Örtlich zuständiges Oberlandesgericht für die Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs: Zwischenzeitliche Auflösung des Schiedsgerichts; Unterzeichnung des Schiedsspruchs durch nur einen Schiedsrichter; fehlende Ortsangabe im Schiedsspruch
Gesetze: § 1043 Abs 1 ZPO, § 1054 Abs 1 S 1 ZPO, § 1054 Abs 1 S 2 ZPO, § 1054 Abs 3 S 1 ZPO, § 1060 ZPO, § 1061 ZPO, § 1062 Abs 1 Nr 4 Alt 2 ZPO, § 1065 Abs 1 S 1 ZPO
Instanzenzug: Az: 10 Sch 2/20
Gründe
1I. Die Parteien führten am Schiedsort W. ein Schiedsverfahren über Ansprüche im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung einer Gesellschaft. Mit Endschiedsspruch vom verurteilte das Schiedsgericht den Antragsgegner zur Zahlung von 75.411,52 € nebst Zinsen sowie zur Abgabe von Willenserklärungen und zur Vornahme von Mitwirkungshandlungen mit Blick auf den Jahresabschluss 2004 sowie die Vollbeendigung der Gesellschaft. Der Schiedsspruch ist von allen drei Schiedsrichtern unterzeichnet. Unter den Unterschriften findet sich der handschriftliche Zusatz "W. " und darunter eine weitere Unterschrift des Obmanns des Schiedsgerichts.
2Dem Antrag des Antragstellers auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs hat das stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, deren Zurückweisung der Antragsteller beantragt.
3II. Das Oberlandesgericht hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren relevant - ausgeführt, es sei örtlich zuständig, weil W. als der Ort, an dem das schiedsrichterliche Verfahren unstreitig durchgeführt worden sei, in seinem Gerichtsbezirk liege. Es komme nicht darauf an, ob das Schiedsgericht dort gegenwärtig noch fortbestehe. Der Antrag sei begründet, weil der Schiedsspruch den zwingenden formalen Wirksamkeitserfordernissen genüge; er trage insbesondere die Unterschriften der Schiedsrichter. Dass der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens nur von der Unterschrift des Obmanns, nicht aber von den Unterschriften der Beisitzer gedeckt sei, führe nicht zur Unwirksamkeit des Schiedsspruchs, zumal der Antragsgegner nicht bestritten habe, dass W. dieser Ort gewesen sei.
4III. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO) und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache auch sonst zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1, § 575 ZPO); sie ist aber unbegründet.
51. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, das Oberlandesgericht habe seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht angenommen. Nach § 576 Abs. 2 ZPO kann die Rechtsbeschwerde nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Hierzu rechnet auch die örtliche Zuständigkeit (vgl. , NJW 2009, 1974 Rn. 3 f.).
6Unabhängig davon hat das Oberlandesgericht die Vorschrift des § 1062 Abs. 1 ZPO zutreffend angewandt. Zuständig ist danach das Oberlandesgericht, das in der Schiedsvereinbarung bezeichnet ist oder, wenn eine solche Bezeichnung fehlt, in dessen Bezirk der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kann aus dem Präsens des Verbs "liegt" nicht hergeleitet werden, dass die Zuständigkeit nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO entfällt, wenn das schiedsrichterliche Verfahren beendet ist und das Schiedsgericht sich aufgelöst hat. Das Verb "liegt" bezieht sich auf den Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens, dessen Lage sich durch den Abschluss dieses Verfahrens nicht ändert. Darüber hinaus liefe die Zuständigkeitsregelung für die in § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO genannten Verfahren der Aufhebung, Vollstreckbarerklärung und Aufhebung der Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs nach dem von der Rechtsbeschwerde befürworteten Verständnis weitgehend leer, weil diese typischerweise nach dem Ende des Schiedsverfahrens anhängig gemacht werden. Des von der Rechtsbeschwerde befürworteten Rückgriffs auf die Zuständigkeitsregelung des § 1062 Abs. 2 ZPO bedarf es danach nicht.
72. Mit Recht hat das Oberlandesgericht den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt.
8a) Vergeblich macht die Rechtsbeschwerde geltend, dass kein nach § 1054 ZPO wirksamer Schiedsspruch vorliege, weil die Ortsangabe im Schiedsspruch nicht von der Unterschrift aller Mitglieder des Schiedsgerichts gedeckt sei.
9aa) Nach § 1054 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist der Schiedsspruch schriftlich zu erlassen und durch den oder die Schiedsrichter zu unterschreiben. In schiedsrichterlichen Verfahren mit mehr als einem Schiedsrichter genügen gemäß § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Unterschriften der Mehrheit aller Mitglieder des Schiedsgerichts, sofern der Grund für eine fehlende Unterschrift angegeben wird. Nach § 1054 Abs. 3 Satz 1 ZPO sind im Schiedsspruch der Tag, an dem er erlassen wurde, und der nach § 1043 Abs. 1 ZPO bestimmte Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens anzugeben. Der Schiedsspruch gilt gemäß § 1054 Abs. 3 Satz 2 ZPO als an diesem Tag und diesem Ort erlassen. Der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens wird nach § 1043 Abs. 1 ZPO durch Vereinbarung der Parteien, bei Fehlen einer solchen vom Schiedsgericht unter Berücksichtigung der Umstände des Falls einschließlich der Eignung des Orts für die Parteien bestimmt.
10bb) Der Umstand, dass die gemäß § 1054 Abs. 3 Satz 1 ZPO erforderliche Ortsangabe nicht von einer nach § 1054 Abs. 1 ZPO ausreichenden Anzahl von Unterschriften der Schiedsrichter gedeckt ist, führt jedenfalls dann nicht zur Unwirksamkeit des Schiedsspruchs, wenn sich der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Verfahren vor den staatlichen Gerichten feststellen lässt.
11(1) Nach der überwiegenden Auffassung der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur führt das Fehlen der Ortsangabe im Schiedsspruch nicht zu dessen Unwirksamkeit (OLG Frankfurt, Beschluss vom - 26 Sch 11/16, juris Rn. 6; Zöller/Geimer, ZPO, 33. Aufl., § 1054 Rn. 10; Voit in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., § 1054 Rn. 7; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl., § 1054 Rn. 8, anders allerdings möglicherweise Rn. 10; Anders in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, ZPO, 79. Aufl., § 1054 Rn. 4; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl., Rn. 1766 f. mwN) oder jedenfalls dann nicht, wenn der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens aus den Umständen festgestellt werden kann (vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 2003, 1438, 1439 [juris Rn. 16]; , BeckRS 2011, 7475 [unter II]; Beschluss vom - 34 Sch 23/09, BeckRS 2011, 7472 [unter II]; OLG München, SchiedsVZ 2011, 167, 168 [juris Rn. 16]; NJOZ 2011, 413, 415 [juris Rn. 137]; SchiedsVZ 2013, 231, 233 [juris Rn. 83]; , BeckRS 2014, 11228 [juris Rn. 1]; , BeckRS 2016, 20091 Rn. 9; BeckOK.ZPO/Wilkse/Markert, 39. Edition [Stand ], § 1054 Rn. 17; Saenger/Saenger, ZPO, 8. Aufl., § 1054 Rn. 6). Lediglich einzelne Literaturstimmen sehen in der Ortsangabe eine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung (MünchKomm.ZPO/Münch, 5. Aufl., § 1054 Rn. 35 f.; etwas weniger streng ders., SchiedsVZ 2013, 235: die Zweifel müssten aus dem Schiedsspruch heraus aufgelöst werden können) oder halten den Schiedsspruch zumindest bis zu einer Nachholung der Ortsangabe für unwirksam (Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 1054 Rn. 24; wohl auch Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 20 Rn. 3 und 13).
12Die von der Rechtsbeschwerde angeführten Gründe für die zwingende Unwirksamkeit eines Schiedsspruchs ohne eine den Voraussetzungen des § 1054 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 ZPO genügende Ortsangabe überzeugen nicht. Nach dem Wortlaut des § 1054 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist die Ortsangabe zwar vorgeschrieben ("sind ... anzugeben"), die Vorschrift regelt aber ihre Rechtsfolgen nicht. Aus dem Umstand, dass der Mangel entsprechend § 1058 ZPO in einem Verfahren auf Berichtigung, Auslegung und Ergänzung des Schiedsspruchs (so wohl MünchKomm.ZPO/Münch aaO § 1054 Rn. 34) oder auch außerhalb dieses Verfahrens (so Schlosser in Stein/Jonas aaO § 1054 Rn. 24) behoben werden könnte, lässt sich kein Argument für die Unwirksamkeit herleiten. Auch die von der Rechtsbeschwerde grundsätzlich zu Recht hervorgehobene Bedeutung der Ortsangabe für die örtliche Zuständigkeit des staatlichen Gerichts (§ 1062 ZPO), das anzuwendende Verfahrensrecht und die Qualifikation als inländischer (§ 1060 ZPO) oder ausländischer (§ 1061 ZPO) Schiedsspruch (vgl. hierzu OLG München, SchiedsVZ 2008, 307 [juris Rn. 7]; SchiedsVZ 2010, 336 [juris Rn. 11]; MünchKomm.ZPO/Münch aaO § 1054 Rn. 34; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis aaO Rn. 1762) zwingt zu dieser Rechtsfolge jedenfalls dann nicht, wenn sich der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im staatlichen Verfahren auf Vollstreckbarerklärung oder Aufhebung des Schiedsspruchs feststellen lässt. Es liefe auf eine sinnlose Förmelei hinaus, die Parteien des Schiedsverfahrens auf ein - im Falle der entsprechenden Anwendung von § 1058 ZPO sogar fristgebundenes - Nachholverfahren oder von vornherein auf ein neues Schiedsverfahren zu verweisen, wenn sich der Mangel der Ortsangabe auf das Verfahren vor den staatlichen Gerichten im Ergebnis nicht auswirkt.
13(2) Danach liegt im Streitfall ein wirksamer Schiedsspruch vor. Zwar ist die Ortsangabe "W. " - anders als das bereits im Rubrum des Schiedsspruchs und nicht nur vor der Ortsangabe enthaltene Erlassdatum - nur von der Unterschrift eines Schiedsrichters gedeckt (zum Erfordernis, die Unterschrift unter den Text zu setzen, vgl. MünchKomm.ZPO/Münch aaO § 1054 Rn. 10). Dieser Mangel führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Schiedsspruchs. Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts ist es im Vollstreckbarerklärungsverfahren unstreitig geblieben, dass W. der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens war.
14(3) Ob es zur Unwirksamkeit des Schiedsspruchs führt, wenn sich der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Verfahren vor den staatlichen Gerichten nicht feststellen lässt, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Ebenso kann offenbleiben, ob in solchen Fällen das Verfahren nach § 1058 ZPO zur Anwendung gelangen kann oder eine anderweitige Nachholung der Ortsangabe möglich ist.
15b) Ohne Rechtsfehler hat das Oberlandesgericht ferner angenommen, dass die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht wegen des Vorliegens eines Aufhebungsgrunds abzulehnen war (§ 1060 Abs. 2 Satz 1, § 1059 Abs. 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Rügen.
16III. Danach ist die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:250221BIZB37.20.0
Fundstelle(n):
SAAAH-96472