Umsatzsteuer | Sonstige Leistung für Speisen in sog. Food-Courts (BFH)
Die Nutzung eines Food-Courts in einem Einkaufszentrum kann beim Verzehr von Speisen als überwiegendes Dienstleistungselement zum Vorliegen einer sonstigen Leistung führen, wenn die Einräumung dieser Nutzungsmöglichkeit aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers dem Speisenanbieter zuzurechnen ist (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Lieferungen eines Unternehmers sind gemäß § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Sonstige Leistungen sind nach § 3 Abs. 9 UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind.
Sachverhalt: Die Klägerin unterhält eine Kette von Fast-Food-Restaurants. Sie eröffnete in einem Einkaufszentrum eine neue Filiale. Dort verkaufte sie vorgefertigte Speisen in Einwegverpackungen. Die Abgabe an die Kunden erfolgte an einer Verkaufstheke. Ein eigener Sitz- und Verzehrbereich war nicht vorhanden. Die Filiale befand sich in einem Bereich des Einkaufszentrums, in dessen Mitte ein Sitz- und Verzehrbereich vorhanden war, der von den Mietern und den Kunden des Zentrums gemeinsam genutzt werden durfte (sog. Food-Courts). Rund um diesen Sitz- und Verzehrbereich befanden sich insgesamt 15 Gastronomiebetriebe, u.a. die Filiale der Klägerin. Die Kosten für diesen Gemeinschaftsbereich wurden von den Mietern des Zentrums getragen.
Das beklagte FA ordnete die Verkäufe der Klägerin als dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistungen ein. Die Klägerin habe ihren Kunden durch die Zurverfügungstellung von Sitzgelegenheiten in dem Gemeinschaftsbereich einen Verzehr der Speisen an Ort und Stelle ermöglicht.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Einordnung ihrer Leistungen als Lieferung und damit die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes. Sie machte geltend, dass sie die Speisen zum Mitnehmen verkauft habe. Die im Einkaufszentrum bereitgestellten Tische könnten von allen Kunden des Einkaufszentrums genutzt werden, unabhängig davon, ob sie im Zentrum erworbene Speisen zu sich nehmen.
Der BFH führte u.a. aus:
Entscheidet sich der Endkunde dafür, die materiellen und personellen Mittel, die ihm vom Steuerpflichtigen neben dem Verzehr der bereitgestellten Speisen angeboten werden, nicht in Anspruch zu nehmen, so ist davon auszugehen, dass keine unterstützende Dienstleistung mit der Abgabe dieser Speisen einhergeht ( „Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach“).
Auf die Möglichkeit, den Food-Court zwischen den dort speisenden Personen auch als Warte- oder Treffpunkt zu nutzen, kommt es nicht an. Letzteres ist im Hinblick auf die primär bestimmungsgemäße Nutzung des Food-Courts als Bereich zum Speisenverzehr im Gegensatz zum Foyer eines Kinos (; Rz 26) oder zum Eingangsbereich eines Krankenhauses ohne Abtrennung durch Trennwände (; Rz 21 f.) unbeachtlich.
Ausreichend ist, dass der Durchschnittsverbraucher aufgrund anderer Umstände davon ausgehen kann, dass er als Kunde der Klägerin zur Nutzung des Food-Courts berechtigt ist. Hierfür genügt die Ausgabe der Speisen mit einem Tablett, da dieses typischerweise dazu dient, es dem Kunden zu ermöglichen, die von ihm erworbenen Speisen zu einem Verzehrort in der Nähe (hier dem Food-Court) zu bringen und diese dort an einem Tisch mit Sitzmöglichkeit zu verzehren.
Die Abgrenzung zwischen der unter den weiteren Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. mit der Anlage 2 zum UStG steuersatzbegünstigten Lieferung (§ 3 Abs. 1 UStG) und der – gem. § 12 Abs. 1 UStG dem Regelsteuersatz unterliegenden sonstigen Leistung (§ 3 Abs. 9 UStG) ist eine unendliche Geschichte. Die Älteren kennen noch die Geschichte vom Betriebsprüfer, der bei der Imbissbude mit dem Zollstock die Breite des jeweiligen Ablagebrettes ermittelte. Über diesen Punkt sind wir durch unionsrechtliche Regelungen und eine Vielzahl an Urteilen des EuGH und des BFH mittlerweile hinaus. Aber die Problematik als solche besteht nach wie vor, vorliegend sogar in der besonders modernen Gestalt eines sog. „Food Courts“. Dahinter verbirgt sich ein möblierter Sitz- und Verzehrbereich in einem Einkaufszentrum, einer „Mall“, um bei Anglizismen zu bleiben, der von den Kunden des Zentrums und dessen gewerblichen Mietern gemeinschaftlich genutzt wird.
Der EuGH hat hierzu erst kürzlich entschieden (), dass die Abgabe von Speisen unter den Begriff "Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen" fällt, wenn sie mit ausreichenden unterstützenden Dienstleistungen einhergeht, die deren sofortigen Verzehr durch den Endkunden ermöglichen sollen. Der BFH hat dies in der Besprechungsentscheidung dahingehend präzisiert, dass die Nutzung eines Food-Courts in einem Einkaufszentrum beim Verzehr von Speisen als überwiegendes Dienstleistungselement zum Vorliegen einer sonstigen Leistung führen kann, wenn die Einräumung dieser Nutzungsmöglichkeit dem Speisenanbieter zuzurechnen ist. Maßgebend hierfür ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers.
Auch ein Food-Court, der von den Kunden mehrerer Unternehmer genutzt wird, die an diese Speisen gegen Entgelt abgeben, kann, auch wenn es sich um die Einrichtung eines Zentrumsbetreibers handelt, aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers diesen Unternehmern zuzurechnen sein. Hierfür kommt es nicht entscheidend darauf an, dass einzelne Bereiche des Food-Courts für die Allgemeinheit erkennbar nur für die Nutzung durch die Kunden des jeweiligen Unternehmers vorgesehen sind. Ausreichend und entscheidend ist vielmehr, dass der Durchschnittsverbraucher aufgrund der ihm bekannten Umstände davon ausgehen kann, dass er als Kunde des jeweiligen Unternehmens zur Nutzung des Food-Courts berechtigt ist.
Quelle: ; NWB Datenbank (JT)
Fundstelle(n):
NWB LAAAH-95994