BGH Urteil v. - IX ZR 118/20

Schadensersatz: Geltendmachung des Anspruchs auf Naturalrestitution nach Ablauf der mit der Androhung der Ablehnung einer Herstellung gesetzten Frist

Leitsatz

Hat der Schadensersatzgläubiger dem Ersatzpflichtigen zur Herstellung eine angemessene Frist mit der Erklärung gesetzt, dass er die Herstellung nach Ablauf der Frist ablehne, und ist die Frist fruchtlos abgelaufen, kann der Herstellungsanspruch in der Regel nicht mehr geltend gemacht werden.

Gesetze: § 249 Abs 1 BGB, § 250 S 2 Halbs 2 BGB

Instanzenzug: Az: 15 U 2960/12 Raevorgehend Az: V ZR 299/14 Urteilvorgehend Az: 15 U 2960/12 Rae Urteilvorgehend LG Passau Az: 4 O 201/10

Tatbestand

1Die Parteien streiten noch um Schadensersatz wegen schuldhaft pflichtwidriger Führung eines Rechtsstreits über die Rückforderung eines Grundstücks.

2Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er beriet und vertrat - als Sozius der mit dem Drittwiderbeklagten zu 2 gegründeten Sozietät, der Drittwiderbeklagten zu 3 - die beklagten Eheleute in einer Auseinandersetzung mit ihrem Sohn (nachfolgend auch: Vollstreckungsschuldner), dem die Beklagten ihren landwirtschaftlichen Betrieb übergeben hatten. Die Beklagten waren nach dem Hofübergabevertrag berechtigt, den Grundbesitz zurückzufordern, wenn ihr Sohn diesen ohne ihre Zustimmung belastet. Nachdem es zu solchen Belastungen gekommen war, erhob der Kläger im Namen der Beklagten eine auf Verurteilung des Sohnes zur Zustimmung zur Eintragung der Beklagten als Eigentümer gerichtete Klage. Das stattgebende wurde durch Zurückweisung der Berufung mit rechtskräftig. Bereits am hatte eine Rechtsanwaltssozietät, die den Sohn der Beklagten vertreten hatte (nachfolgend: Streitverkündete), wegen Vergütungsansprüchen eine Zwangssicherungshypothek mit einem Nominalbetrag von 73.347,22 € an einem der übergebenen Grundstücke (fortan: Streitgrundstück) erwirkt.

3Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger die Beklagten auf Zahlung ausstehenden Rechtsanwaltshonorars in Anspruch genommen. Die Beklagten haben seinen Honoraranspruch in Abrede gestellt und Gegenansprüche teils im Wege der Aufrechnung, teils der Widerklage geltend gemacht. Über die Widerklage ist noch nicht rechtskräftig entschieden, soweit die Beklagten den Kläger und die Drittwiderbeklagten auf Schadensersatz wegen der Belastung des Streitgrundstücks mit der Zwangssicherungshypothek in Anspruch nehmen. Sie meinen, die Widerbeklagten hätten prozessbegleitend im Wege einer einstweiligen Verfügung die Eintragung einer Auflassungsvormerkung erwirken müssen, um damit die Belastung mit einer Zwangssicherungshypothek durch Gläubiger ihres Sohnes zu verhindern.

4Nachdem die Beklagten vom Kläger und den Drittwiderbeklagten zunächst Freistellung von der Zwangssicherungshypothek verlangt haben, haben sie nach fruchtloser Setzung einer Ausschlussfrist bis zum mit der Erklärung, die Freistellung danach abzulehnen und den zur Freistellung erforderlichen Geldbetrag zu fordern, im Wege der Widerklage schließlich Schadensersatz in Höhe von 83.124,16 € zuzüglich Zinsen geltend gemacht.

5Das Landgericht hat die Widerklage abgewiesen, die dagegen gerichtete Berufung war im ersten Berufungsrechtszug erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hatte gemeint, den Beklagten sei jedenfalls kein Schaden entstanden.

6Gegen das Urteil haben die Beklagten am Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt. Im November 2015 forderte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Streitverkündete unter Hinweis auf die Interventionswirkung des ersten Berufungsurteils auf, der Löschung der Zwangssicherungshypothek zuzustimmen. Die Streitverkündete kündigte an, dem unter der Voraussetzung der Rechtskraft des Urteils des Oberlandesgerichts nachzukommen und forderte die Beklagten zunächst zu einem Nachweis hierüber auf. In der Folge übersandte sie dem Beklagtenvertreter eine notarielle Löschungsbewilligung und erklärte hierzu, dies geschehe unter der Voraussetzung der Rechtskraft des ersten Berufungsurteils.

7Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das erste Berufungsurteil insbesondere insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht den mit der Widerklage geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen der Eintragung der Zwangssicherungshypothek aberkannt hatte (, WM 2018, 1753).

8Nach Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht hat dieses Beweis über den Fortbestand der mit der Zwangssicherungshypothek gesicherten Forderung erhoben. Dann hat es die Parteien auf eine mögliche Entscheidungsreife im Fall der Umstellung der Widerklage auf einen Freistellungsantrag hingewiesen. Daraufhin hat der Vertreter der Beklagten den Antrag geändert und die gesamtschuldnerische Verurteilung der Widerbeklagten zur Freistellung von der dinglichen Belastung der Zwangssicherungshypothek beantragt. Das Berufungsgericht hat die Widerbeklagten entsprechend verurteilt.

9Mit ihrer Revision, die vom Oberlandesgericht hinsichtlich des mit der Widerklage geltend gemachten Schadensersatzanspruchs zugelassen worden ist, erstreben der Kläger und die Drittwiderbeklagten zu 2 und 3 weiterhin die Zurückweisung der Berufung der Beklagten.

Gründe

10Die Revision ist im Umfang der beschränkten Zulassung begründet und führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

11Soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die Umstellung des Antrags der Widerklage sei jedenfalls sachdienlich. Den Beklagten stehe der Anspruch auf Freistellung gegen die Widerbeklagten wegen des Schadens in Gestalt der Zwangssicherungshypothek auch nach erfolgloser Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung zu. Die Vorschrift des § 250 BGB bezwecke lediglich, dem Geschädigten eine Möglichkeit zu geben, den Anspruch auf Naturalrestitution in einen Zahlungsanspruch zu überführen. Der Rückkehr zum ursprünglichen Herstellungsanspruch stehe § 250 Satz 2 BGB vorliegend jedenfalls mangels schutzwürdiger Interessen der Widerbeklagten, nicht zur Freistellung verurteilt zu werden, nicht entgegen. Es liege auch kein mitwirkendes Verschulden der Beklagten im Hinblick darauf vor, dass dem Beklagtenvertreter nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das erste Berufungsurteil unter der Voraussetzung der Rechtskraft des Urteils eine Löschungsbewilligung der Streitverkündeten übermittelt worden sei. Aus der Schadensminderungspflicht des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB lasse sich grundsätzlich keine Verpflichtung des Rechtsmittelführers ableiten, sein Rechtsmittel deshalb zurückzunehmen oder zu beschränken, weil eine andere Möglichkeit existiere, das mit diesem erstrebten Ziel zu erreichen. Eine solche Obliegenheit sei mit dem Recht der Partei auf Erhalt eines Urteils, das den begehrten Schadensersatz zuspreche, nicht zu vereinbaren.

II.

12Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

131. Allerdings steht, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, aufgrund der Bindungswirkung des Revisionsurteils des fest, dass die Widerbeklagten ihre anwaltlichen Pflichten gegenüber den Beklagten verletzt haben, indem sie ihnen nicht geraten haben, ihren Rückauflassungsanspruch durch eine im Wege der einstweiligen Verfügung zu erwirkende Vormerkung zu sichern. Fest steht nach dem Revisionsurteil weiterhin, dass der Annahme eines Schadens infolge der Belastung des Streitgrundstücks mit der Zwangshypothek weder das obsiegende Urteil im Rechtsstreit über die Berichtigung des Grundbuchs entgegensteht noch der Umstand, dass die Beklagten das Mandatsverhältnis zu den Widerbeklagten noch vor der Eintragung der Zwangshypothek für die Streitverkündete gekündigt und andere Rechtsanwälte mit ihrer Vertretung beauftragt haben.

142. Hingegen können die Beklagten den auf Befreiung von der Haftung aus der Zwangshypothek gerichteten Herstellungsanspruch des § 249 Abs. 1 BGB nicht mehr geltend machen. Sie sind zwar in prozessual wirksamer Weise von dem zuvor eingeklagten Geldersatzanspruch im Wege einer vom Berufungsgericht jedenfalls für sachdienlich erachteten Klageänderung (§ 533 ZPO), an die das Revisionsgericht gebunden ist (§ 268 ZPO), zum Freistellungsanspruch übergegangen. Der auf Befreiung von der Haftung aus der Zwangshypothek gerichtete Herstellungsanspruch des § 249 Abs. 1 BGB steht den Beklagten indes nicht mehr zu. Dieser Anspruch ist nach § 250 Satz 2 BGB in einen Geldersatzanspruch übergegangen, nachdem die Beklagten den Kläger und die Drittwiderbeklagten unter Setzung einer Frist erfolglos zur Herstellung - hier Haftungsfreistellung - aufgefordert und erklärt haben, nach Fristablauf die Freistellung abzulehnen und den zur Freistellung erforderlichen Geldbetrag zu fordern. Nach fruchtlosem Ablauf der mit Ablehnungsandrohung gesetzten Frist kann der Gläubiger nur noch Ersatz in Geld verlangen; der Anspruch auf die Herstellung ist nach § 250 Satz 2 Halbsatz 2 BGB ausgeschlossen. Dies entspricht dem allgemein geteilten Verständnis der Vorschrift (, WM 2011, 505 Rn. 22; MünchKomm-BGB/Oetker, 8. Aufl., § 250 Rn. 11; Staudinger/Schiemann, BGB, 2017, § 250 Rn. 9; BeckOK-BGB/Flume, 2021, § 250 Rn.10; Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 250 Rn. 3; NK-BGB/Magnus, 4. Aufl., § 250 BGB Rn. 8; Luckey in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 16. Aufl., § 250 Rn. 2; jurisPK-BGB/Rüßmann, 9. Aufl., § 250 Rn. 10).

15a) In dem Zweck des § 250 BGB findet das dementgegen vom Berufungsgericht befürwortete Recht des Gläubigers, von dem durch die Fristsetzung und Ablehnungsandrohung begründeten Zahlungsanspruch wieder zur Geltendmachung des auf Herstellung im Wege der Freistellung gerichteten Anspruchs zurückzugehen, keine Rechtfertigung. Die Vorschrift soll dem Gläubiger die Möglichkeit eröffnen, den Anspruch auf Naturalrestitution, sofern dieser nicht bereits nach § 249 Abs. 1 BGB auf eine Geldzahlung gerichtet ist (vgl. , WM 2013, 24 Rn. 16) oder § 249 Abs. 2 Satz 1, § 251 BGB dazu führen, in einen Geldersatzanspruch umzuwandeln (Erman/Ebert, BGB, 16. Aufl., § 250, Rn. 1). Eine Befugnis, von dem nach § 250 BGB begründeten Ersatzanspruch abzugehen, um erneut Herstellung nach § 249 Abs. 1 BGB zu verlangen, erfordert der Gesetzeszweck nicht.

16b) Eine solche Befugnis des Gläubigers bedeutete das Fehlen einer Bindung an den begründeten Ersatzanspruch und käme damit einem ius variandi gleich (vgl. Staudinger/Bittner/Kolbe, BGB, 2019, § 262 Rn. 8). Dies stünde im Widerspruch zu der für die Begründung des Geldersatzanspruchs nach § 250 BGB erforderlichen Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung. Letztere ist eine einseitige empfangsbedürftige, somit jedenfalls nach ihrem Zugang unwiderrufliche (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB; BeckOGK-BGB/Brand, 2021, § 250 Rn. 8; RGRK-BGB/Alff, 12. Aufl., § 250 Rn. 2; MünchKomm-BGB/Oetker, 8. Aufl., § 250 Rn. 9) Willenserklärung des Inhalts, dass die Herstellung nach Fristablauf endgültig ausgeschlossen sein solle und der Gläubiger auf einer Geldleistung bestehen werde. Hierüber darf die Ablehnungsandrohung keine Ungewissheit belassen. Für die Ablehnungsandrohung genügt es insbesondere nicht, dass der Gläubiger sich die Entscheidung über die spätere Annahme der Herstellung nur vorbehält (Staudinger/Schiemann, BGB, 2017, § 250 Rn. 6; BeckOK-BGB/Flume, 2021, § 250 Rn. 7). Erklärt der Gläubiger sich jedoch klar und eindeutig, wäre es widersprüchlich, könnte er dessen ungeachtet nach fruchtlosem Fristablauf nach seinem Belieben an der Naturalherstellung nach § 249 Abs. 1 BGB festhalten. Das Schicksal des Inhalts der Schadensersatzpflicht könnte eine Fristsetzung mit unverbindlicher Ablehnungsandrohung nicht in dem von der Norm vorausgesetzten Sinne klären. Auf die Rechtsunsicherheit, die mit einer Befugnis des Gläubigers verbunden wäre, den Herstellungsanspruch aufgrund einseitiger Erklärung wieder aufleben zu lassen, weist die Revision zu Recht hin. Aufgeworfen wäre auch die Frage, ob der Gläubiger hernach nicht abermals zum Geldersatz übergehen könnte. Das in der Konsequenz liegende Hin- und Herwechseln zwischen Herstellungs- und Geldersatzanspruch wäre mit dem Interesse des Schuldners, im Vertrauen auf die Erklärung nach § 250 BGB Dispositionen für eine Art der Schadensersatzleistung treffen zu können, unvereinbar.

17c) Dahinstehen kann, ob der Schuldner sich in Ausnahmefällen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf den Untergang des Herstellungsanspruchs berufen darf, was etwa dann in Betracht gezogen wird, wenn der Anspruch auf Geldersatz nicht durchsetzbar ist, während derjenige auf Herstellung realisierbar ist (so MünchKomm-BGB/Oetker, 8. Aufl., § 250 Rn. 11, aA Staudinger/Schiemann, BGB, 2017, § 250 Rn. 9). Für eine solche Fallgestaltung ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nichts ersichtlich. Im Streitfall kommt lediglich zum Tragen, dass nach der Umwandlung des auf Befreiung von fortbestehender Haftung aus der Zwangshypothek gerichteten Anspruchs in den Geldersatzanspruch nach § 250 BGB begrenzt durch den Wert des belasteten Grundstücks derjenige Geldbetrag verlangt werden kann, in dessen Höhe die Zwangshypothek noch valutiert (vgl. , ZIP 1992, 910, 912 mwN). Dass die Feststellung dieses Betrags eine Beweisaufnahme erforderlich macht, berührt die Durchsetzbarkeit des Ersatzanspruchs nicht.

III.

18Das Berufungsurteil ist deshalb im Umfang der Anfechtung aufzuheben. Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Revisionsgericht nicht möglich. Nach Zurückverweisung ist den Beklagten Gelegenheit zur Umstellung ihres auf den rechtlich unzutreffenden Hinweis des Berufungsgerichts geänderten Antrags zu geben (vgl. BAG, NJW 2003, 2771, 2773; Stein/Jonas/Kern, ZPO, 23. Aufl., § 139 Rn. 119; Wieczorek/Schütze/Smid, ZPO, 4. Aufl., § 139 Rn. 25). Dass die Beklagten zwischenzeitlich wieder Naturalherstellung verlangt haben, steht der Geltendmachung des Zahlungsanspruchs nicht entgegen. Auf die gesetzliche Folge der erfolglosen Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 250 BGB konnte dies keinen Einfluss haben. Für die Umstellung des Antrags bedarf es daher nicht der erneuten Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung.

19Für den Fall der Umstellung des Antrags weist der Senat auf Folgendes hin:

201. Entgegen der Revision ist der Zahlungsanspruch nicht aufgrund einer unterlassenen Schadensabwendung durch die Beklagten (§ 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB) unbegründet. Dass die Beklagten ihre Nichtzulassungsbeschwerde gegen das erste Berufungsurteil nach der Übersendung der Löschungsbewilligung aufrechterhalten haben, begründet kein Mitverschulden.

21a) Nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB ist ein Mitverschulden anzunehmen, wenn es der Geschädigte unterlassen hat, Maßnahmen zur Abwendung oder Minderung des Schadens zu ergreifen, die ein ordentlicher und verständiger Mensch ergreifen würde. Hierfür ist der Grundsatz von Treu und Glauben entscheidend. Dabei dürfen in anderen Vorschriften zum Ausdruck kommende Grundentscheidungen des Gesetzgebers nicht unterlaufen werden (, NJW 2020, 1795 Rn. 16; BeckOGK-BGB/Looschelders, 2021, § 254 Rn. 243; jeweils mwN).

22b) Danach waren die Beklagten nicht auf eine Teilrücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich des mit der Widerklage geltend gemachten Anspruchs zu verweisen.

23aa) Ohne die gegenüber der Streitverkündeten gemäß § 74 Abs. 3, § 68 ZPO in Betracht kommende Interventionswirkung des ersten Berufungsurteils hätte die erteilte Löschungsbewilligung schon nicht zur Befreiung von der Hypothekenhaftung geführt. Als solche stellte die Löschungsbewilligung (§ 19 GBO) nur die grundbuchrechtliche Voraussetzung einer Aufhebung der Zwangssicherungshypothek dar. Hatte die Streitverkündete die Zwangshypothek vor der Rückübertragung des Grundstücks an die Beklagten wirksam erworben, erforderte deren Aufhebung nach materiellem Recht auch die Erklärung der Streitverkündeten, das Recht aufzugeben (§ 875 Abs. 1 Satz 1 BGB). Zwar ist diese Erklärung bei verständiger Würdigung regelmäßig in der Löschungsbewilligung zu sehen (vgl. , MDR 2013, 718 Rn. 16). Anders liegt es hingegen, wenn der Bewilligende von der Nichtexistenz des Rechts ausgeht (Staudinger/Heinze, BGB, 2018, § 875 Rn. 29).

24Der Beklagtenvertreter hatte gegenüber der Streitverkündeten einen Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB) geltend gemacht und musste davon ausgehen, dass die Streitverkündete die Löschungsbewilligung, die sie ausdrücklich von der Rechtskraft des ersten Berufungsurteils abhängig machen wollte, in der Annahme erteilt hat, die Zwangshypothek nicht wirksam erworben zu haben, weil der Vollstreckungsschuldner lediglich Buch- und Scheineigentümer des Grundstücks gewesen sei. Tatsächlich kommt dem von den Beklagten gegen ihren Sohn erwirkten Urteil über den Grundbuchberichtigungsanspruch keine Feststellungswirkung hinsichtlich der Eigentümerstellung der Beklagten zu (, WM 2018, 1753 Rn. 19 ff). Indes hielt die Streitverkündete bei Erteilung der Löschungsbewilligung das erste Berufungsurteil, das eine solche Feststellungswirkung bejahte, für maßgeblich. Eine auf die Aufgabe eines wirksam erworbenen Rechts gerichtete Erklärung hielt sie nicht für erforderlich. Mangels einer solchen Erklärung hätte demnach eine auf der Grundlage der Bewilligung herbeigeführte Löschung nicht zur Aufhebung der Zwangssicherungshypothek, sondern zur Unrichtigkeit des Grundbuchs geführt.

25bb) Ein Mitverschulden im Sinne des § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB kann aber auch dann nicht angenommen werden, wenn die Interventionswirkung unterstellt wird und deshalb im Verhältnis zwischen den Beklagten und der Streitverkündeten die rechtliche Einschätzung im ersten Berufungsurteil maßgeblich gewesen wäre. Die Teilrücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde hätte für die Beklagten zum endgültigen Prozessverlust hinsichtlich des mit der Widerklage geltend gemachten Schadensersatzanspruchs und zu einer entsprechend nachteiligen Kostenentscheidung geführt. Einen etwaigen Ersatzanspruch gegen die Widerbeklagten unter dem Gesichtspunkt des Ersatzes von Aufwendungen für die Schadensminderung kann die Revision dagegen nicht anführen. Die Widerbeklagten haben ihre Schadensersatzverpflichtung in Abrede gestellt. Dass sie dessen ungeachtet im Fall der gegnerischen Rechtsmittelrücknahme bereit gewesen wären, den Widerklägern auferlegte Prozesskosten zu ersetzen, musste fernliegend erscheinen. Nichts Anderes galt für die klageweise Durchsetzung eines solchen Anspruchs. Erst in der Revisionsinstanz sind die Widerkläger mit der für einen Regressanspruch entscheidenden rechtlichen Beurteilung, dass die Belastung mit der Zwangshypothek - entgegen der Rechtsauffassung im ersten Berufungsurteil - einen Schaden darstellt, durchgedrungen. Ohne diese Beurteilung hatte eine etwaige Pflicht zum Ersatz von Schadensminderungsaufwendungen keine Grundlage.

262. Stellen die Beklagten nach Zurückverweisung der Sache ihren Antrag um, wird das Berufungsgericht die notwendigen Feststellungen zur Bestimmung der Höhe des auf Zahlung gerichteten Schadensersatzanspruchs zu treffen haben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:230921UIXZR118.20.0

Fundstelle(n):
BB 2021 S. 3009 Nr. 51
NJW 2021 S. 8 Nr. 52
WM 2023 S. 479 Nr. 10
AAAAH-96974