ist geklärt; Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Auslegung von § 46 Abs. 5 BRAO hat der Senat - nach Erlass der angefochtenen Entscheidung - in seinem Beschluss vom (AnwZ (Brfg) 58/18, NJW 2019, 3453) und dem Urteil vom (AnwZ (Brfg) 23/19, NJW 2020, 2966) ebenfalls bereits einer Klärung zugeführt. Die Verfahrensbeteiligten sind zu einer Entscheidung im Beschlusswege angehört worden; lediglich die Beigeladene hat einer solchen widersprochen. Auch sind sie zu der Absicht des Senats, über die Berufung durch einstimmigen Beschluss zu entscheiden, gehört worden.
III.
11Die statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 5 und Abs. 6 VwGO) Berufung hat Erfolg und führt zur Aufhebung der der Beigeladenen erteilten Zulassung als Syndikusrechtsanwältin, da die Zulassung rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
12Jedenfalls im Bereich der Schadensregulierung wird die Beigeladene in Angelegenheiten der Kunden ihrer Arbeitgeberin und nicht in Rechtsangelegenheiten ihrer Arbeitgeberin tätig; es fehlt somit - unabhängig von der Frage der rechtlichen Einordnung des Maklerwordings - an der Erfüllung der tatbestandlichen Anforderungen für eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin gemäß § 46 Abs. 5 Satz 1, § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BRAO.
131. In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass es sich bei § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO um ein echtes Tatbestandsmerkmal, nicht nur um eine Beschränkung des zulässigen Tätigkeitsfeldes nach erteilter Zulassung handelt (Senatsbeschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 58/18, aaO Rn. 24; vom - AnwZ (Brfg) 60/19, juris Rn. 11; Senatsurteil vom - AnwZ (Brfg) 71/18, juris Rn. 10; jeweils mwN).
142. Hinsichtlich der Schadensregulierung durch den Versicherungsmakler hat der Senat bereits mit Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 58/18 (aaO Rn. 22 ff.) entschieden, dass es sich um eine Kundenangelegenheit handelt. Hieran hält der Senat fest.
153. Ob die Beigeladene in Rechtsangelegenheiten ihrer Arbeitgeberin tätig wird oder in Angelegenheiten der Kunden ihrer Arbeitgeberin, bestimmt sich nach dem objektiven Inhalt der Tätigkeit der Beigeladenen, nicht nach ihrem Erscheinungsbild nach außen (vgl. AnwZ (Brfg) 1/18, juris Rn. 16 f.; vom - AnwZ (Brfg) 38/18, NJW 2019, 3644 Rn. 23 [zum Versagungsgrund nach § 7 Nr. 8, § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BRAO]). Daher ist nicht maßgeblich, ob die Beigeladene ihre Tätigkeit unmittelbar gegenüber Kunden erbringt oder ob sie ihre Arbeitsleistung ausschließlich gegenüber dem Arbeitgeber erbringt, der dann über eine Weitergabe des Inhalts der Arbeitsleistung an Kunden entscheidet.
16a) Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO, der die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts nicht nur hinsichtlich der "Vertretung" (also im Außenverhältnis des Arbeitgebers zu Dritten), sondern auch hinsichtlich der "Beratung" (also im Innenverhältnis zum Arbeitgeber) auf Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt.
17b) Die Gegenansicht würde in systematischer Hinsicht zu einem Wertungswiderspruch zu § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO ("Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten") führen, wenn man im Rahmen der Zulassungsentscheidung als anwaltliche Tätigkeit für den Arbeitgeber (§ 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO) eine Tätigkeit berücksichtigte, die - um den Anforderungen des § 46 Abs. 5 BRAO zu genügen - zwingend auf den Innenbereich beschränkt bleiben müsste.
18c) Auch der Schutzzweck des § 46 Abs. 5 BRAO spricht für die hiesige Sichtweise: Die Norm will verhindern, dass die Syndikustätigkeit - entgegen dem Bestreben des Gesetzgebers, den Syndikus auf die Beratung des Arbeitgebers zu beschränken - entgrenzt wird; genau dies geschähe aber, wenn die Zulassungsfähigkeit nur davon abhinge, ob der Syndikus selbst im Außenverhältnis auftritt oder ob ein Mitarbeiter (etwa ein Vertriebsmitarbeiter oder Kundenberater) zwischen ihn und den Kunden der Arbeitgeberin geschaltet wird. Über die Zwischenschaltung eigener Mitarbeiter würde mittelbar eine Beratung Dritter in deren Angelegenheiten durch angestellte Syndizi ermöglicht, ohne dass deren Arbeitgeber standesrechtlich gebunden wären; ebenso würde bezüglich der Dienstleistungen für Dritte das - zwar umstrittene, aber geltende - Fremdkapital- bzw. Fremdbesitzverbot aus § 59e Abs. 1 BRAO unterlaufen (Senatsbeschluss vom - AnwZ (Brfg) 58/18, aaO Rn. 30).
19d) Die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des § 46 Abs. 5 BRAO kann daher - entgegen der Ansicht des Anwaltsgerichtshofs - nicht deshalb bejaht werden, weil die Beigeladene keinen oder allenfalls geringfügigen Kundenkontakt hat.
204. Schließlich ist - entgegen der Auffassung der Beigeladenen - auch die Rechtsstellung des Versicherungsmaklers mit derjenigen des Haftpflichtversicherers schon deshalb nicht vergleichbar, weil ersterer an dem Versicherungsverhältnis nicht unmittelbar beteiligt ist, während der Versicherer in Fällen des § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG im Haftpflichtprozess direkt in Anspruch genommen werden kann (vgl. Bruck/Möller/Beckmann, VVG, 9. Aufl., § 115 Rn. 6 ff.; Prölss/Martin/Klimke, VVG, 31. Aufl., § 115 Rn. 1; MüKoVVG/Schneider, 2. Aufl., § 115 Rn. 1; jeweils mwN) oder außerhalb des Bereichs der Pflichtversicherung in einem notwendig gleichgerichteten Interesse mit dem Versicherungsnehmer handelt, und zwar allein zu dem Zweck, die Schadensregulierung zu seinen Lasten zu vermeiden (vgl. AnwZ (Brfg) 58/18, aaO Rn. 23; Urteil vom - AnwZ (Brfg) 24/19, juris Rn. 25 mwN).
215. Auf die von der Beigeladenen in ihrer Anhörung vor dem Anwaltsgerichtshof geschilderte Verschiebung ihres Tätigkeitsfeldes hinsichtlich des Anteils des Maklerwordings an ihrer Gesamttätigkeit kommt es nicht an. Dabei kann offenbleiben, ob die Beigeladene mit der als Maklerwording bezeichneten Tätigkeit Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers wahrgenommen hat. Jede rechtsberatende Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten eines Kunden des Arbeitgebers - hier im Bereich der Schadensregulierung - schließt unabhängig von deren Umfang grundsätzlich eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt aus (Senatsurteil vom - AnwZ (Brfg) 23/19, BGHZ 226, 170 Rn. 24). Dahinstehen kann daher auch, ob für die Zulassungsentscheidung auf die Sachlage bei Erteilung der Zulassung durch die Beklagte oder auf den Schluss der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz abzustellen ist (vgl. auch Senatsurteil vom - AnwZ (Brfg) 22/17, juris Rn. 3).
226. Die Schriftsätze der Beigeladenen vom 5. und haben vorgelegen. Die dort genannte Gesetzesfassung ist noch nicht in Kraft getreten.
IV.
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:130721BANWZ.BRFG.62.19.0
Fundstelle(n):
DStR-Aktuell 2021 S. 12 Nr. 41
QAAAH-97086