Besteuerung einer Sportwettenbörse nach der Rechtslage 2012
Leitsatz
1. NV: „Veranstalter“ i.S. des § 19 Abs. 2 RennwLottG a.F. ist, wer die planmäßige Ausführung des gesamten Unternehmens selbst oder durch andere ins Werk setzt und dabei das Spiel- und Wettgeschehen maßgeblich gestaltet.
2. NV: Die Vorschrift des § 17 Abs. 2 RennwLottG a.F. verstößt weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Europarecht.
3. NV: Der Betrieb einer Wettbörse führt nicht zu einem Erlass der Sportwettensteuer wegen Unbilligkeit.
Gesetze: RennwLottG § 17 Abs. 2; RennwLottG § 19 Abs. 2; AO § 227; GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 12 Abs. 1; GG Art. 20 Abs. 3;
Instanzenzug: , ,
Tatbestand
I.
1 Streitig ist die Vereinbarkeit der Sportwettensteuer nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) mit Verfassungs- und Europarecht.
2 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ein Unternehmen der Z-Gruppe, ist eine Kapitalgesellschaft [ausländischen] Rechts mit Sitz in A (Mitgliedstaat der Europäischen Union --EU--).
3 Die Z-Gruppe betrieb eine Wettbörse. Im Zeitraum vom . bis zum . wurde die Klägerin mit ihrer Wettbörse auch gegenüber in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässigen Nutzern tätig.
4 Zur Inanspruchnahme der Dienste der Klägerin musste jeder in Deutschland ansässige Nutzer bei der Klägerin vorab ein Konto eröffnen. Mit der Eröffnung des Kontos erkannten die Nutzer die allgemeinen und kontobezogenen Geschäftsbedingungen der Klägerin an. Die eingezahlten Gelder wurden von einem konzernangehörigen Treuhänder verwaltet. Der Nutzer konnte die einzelnen Wettdienste nur in Anspruch nehmen, wenn für ihn bei dem Treuhänder ein für Wetten verfügbares Guthaben bestand. Das verfügbare Guthaben sowie ein Risikolimit bestimmten den Maximaleinsatz.
5 Den in Deutschland registrierten Nutzern bot die Klägerin eine Wettbörse an, an der diese auf den Märkten, die auf der Webseite verfügbar waren, wetten konnten. Die Klägerin trat dabei nicht als Wettgegner auf. Die Klägerin trug weder ein Wettrisiko noch stand ihr der Wetteinsatz zu. Die Nutzer handelten die Wettquoten ohne Einfluss der Klägerin aus, indem sie auf der im Internet betriebenen Wettbörsenplattform angaben, welchen Betrag sie zu welcher Quote auf den Eintritt oder Nichteintritt eines Ereignisses wetten wollten. Eine Wette kam zustande, wenn eine oder mehrere Wetten zu einer entsprechenden Quote gegenüberstanden, soweit sich die Summe der gegenüberstehenden Einsätze deckte. Nachdem das Ergebnis des jeweiligen Marktes feststand, berechnete die Klägerin die Gewinne und Verluste der einzelnen Nutzer und wies den Treuhänder an, die entsprechenden Buchungen auf den Konten der Nutzer vorzunehmen.
6 Die Klägerin erzielte ihre Erträge unabhängig von den Wetteinsätzen der Nutzer und den ausgehandelten Quoten, indem sie auf die Nettogewinne der Kunden (Wettgewinn abzüglich des ursprünglichen Wetteinsatzes) Provisionen in Höhe von . % bis . % erhob. Bei Nettoverlusten fiel keine Provision an. Die Provision wurde in der Weise berechnet, dass der Nettogewinn mit einem Marktbasiszinssatz multipliziert wurde. Auf den Marktbasiszinssatz konnten Kunden, die eine besonders hohe Wettaktivität entfalteten, einen Rabatt erhalten. Bei Kunden, die zur Absicherung ihres Wettrisikos gegenläufige Wetten abschlossen, wurden die jeweiligen Gewinne und Verluste vor der Provisionsermittlung saldiert. Die Klägerin erzielte einen Großteil ihrer Provisionseinnahmen von nur wenigen Nutzern.
7 Ab . 2012 reichte die Klägerin monatlich Steueranmeldungen zur Sportwettensteuer ein. In diesen Anmeldungen bezifferte sie jeweils das Gesamtvolumen der Wetteinsätze und die tatsächlich vereinnahmten Kundenprovisionen der deutschen Wettkunden. Die Summe aus beiden Beträgen stellt den inländischen Umsatz der Klägerin dar. Die Steuer gemäß § 17 Abs. 2 RennwLottG gab sie mit 0 € an. Dazu erläuterte sie, nicht Veranstalter von Sportwetten i.S. des § 17 Abs. 2, § 19 Abs. 2 RennwLottG zu sein. Die Sportwettensteuer finde auf ihre Tätigkeit —das Bereitstellen einer Wettbörse im Internet— keine Anwendung.
8 Mit Bescheiden vom setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Sportwettensteuer auf der Grundlage einer Steuer von 5 % auf den Spieleinsatz fest. Die für die Monate .bis . festgesetzte Sportwettensteuer belief sich auf insgesamt . €, davon entfielen auf den Monat . 2012 eine Sportwettensteuer in Höhe von . €. Der von der Klägerin gegen die Festsetzung für den Monat . 2012 eingelegte Einspruch blieb mit Einspruchsentscheidung vom ohne Erfolg.
9 Bereits am beantragte die Klägerin den Erlass der für den Zeitraum vom…2012 bis . 2012 festgesetzten Sportwettensteuer in Höhe von . €. Das FA lehnte den Erlass mit Bescheid vom ab. Der dagegen einlegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom zurückgewiesen.
10 Die gegen beide Einspruchsentscheidungen beim Hessischen Finanzgericht (FG) erhobene Klage wurde mit Urteil vom - 5 K 1837/15 abgewiesen.
11 Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht und von Unionsrecht. Sie trägt im Wesentlichen vor, die Vorentscheidung verletze § 19 RennwLottG, da sie dessen Veranstalterbegriff verkenne und rechtsirrig annehme, dieser erfordere es nicht, dass der Veranstalter die Wettquoten steuern und die Einsätze vereinnahmen könne. Zudem halte es das FG rechtsfehlerhaft für vertretbar, bei einer Online-Wettbörse die Sportwettensteuer auf Basis der Wetteinsätze der Spieler zu bemessen, obwohl der Wettbörsenbetreiber an der Wette nicht beteiligt sei und die Einsätze nicht vereinnahme, sondern nur Wetten vermittle, also eine Dienstleistung gegen Provision erbringe. Bemessungsgrundlage für die Sportwettensteuer könne allenfalls die von ihr vereinnahmte Provision sein. In verfassungsrechtlicher Hinsicht verletze das Urteil des FG die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—), da wegen der erdrosselnden Wirkung der Sportwettensteuer ein Eingriff in die Berufsfreiheit gegeben sei. Dieser sei auch mit dem Ziel des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV 2012) vom , das Glücksspiel in legale Bahnen zu lenken, nicht vereinbar. Darüber hinaus sei der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nicht gerechtfertigt, da mit der Festsetzung der Sportwettensteuer auf Basis des Bruttorohertrags bei der Klägerin ein gleich geeignetes milderes Mittel vorhanden sei. Die Vorinstanz verletze zudem den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Im Fall der Festsetzung der Sportwettensteuer auf Basis des Wetteinsatzes werde der Betreiber einer Online-Wettbörse mit dem Buchmacher/Totalisator oder Offline-Anbieter gleichbehandelt, obwohl er wesentlich weniger leistungsfähig sei. Diese Ungleichbehandlung lasse sich nicht mit glücksspielspezifischen Gefahren rechtfertigen. In unionsrechtlicher Hinsicht verkenne das FG einen ungerechtfertigten Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit. Es verkenne das primäre ordnungsrechtliche Ziel, das Glücksspielrecht in einen legalen Markt zu kanalisieren. Dies stehe in Widerspruch zu dem durch die erdrosselnde Wirkung der Sportwettensteuer erfolgten Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit. Zudem gehe das FG rechtsirrig davon aus, dass Deutschland die Regelungen zur Sportwettensteuer nach der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— L 204 vom , S. 37), geändert durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom (ABlEG L 217 vom , S. 18) und die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom (Amtsblatt der Europäischen Union L 363 vom , S. 81) —nachfolgend EGRL 98/34— notifiziert und auch im Übrigen den Anforderungen der Richtlinie genügt habe. Selbst wenn man diesen Argumenten nicht folge, seien diese jedoch im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung nach den §§ 163, 227 der Abgabenordnung (AO) zu berücksichtigen und führten zu einem Erlass der Sportwettensteuer. Das FG gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass das FA Ermessen bei der Frage des Erlasses gehabt habe. Dies sei in Anbetracht der deutlichen Unbilligkeit nicht der Fall.
12 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen , den Steuerbescheid vom über die Festsetzung der Sportwettensteuer für . 2012 und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben, hilfsweise das Urteil des Hessischen , den Bescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Sportwettensteuer für den Zeitraum . bis . 2012 in vollem Umfang zu erlassen.
13 Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Gründe
II.
14 Die Revision ist nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
15 Das FG hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin Veranstalter i.S. der § 17 Abs. 2, § 19 Abs. 2 RennwLottG ist (dazu unter 1.). Die Festsetzung der Sportwettensteuer der Höhe nach lässt keinen Rechtsfehler erkennen (dazu unter 2.). Der Senat kommt nicht zu der für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 GG erforderlichen Überzeugung, dass das RennwLottG wegen Verstoßes gegen die Gesetzgebungskompetenz des Bundes formell verfassungswidrig (dazu unter 3.) oder wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG (dazu unter 4.) oder Art. 3 Abs. 1 GG (dazu unter 5.) materiell verfassungswidrig ist. Es liegen keine Anhaltspunkte für ein strukturelles Vollzugsdefizit vor, das der Erhebung der Steuer entgegenstünde (dazu unter 6.). Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz sind nicht zu erkennen (dazu unter 7.). Die von der Klägerin gerügten Verstöße gegen das Recht der EU liegen nicht vor. Es wird weder gegen die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs (Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union —AEUV—) verstoßen (dazu unter 8.) noch gegen die Notifizierungspflicht nach der EGRL 98/34 (dazu unter 9.). Die Ausführungen des FG zur Ablehnung des Erlasses aus Billigkeitsgründen lassen keine Rechtsfehler erkennen (dazu unter 10.).
16 1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin Veranstalter i.S. der § 17 Abs. 2, § 19 Abs. 2 RennwLottG ist.
17 a) Schuldner der Sportwettensteuer ist nach § 19 Abs. 2 RennwLottG der „Veranstalter“. Veranstalter ist, wer die planmäßige Ausführung des gesamten Unternehmens selbst oder durch andere ins Werk setzt und dabei das Spiel- und Wettgeschehen maßgeblich gestaltet (BTDrucks 17/8494, S. 8; vgl. auch die ab neu geltende Fassung des § 19 Satz 2 RennwLottG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes und der Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und Lotteriegesetz, BGBl I 2021, 2065). Veranstalter kann jede natürliche oder juristische Person, aber auch jede nichtrechtsfähige Personenvereinigung sein, für deren Rechnung den Teilnehmern Gelegenheit zur Beteiligung an der Sportwette gegeben wird (vgl. BTDrucks 19/28400, S. 54).
18 Veranstalter ist derjenige, der —soweit vorhanden— Inhaber der entsprechenden öffentlich-rechtlichen Genehmigung zur Veranstaltung ist, als solcher durch die ihm erteilte Genehmigung die Abhaltung der Glücksspiele ermöglicht bzw. die Genehmigung hätte einholen müssen und das Spiel- oder Wettgeschehen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht maßgeblich gestaltet. Kennzeichnend für die Veranstaltereigenschaft ist das Gestaltungsrecht für die vertragsrechtliche Ordnung des Spielgeschehens einschließlich der Möglichkeit, die regelungsbedürftigen Fragen im Verhältnis zu den teilnehmenden Spielern, z.B. durch vorformulierte Vertragsbedingungen (allgemeine Geschäftsbedingungen), zu ordnen. Die Begriffsbestimmung des „Veranstalters“ dient vor allem der Abgrenzung zu Personen, die lediglich als Helfer tätig sind. Nicht entscheidend ist, ob das Geschäft auf eigene oder fremde Rechnung getätigt wird. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Veranstaltereigenschaft nach außen hervortritt (vgl. , BFHE 221, 256, BStBl II 2009, 735, unter II.1.b aa, sowie , BFH/NV 2005, 1379, unter II.2.a; BTDrucks 19/28400, S. 54).
19 b) Daran gemessen tragen die nicht mit Verfahrensrügen angefochtenen und daher den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) des FG dessen Annahme, wonach die Klägerin das Wettgeschehen sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht maßgeblich gestaltet hat und damit als Veranstalter anzusehen ist.
20 aa) Das FG hat die maßgebliche Gestaltung in tatsächlicher Hinsicht darin gesehen, dass die Klägerin die zur praktischen Durchführung des Wettgeschehens erforderliche Internetplattform zur Verfügung gestellt und auch einseitig bestimmt hat, auf welche Ereignisse gewettet werden konnte. Die Klägerin hat damit ein Wettgeschehen überhaupt erst möglich gemacht. Ohne die Tätigkeit der Klägerin wären keine Sportwetten zustande gekommen. Die Möglichkeit des Spielers, durch sein Angebot die Wettquote zu beeinflussen, war demgegenüber von untergeordneter Bedeutung.
21 bb) Darüber hinaus ist das FG rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin das Wettgeschehen auch in rechtlicher Hinsicht maßgeblich geprägt hat. So hat sie die Einsätze abgerechnet und die Gewinne ausgezahlt. Durch die Einbeziehung ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen hat sie die Höhe der Mindest- und Maximaleinsätze bestimmt. Sie behielt sich das Recht vor, festzulegen, ob Ereignisse für Wetten offen sind und konnte diese zu jeder Zeit nach eigenem Ermessen schließen. Die Klägerin bestimmte ferner, unter welchen Umständen der Zugang von Spielern eingeschränkt, das Konto eines Spielers gelöscht oder beendet oder ausstehende Wetten angenommen oder angenommene Wetten storniert und für nichtig erklärt werden konnten. Ebenso regelte sie die Höhe und Berechnung ihrer Provision sowie die Abrechnung der Gewinne und Verluste.
22 cc) In Anbetracht dieser tatsächlichen Feststellungen greifen die Einwendungen der Klägerin gegen das von der Vorinstanz gefundene Ergebnis nicht durch.
23 Soweit die Klägerin sich darauf beruft, es fehle an einer Festlegung der Wettquote durch sie selbst, hat das FG diesen Umstand in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als von untergeordneter Bedeutung eingestuft. Die Ausführungen stehen in Einklang mit der o.g. angeführten BFH-Rechtsprechung, wonach die Festlegung der Wettquote zwar einen gewichtigen Gesichtspunkt darstellt, aber nicht das allein entscheidende Merkmal (vgl. BFH-Urteil in BFHE 221, 256, BStBl II 2009, 735, unter II.1.b aa, sowie BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1379, unter II.2.a; Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz, S. 190 f.). Vielmehr ist der unbestimmte Rechtsbegriff des „Veranstalters“ anhand der vom FG festgestellten Indizien zu bestimmen, wobei den einzelnen festgestellten Tatsachen unterschiedliches Gewicht zukommen kann. Da die Beschränkung der Sportwettenbesteuerung auf Sportwetten zu festen Quoten („Oddset“) mit der Neuregelung ab (Gesetz zur Besteuerung von Sportwetten vom , BGBl I 2012, 1424) entfallen ist, kann die Festlegung der Quoten auch nicht der allein entscheidende Gesichtspunkt für die Einordnung als Veranstalter sein.
24 Soweit die Klägerin behauptet, sie habe die Spieleinsätze nicht selbst vereinnahmt, widerspricht ihr Vorbringen den Feststellungen des FG. Denn dieses hat ausdrücklich festgestellt, dass eine Teilnahme an der von der Klägerin betriebenen Wettbörse nur dann möglich war, wenn die Nutzer bei der Klägerin ein Konto eröffneten und auf dieses einzahlten. Zudem musste sich jeder Nutzer mit den von der Klägerin einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen einverstanden erklären. Die eingezahlten Gelder wurden vom Treuhänder verwaltet und auf Weisung der Klägerin entsprechend verwandt. Die Klägerin konnte über die Vereinnahmung der gewetteten Beträge auch die Begleichung ihres Provisionsanspruchs sicherstellen. Die Klägerin hat, nicht zuletzt unter Einbindung des ihr weisungsunterworfenen Treuhänders, ein umfassendes Vertragsgeflecht gesponnen, das nach den Feststellungen des FG dazu führt, dass sie die veranstalteten Sportwetten maßgeblich ins Werk gesetzt hat und mithin selbst an den Sportwetten beteiligt war.
25 Dass die Klägerin als Betreiberin der Wettbörse nicht Vertragspartei des Wettvertrags war, steht ihrer Einordnung als Veranstalter nicht entgegen. Das RennwLottG hat zwar in erster Linie den Abschluss einer Sportwette zwischen Veranstalter und Spieler vor Augen, wie § 19 Abs. 2 Satz 3, § 4 Abs. 2 RennwLottG und § 20 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 RennwLottG andeuten. Die Besteuerung ist jedoch unabhängig davon, zwischen wem der Wettvertrag zustande kommt. Anknüpfungspunkt der Sportwettensteuer ist allein die inländische Wettveranstaltung (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RennwLottG) oder die Vornahme wesentlicher Wetthandlungen im Inland durch einen inländischen Spieler (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RennwLottG). Davon, dass der Wettvertrag mit dem Veranstalter zustande kommen muss, ist —auch in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RennwLottG— keine Rede (vgl. Brüggemann, a.a.O., S. 192; Englisch in Streinz/Liesching/Hambach, Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien, 2014, Syst. Darst. Rz 75).
26 § 17 Abs. 2 RennwLottG erfasst damit über den unbestimmten Rechtsbegriff des „Veranstalters“ auch die Tätigkeit einer Wettbörse. Dies entspricht dem Sinn der Neuregelung, Anbieter von Sportwetten, die bis zum nicht der Besteuerung unterfielen, in die Steuerbarkeit einzubeziehen (vgl. BTDrucks 17/8494, S. 8). Aus diesem Grund ist der unbestimmte Rechtsbegriff des „Veranstalters“ nach dem Willen des Gesetzgebers bewusst weit gefasst und schließt auch Veranstalter von Wettbörsen ein (vgl. die Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. Eilers, Finanzausschuss des Deutschen Bundestags, Wortprotokoll der 82. Sitzung, Protokoll Nr. 17/82, S. 11, 15 und 17).
27 dd) Die Tätigkeit der Klägerin ist nach den Feststellungen des FG auch nicht als ein bloßes Vermitteln von Sportwetten einzuordnen. Das Vermitteln von Sportwetten zeichnet sich dadurch aus, dass der Vermittler die Sportwette weder ins Werk setzt noch das Wettgeschehen maßgeblich gestaltet (vgl. BTDrucks 19/28400, S. 54). Der Vermittler leitet stattdessen Angebot und Wettbetrag an den Buchmacher weiter, mit dem dann der Wettvertrag zustande kommt. Unabhängig von der Frage, ob auch die Wettvermittlung von § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RennwLottG erfasst wird (bejahend Birk/Brüggemann in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, § 17 RennwLottG Rz 27), betrieb die Klägerin keine bloße Vermittlung von Wetten an andere Unternehmen. Die Klägerin leitete nicht lediglich das Wettangebot und den Wetteinsatz an einen Dritten weiter und berechnete eine Provision, sondern sie organisierte und bestimmte das gesamte Wettgeschehen, verwaltete die Wettkonten und berechnete die Gewinne und Verluste. Die Einsätze verblieben wirtschaftlich in ihrem Firmenverbund und ihre vertraglichen Beziehungen zu den Nutzern (Abschluss des Treuhandvertrags, Vereinbarung allgemeiner Geschäftsbedingungen, Wettregeln) gingen weit über den Inhalt eines bloßen Vermittlungsauftrags hinaus (so auch Brüggemann, a.a.O., S. 190 ff.; Englisch in Streinz/Liesching/ Hambach, a.a.O., Syst. Darst. Rz 75).
28 2. Die Festsetzung der Sportwettensteuer der Höhe nach lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.
29 a) Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 RennwLottG beträgt die Sportwettensteuer „5 vom Hundert des Nennwertes der Spielscheine beziehungsweise des Spieleinsatzes“. Der Begriff des „Spieleinsatzes“ umschreibt den gesamten Betrag, den der Spieler zum Tätigen seiner Wette einsetzt und mithin zum Zweck des Abschlusses eines Wettvertrags i.S. des § 762 des Bürgerlichen Gesetzbuchs an den Veranstalter zahlt. Er umfasst alle Leistungen, die der Spieler dem Veranstalter als Entgelt für die Einräumung der Gewinnhoffnung gewährt (vgl. , BFHE 74, 444, BStBl III 1962, 166, und vom - II R 59/07, BFH/NV 2010, 952, Rz 10, jeweils betreffend Lotterielose; Brüggemann, a.a.O., S. 195; ders., Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht —ZfWG— 2019, 111, 112). Zum Begriff des „Einsatzes“ zählt daher der für die Wettteilnahme dem Spieler insgesamt in Rechnung gestellte und von diesem beglichene und vom Veranstalter vereinnahmte Betrag.
30 b) Da die Klägerin nach den Feststellungen des FG die Spieleinsätze in der Steueranmeldung für…2012 mit . € beziffert hat, ist die Sportwettensteuer zutreffend mit 5 % darauf, mithin . € festgesetzt worden. Anders als die Klägerin anführt, scheiden ihre Provisionseinnahmen im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des § 17 Abs. 2 Satz 2 RennwLottG als Bemessungsgrundlage aus. Denn dieser gibt den „Spieleinsatz“ als Bemessungsgrundlage vor (so auch Brüggemann, a.a.O., S. 197 ff.; Englisch in Streinz/Liesching/Hambach, a.a.O., Syst. Darst. Rz 74). Der Spieleinsatz hat bestimmenden Einfluss auf die Ausschüttungsquote, und die Anknüpfung an den Spieleinsatz ermöglicht es, die Sportwettensteuer an den Spieler weiter zu belasten.
31 3. Der erkennende Senat kommt nicht zu der für eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG erforderlichen Überzeugung, dass das RennwLottG nicht unter die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG fällt. Insoweit wird auf die und IX R 21/18 (jeweils zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) und die dort gemachten Ausführungen zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
32 4. Soweit die Klägerin eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG rügt, greift ihr Vorbringen nicht durch. Die Klägerin kann sich als ausländische juristische Person auf dieses Grundrecht berufen (dazu unter a). Eine Verletzung der Berufsfreiheit der Klägerin liegt aber nicht vor (dazu unter b).
33 a) Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für inländische juristische Personen, soweit die Grundrechte ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar sind. Der Schutz der Grundrechte erstreckt sich aufgrund des europarechtlichen Diskriminierungsverbots auch auf Gesellschaften mit Sitz in der EU. Die Klägerin kann sich als im EU-Ausland ansässige juristische Person daher auch auf diese Grundrechte und insbesondere auf Art. 3 Abs. 1 GG berufen (vgl. , Neue Juristische Wochenschrift 2011, 3428; Enders in BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 47. Ed., Stand: , Art. 19 GG Rz 37).
34 b) Art. 12 Abs. 1 GG ist jedoch nicht verletzt.
35 aa) Art. 12 Abs. 1 GG schützt neben der freien Berufsausübung auch das Recht, einen Beruf frei zu wählen. Unter Beruf ist dabei jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient (vgl. , 1 BvR 1428/91, BVerfGE 105, 252, unter C.I.1.; , BVerfGE 115, 276, unter C.I.1.a; BVerfG-Beschlüsse vom - 1 BvR 2011/07, 1 BvR 2959/07, BVerfGE 126, 112, unter B.II.2., und vom - 1 BvR 1314/12, 1 BvR 1630/12, 1 BvR 1694/13, 1 BvR 1874/13, BVerfGE 145, 20, unter C.II.1.a aa, Rz 120). Der Betrieb einer Wettbörse zum Ermöglichen von Sportwetten als wirtschaftliche Tätigkeit erfüllt diese Merkmale und steht als berufliche Tätigkeit unter dem Schutz des Grundrechts der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG. Auch steuerliche Vorschriften wie § 17 Abs. 2 RennwLottG sind daher an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, wenn sie infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen (vgl. , BVerfGE 13, 181, unter B.1.).
36 bb) Die steuerliche Belastung durch § 17 Abs. 2 RennwLottG stellt als Regelung der Berufsausübung einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerin dar. Öffentliche Abgaben greifen in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein, wenn sie in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen (vgl. , 2 BvR 1083/92, 2 BvR 2188/92, 2 BvR 2200/92, 2 BvR 2624/94, BVerfGE 98, 83, unter C.I.1.; vom - 2 BvR 2335/95, 2 BvR 2391/95, BVerfGE 113, 128, unter B.I.1.; , BVerfGE 123, 132, unter B.I.1.). Die Belastung nach § 17 Abs. 2 Satz 2 RennwLottG knüpft tatbestandlich unmittelbar an den Spieleinsatz und damit an das Anbieten und Vermitteln von Sportwetten an. Die Regelungen greifen mithin in die Tätigkeit der Klägerin als Wettbörse und damit ihre Berufsausübungsfreiheit ein.
37 Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt kein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl vor, sondern die steuerliche Regelung des § 17 RennwLottG stellt eine Regelung der Berufsausübung dar. § 17 RennwLottG verbietet nicht die Tätigkeit einer Wettbörse, sondern verteuert nur das über sie vermittelte Angebot. Der Klägerin ist es unbenommen, die Belastung mit Sportwettensteuer in ihre Kalkulation für die Provisionsberechnung einzubeziehen und die Steuerbelastung an ihre Nutzer weiterzugeben. Den insoweit bindenden Feststellungen des FG lässt sich nicht entnehmen, dass damit die Tätigkeit der Klägerin (rechtlich oder tatsächlich) insgesamt unmöglich gemacht würde. Lediglich das von ihr im Streitzeitraum betriebene Geschäftsmodell erweist sich bei unveränderter Fortführung und Abführung der Sportwettensteuer als unwirtschaftlich.
38 cc) In das durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte einheitliche Grundrecht der Berufsfreiheit darf nur auf gesetzlicher Grundlage und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden. Insbesondere muss die eingreifende Norm durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (vgl. , BVerfGE 102, 197, unter C.I.; BVerfG-Urteile in BVerfGE 113, 128, unter B.I.1., und vom - 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08, BVerfGE 121, 317, unter B.I.1.b; zur Stufentheorie des BVerfG vgl. auch Scholz in Maunz/ Dürig, Komm. z. GG, Art. 12 Rz 335).
39 dd) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist jedoch gerechtfertigt. Die gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erforderliche gesetzliche Grundlage lässt sich auf hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls stützen (1) und entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn (2).
40 (1) Mit der Festsetzung und Abführung der Sportwettensteuer verfolgt der Gesetzgeber ein wichtiges Gemeinwohlziel, das auf vernünftigen Erwägungen beruht und daher die Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit zu legitimieren vermag.
41 (a) Reine Berufsausübungsbeschränkungen wie steuerliche Belastungen können grundsätzlich durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls gerechtfertigt werden (vgl. , BVerfGE 103, 1, unter B.I.; vom - 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08, BVerfGE 123, 186, unter C.I.3.a bb). Das GG lässt dem Gesetzgeber im Zusammenhang mit Berufsausübungsregelungen ein erhebliches Maß an Freiheit und räumt ihm bei der Festlegung der zu verfolgenden Ziele eine weite Gestaltungsfreiheit ein (vgl. , 1 BvL 48/87, BVerfGE 81, 156).
42 (b) Es liegen im Fall der Klägerin als Betreiberin einer Internet-Wettbörse hinreichende Gründe des Gemeinwohls vor, die die in § 17 Abs. 2 Satz 1 und 2 RennwLottG geregelte Steuerbelastung tragen.
43 Soweit der Gesetzgeber mit der Belastung von Wettbörsen durch Sportwettensteuer das Ziel verfolgt, die Spielsucht zu bekämpfen und der Entwicklung und Verbreitung von unerlaubtem Glücksspiel in Schwarzmärkten entgegenzuwirken (vgl. BTDrucks 17/8494, S. 9), ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht und weiterer negativer Begleiterscheinungen des Spiel- und Wettbetriebs stellt ein legitimes Ziel für die Berufsfreiheit einschränkende Regelungen dar (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 115, 276, beginnend ab C.I.3.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 145, 20, unter C.II.1.a aa (2), Rz 122). Bei der Bekämpfung der Glücksspielsucht handelt es sich um ein besonders wichtiges Gemeinwohlziel (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 145, 20, unter C.II.1.a bb (2) a cc Y, Rz 158).
44 (2) Die Besteuerung der Sportwetten bei der Klägerin entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
45 (a) In das durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte einheitliche Grundrecht der Berufsfreiheit darf nur unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BVerfG-Beschlüsse vom - 1 BvR 1904/95, 1 BvR 602/96, 1 BvR 1032/96, 1 BvR 1395/97, 1 BvR 2284/97, 1 BvR 1126/94, 1 BvR 1158/94, 1 BvR 1661/95, 1 BvR 2180/95, 1 BvR 283/97, 1 BvR 224/97, 1 BvR 35/98, BVerfGE 101, 331, unter B.II.1.c; vom - 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12, BVerfGE 135, 90, unter B.II.2., Rz 63, und vom - 1 BvL 6/13, BVerfGE 141, 82, unter C.II.2., Rz 47). Der Eingriff muss zur Erreichung eines legitimen Eingriffsziels geeignet sein und darf nicht weiter gehen, als es die Gemeinwohlbelange erfordern; ferner müssen Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen —vgl. auch BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 101, 331, unter B.II.1.c, und vom - 1 BvR 3102/13 (BVerfGE 141, 121, unter B. II.1.b, Rz 40)—.
46 (b) Daran gemessen erweisen sich die in Rede stehenden Regelungen des RennwLottG auch als verhältnismäßig im weiteren Sinn.
47 (aa) Für die Eignung reicht es aus, wenn durch die gesetzliche Regelung der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es genügt bereits die Möglichkeit einer Zweckerreichung (vgl. BVerfG-Urteile in BVerfGE 81, 156, unter C.II.1.c aa; in BVerfGE 115, 276, unter C.I.3.d; in BVerfGE 121, 317, unter B.I.1.b cc (1); BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 112, unter B.II.4.b aa, ständige Rechtsprechung). Dem Gesetzgeber kommt dabei ein Einschätzungs- und Prognosevorrang zu. Es ist vornehmlich seine Sache, unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will (BVerfG-Urteil in BVerfGE 115, 276, unter C.I.3.d). Eine verfassungsrechtliche Beanstandung ist nur möglich, wenn das eingesetzte Mittel „objektiv ungeeignet“ oder „schlechthin ungeeignet“ ist (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 81, 156, unter C.II.1.c aa, m.w.N.).
48 Die Sportwettensteuer ist ein geeignetes Mittel zur Erreichung der vom Gesetzgeber verfolgten legitimen Gemeinwohlziele, da sie die Bekämpfung der Spielsucht jedenfalls fördert. Denn die Abgabe wirkt indirekt dämpfend auf die Höhe der möglichen Wettgewinne und führt damit auch zu einer Verringerung der Anreizwirkung und aufgrund einer geringeren Spanne zu einer Reduzierung des Angebots. Bei ihrem Wegfall wäre es einem Anbieter von Wettbörsen möglich, niedrigere Provisionen (bei Unterlassen des Aufschlagens der Steuer in Gestalt eines Zuschlags) anzubieten und damit aus Gründen der Marktorientierung die Spielleidenschaft zu fördern. Das Anbieten von Sportwetten soll aber lediglich als Ventil des natürlichen Spieltriebs dienen und eine legale und seriöse Möglichkeit bieten, das Bedürfnis nach Sportwetten zu befriedigen. Auch wenn die Lenkungswirkung der Steuerbelastung nicht ausreicht, die Durchführung von Sportwetten vollständig zu unterbinden, rechtfertigt sich die Sportwettensteuer damit aus der Absicht, Sportwetten auf legale und staatlicherseits überwachte Weise zu betreiben und daraus Einkünfte zu erzielen. Denn der von einer Abgabe verfolgte Lenkungszweck muss nicht ihr Hauptzweck sein, der bei einer Steuer immer darin besteht, staatliche Einnahmen zu schaffen (vgl. , BFHE 261, 62, Rz 29 f.).
49 (bb) Die Regelungen in § 17 Abs. 2 RennwLottG sind auch erforderlich. Erforderlich ist eine gesetzliche Regelung, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können (vgl. , BVerfGE 67, 157, unter C.II.2.; BVerfG-Urteil in BVerfGE 81, 156, unter C.II.1.c bb, ständige Rechtsprechung). Bei der Einschätzung der Erforderlichkeit verfügt der Gesetzgeber über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerfG-Urteile in BVerfGE 81, 156, unter C.II.1.c bb; in BVerfGE 115, 276, unter C.I.3.e aa; BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 145, 20, unter C.II.1.a bb (2) a cc a, Rz 149; in BVerfGE 126, 112, unter B.II.4.b aa, und in BVerfGE 102, 197, unter C.II.1.c bb (2)).
50 Ein milderes, gleich effektives Mittel zur Erhebung der Sportwettensteuer ist hinsichtlich der Tätigkeit von Wettbörsen nicht ersichtlich. Insbesondere erscheint ein Anknüpfen an den Bruttorohertrag der Wettbörse aus den Provisionseinnahmen als nicht sinnvoll. In diesem Fall entfaltet die Sportwettensteuer weder einen Preis- noch einen Quoteneffekt (vgl. Herzig/Stock, ZfWG 2012, 12, 15). Damit besteht für die Nutzer von Wettbörsen ein Anreiz, Wetten mit hohen Quoten einzugehen, da die Provision auf diese keinen Einfluss hat. Zudem gewährt die Klägerin Nutzern mit einer hohen Frequenz erhebliche Provisionsrabatte. Dies bedeutet, dass bei einem Anknüpfen an den Bruttorohertrag aus den Provisionseinnahmen der Anreiz zu einer erhöhten Spielteilnahme sogar noch vergrößert wird. Dies würde dem Ziel der Sportwettensteuer, das Wettangebot zu verteuern und damit den Anreiz zum Spielen zu verringern, entgegenlaufen (vgl. Brüggemann, ZfWG 2019, 111, 113). Der Wetteinsatz hingegen ist eine objektiv, anhand der Aufzeichnungen des Anbieters leicht zu ermittelnde Bemessungsgrundlage, die nicht der Beeinflussung durch den Anbieter der Wettbörse unterfällt.
51 (cc) Die Steuerbelastung ist auch angemessen und mithin verhältnismäßig im engeren Sinn. Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Höhe der Sportwettensteuer und dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe wahren die gesetzlichen Regelungen insgesamt die Grenze der Zumutbarkeit und belasten den Anbieter von Sportwetten nicht übermäßig. Der Gesichtspunkt, dass Gewinne aus der Veranstaltung von Sportwetten angesichts des regulierten und auf wenige Anbieter beschränkten Marktes relativ risikolos erzielt werden können, rechtfertigt die teilweise Abschöpfung der Gewinne durch staatliche Abgaben, zumal Sportwetten von der Umsatzsteuer befreit sind (§ 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes). Zudem steht die mit der Sportwettenbesteuerung verbundene finanzielle Belastung in einem vernünftigen Verhältnis zu dem gegebenen Anlass und den von ihr verfolgten Zwecken.
52 (dd) Das FG hat zutreffend auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen die Folgerung gezogen, dass die Belastung mit Sportwettensteuer auch bei einem Betreiber einer Wettbörse nicht erdrosselnd wirkt. Zwar ist unstreitig, dass die Belastung mit Sportwettensteuer die Höhe der von der Klägerin vereinnahmten Provision übersteigt. Dieser Umstand ist aber nicht der Höhe der Sportwettensteuer anzulasten, die nach Auffassung des Senats mit 5 % eine moderate und eher geringe Belastung darstellt. Dass die von der Klägerin betriebene Wettbörse vor dem Hintergrund der Steuerbelastung nicht wirtschaftlich tragfähig ist, hat seinen Grund vielmehr in dem von der Klägerin gewählten Geschäftsmodell. Die Klägerin erwirtschaftet ihren Ertrag allein aus den Provisionszahlungen und legt die Wettquoten nicht selbst fest. Das Geschäftsmodell der Klägerin sieht mithin die —vom Gesetzgeber gewünschte und beabsichtigte— Weiterbelastung der Sportwettensteuer nicht vor. Vielmehr sollen die von der Klägerin erhobenen Provisionen die Geschäfte der Nutzer der Wettbörsen möglichst wenig belasten, um möglichst viele Transaktionen zu ermöglichen. Es wird mitnichten das Geschäftsmodell der Klägerin verboten, sondern dieses erweist sich in der von der Klägerin gewählten Ausgestaltung als unrentabel.
53 Bezogen auf die Wetteinsätze im Streitzeitraum und die von der Klägerin bzw. ihren Treuhänder in diesem Zeitraum vereinnahmten Einsätze von Nutzern von über . € ist die Steuerbelastung niedrig gehalten und fördert entsprechend der Absicht des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 17/8494, S. 9) die Überführung des Angebots in die Legalität.
54 Die Belastung erweist sich auch nicht deswegen als unverhältnismäßig im engeren Sinn, weil die Klägerin Provisionen zwischen . % und . % des Wetteinsatzes vereinbart und die Steuerbelastung durch die Sportwettensteuer noch über den vereinnahmten Provisionen liegt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass nach den Feststellungen des FG wenige Nutzer für einen Großteil des Spielvolumens ursächlich sind. Es erscheint im Hinblick auf die Ziele des RennwLottG sowie des GlüStV 2012 vielmehr angemessen, diese besonders für Suchtgefahren und die damit verbundenen Begleiterscheinungen anfällige Nutzergruppe von einer verstärkten Nutzung des Wettangebots abzuhalten.
55 Soweit sich die Klägerin darauf beruft, die Belastung mit Sportwettensteuer würde ihr Geschäftsmodell unmöglich machen und damit im Ergebnis verbieten, führt dies ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin ihr Geschäftsmodell erst ab . nach Deutschland ausgedehnt. Sie ist damit in Kenntnis der Sportwettensteuer auf dem deutschen Markt tätig geworden, hat die zu diesem Zeitpunkt feststehende und ihr bekannte Steuerbelastung aber nicht in ihr Geschäftsmodell einbezogen. Es ist mithin nicht so, dass ein tragfähiges und lange praktiziertes Geschäftsmodell durch die Sportwettensteuer unmöglich gemacht worden ist, sondern die Klägerin hat ihr im Ausland praktiziertes Geschäftsmodell ohne Anpassung an die gesetzlichen Rahmenbedingungen in das Inland übertragen.
56 5. Auch Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt.
57 a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen wie für ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. , BVerfGE 148, 217, unter B.I.1., Rz 103, m.w.N.).
58 Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 148, 217, unter B.I.1., Rz 104, m.w.N.).
59 b) Nach diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben ist Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt.
60 aa) Hinsichtlich der Belastung von Sportwetten mit Sportwettensteuer, die über eine Wettbörse oder über einen Buchmacher angeboten werden, liegt kein Grund für eine unterschiedliche Behandlung vor. Beide Anbieter vermarkten dasselbe Produkt (Teilnahme an einer Sportwette). Dieses wird in beiden Fällen steuerlich gleich belastet. Ziel der Besteuerung von Sportwetten ist es, durch eine Verteuerung des Angebots den Anreiz zu verringern und damit die Ziele des GlüStV 2012 zu fördern (vgl. BTDrucks 17/8494, S. 1). Dieses Ziel wird verfehlt, wenn über eine Wettbörse an Sportwetten teilgenommen werden könnte, die nicht oder nicht in gleichem Umfang der Besteuerung unterfallen. Da die Klägerin die Provision nur vom erfolgreichen Nutzer einbehält, unterfielen zudem auch nicht sämtliche Wetteinsätze der Besteuerung, sondern nur der Einsatz desjenigen, der mit seiner Wette obsiegt.
61 Es liegt auch keine Doppelbelastung vor. Nach den Feststellungen des FG schließt jeder Nutzer eine eigene Vereinbarung, entweder über die Wette des Eintritts eines Ereignisses oder des Nichteintritts eines Ereignisses ab. Es handelt sich aus Sicht des Nutzers und auch nach der vertraglichen Gestaltung um zwei eigenständige Sportwetten, die auch gesondert besteuert werden und lediglich bei der Klägerin in ihrer Funktion als Wettbörse „gepoolt“ und in Übereinstimmung gebracht werden. Es wird —wie das FG zutreffend ausführt— jeder Einsatz nur einmal besteuert. Daher liegt auch keine Ungleichbehandlung gegenüber einem Buchmacher vor. Denn dieser sieht sich bei jedem Vertragsabschluss über die betreffende Wette auch jeweils einem Wettkunden gegenüber.
62 bb) Auch eine verfassungswidrige Gleichbehandlung von Online- und Offline-Anbietern liegt nicht vor. Es fehlen bereits Feststellungen des FG dazu, dass mit der Klägerin vergleichbare Wettbörsen über ein stationäres Geschäft verfügen. Auch der Umstand, dass nach den Feststellungen des FG der Bruttorohertrag im Offline-Geschäft höher ausfällt als im Online-Geschäft, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dieser Unterschied hat seine Ursache darin, dass im Offline-Geschäft die Fixkosten durch Personal und Mieten deutlich höher ausfallen dürften als im Online-Geschäft und daher höhere Kosten aus dem Bruttorohertrag zu begleichen sind. Durch die Ortsgebundenheit und Schließungszeiten wird ein anderer Kundenkreis angesprochen. Zudem sind im Offline-Geschäft die Ausschüttungsquoten weniger vergleichbar und der Wettbewerbsdruck damit geringer. Im klassischen Wettlokal werden dem Spieler zudem noch neben der reinen Wette weitere Leistungen (Aufenthaltsmöglichkeit, Möglichkeit zum Getränkekonsum, Bildschirme, Geselligkeit) angeboten, die er mit dem Spieleinsatz ebenfalls bezahlt. Die Würdigung des FG, wonach im Bereich der Sportwetten Online- und Offline-Geschäft nicht vergleichbar sind, ist schlüssig und nachvollziehbar und daher rechtlich nicht zu beanstanden.
63 cc) Ein Gleichheitsverstoß liegt nicht in dem Fehlen von Anrechnungsregeln zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung. Soweit die Klägerin anführt, Deutschland sei verpflichtet, im Ausland gezahlte Sportwettensteuer auf die inländische Sportwettensteuerschuld anzurechnen, kann dies dahingestellt bleiben. Den Feststellungen des FG lässt sich nicht entnehmen, dass die Klägerin mit ihren inländischen Provisionserträgen im Ausland einer der Sportwettensteuer vergleichbaren Belastung unterfiel.
64 6. Es liegen nach den Feststellungen des FG auch keine Anhaltspunkte für ein strukturelles Vollzugsdefizit vor, das der Erhebung der Steuer entgegenstünde.
65 a) Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; in BVerfGE 138, 136, BStBl II 2015, 50, unter B.III.1.b, Rz 123, und vom - 1 BvR 2880/11, BVerfGE 139, 1, Rz 40, jeweils m.w.N.). Wird die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt, kann dies die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Besteuerungsgrundlage nach sich ziehen. Zur Gleichheitswidrigkeit führt aber nicht ohne Weiteres die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen, sondern nur das normative Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts (BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; vgl. auch , BFHE 221, 97, BStBl II 2009, 296, unter II.1.b bb (2)). Nicht jeder Vollzugsmangel genügt schon, um eine Abweichung von der erforderlichen Ausrichtung zu belegen. Nur wenn das Umsetzungsdefizit bereits in der Regelung angelegt ist oder wenn gehäufte oder gar systematische Verstöße nicht konsequent geahndet und unterbunden werden, prägt dies die tatsächliche Handhabung der Regelung und lässt auf Defizite der normativen Sicherung schließen (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
66 b) Den tatsächlichen Feststellungen des FG, die den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO binden, lassen sich keine Tatsachen entnehmen, die bei Wettbörsen auf das Vorliegen eines normativ bedingten strukturellen Vollzugsdefizits schließen lassen. Dem FG-Urteil lassen sich insbesondere keine Feststellungen entnehmen, dass die für die Sportwettenbesteuerung zuständigen Landesfinanzbehörden illegale Wettbörsen dulden oder nicht zur Besteuerung heranziehen. Ebenso lässt sich den Feststellungen des FG nicht entnehmen, dass (Online-)Wettbörsen aus anderen EU-Mitgliedstaaten die Sportwettensteuer nicht termingerecht anmelden und abführen und es dadurch zu Steuerausfällen aufgrund eines defizitären Gesetzesvollzugs kommt.
67 In den Bestimmungen des RennwLottG sind auch keine Umgehungsmöglichkeiten angelegt, die auf ein normatives Regelungsdefizit in Bezug auf Wettbörsen schließen lassen. Der Gesetzgeber hat sowohl für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen als auch für die Durchsetzung des Steueranspruchs umfangreiche ineinandergreifende Maßnahmen vorgesehen. Schuldner der Sportwettensteuer ist der Veranstalter (§ 19 Abs. 2 Satz 1 RennwLottG). Hierdurch wird sichergestellt, dass die Steuer an der Quelle, d.h. beim Veranstalter, an den der Wetteinsatz geleistet wird, erhoben wird. Der Veranstalter hat als Steuerschuldner, soweit er seinen Wohnsitz oder seinen Sitz nicht in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat, einen steuerlichen Beauftragten im Inland zu benennen (§ 19 Abs. 3 Satz 1 RennwLottG). Der Veranstalter oder sein steuerlicher Beauftragter sind verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung umfassende Aufzeichnungen zu führen, z.B. Name und Anschrift des Spielers, die jeweilige Bemessungsgrundlage für die Steuer, den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Spieleinsatzes und der Gewinnauszahlung sowie die Höhe der Steuer (vgl. § 20 Abs. 2 Nr. 1, 5, 6 und 7 RennwLottG). Darüber hinaus haben der Veranstalter oder sein steuerlicher Beauftragter Anzeige- und Anmeldepflichten zu erfüllen (§ 31a der Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und Lotteriegesetz —RennwLottGABest—), sie werden von der Genehmigungsbehörde auf ihre steuerlichen Pflichten besonders hingewiesen (§ 34 RennwLottGABest) und unterliegen der Steueraufsicht (§ 47 RennwLottGABest, vgl. dazu näher Brüggemann, a.a.O., S. 245 ff.). Die für die Glücksspielaufsicht zuständige Behörde ist nach § 27 RennwLottG verpflichtet, der Finanzbehörde diejenigen Erkenntnisse mitzuteilen, die der Durchführung eines Besteuerungsverfahrens dienen. Damit sind die Regelungen zur Sportwettensteuer auch für Betreiber von Wettbörsen in ein normatives Umfeld eingebettet, das die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolgs prinzipiell gewährleistet.
68 Dies gilt auch für ausländische Anbieter. Gegenüber Anbietern im EU-Ausland bestehen umfangreiche Ermittlungsmöglichkeiten im Rahmen der EU-Amtshilfe (vgl. dazu näher Englisch in Streinz/Liesching/Hambach, a.a.O., Syst. Darst. Rz 81). Solche Anbieter trifft zudem die Pflicht, den Wettbetrieb anzuzeigen (§ 31a Abs. 1 RennwLottGABest) und die Pflicht, Aufzeichnungen über die abgeschlossenen Sportwetten zu führen (§ 20 Abs. 1 RennwLottG). Für Wettanbieter aus Drittländern besteht nach § 19 Abs. 3 RennwLottG die Pflicht zur Benennung eines steuerlichen Beauftragten im Inland. Diesem obliegt nicht nur die Erfüllung der steuerlichen Pflichten, insbesondere der in § 20 Abs. 1 RennwLottG geregelten Aufzeichnungspflichten. Vielmehr schuldet der steuerliche Beauftragte die Steuer auch neben dem Veranstalter (vgl. § 19 Abs. 3 Satz 5 RennwLottG). Anbieter aus Drittländern unterliegen zudem der in § 27 RennwLottG geregelten Mitteilungspflicht, wonach die Glücksspielaufsicht den Finanzbehörden alle Erkenntnisse mitzuteilen hat, die der Durchführung eines Steuerverfahrens dienen. Diese steuerlichen Regelungen sichern eine effektive Kontrolle auch der ausländischen Anbieter und stehen der Annahme einer normativen Schutzlücke im Hinblick auf die Vollziehung des RennwLottG entgegen (vgl. auch Brüggemann, a.a.O., S. 248 ff.).
69 Dem Schrifttum (vgl. Welz, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht —UVR— 2012, 274; ders., UVR 2013, 276, sowie UVR 2016, 48; Schmittmann, ZfWG 2019, 102, 106; Birk/Brüggemann in: Gebhardt/Korte, Glücksspiel, 2. Aufl. 2018, S. 662 ff.; Peren/Clement, ZfWG Sonderbeilage 2/2016) sind ebenfalls keine Hinweise auf ein strukturelles Vollzugsdefizit bei Online-Wettbörsen zu entnehmen.
70 7. Der erkennende Senat kommt nicht zu der für eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG erforderlichen Überzeugung, dass die Besteuerung von Wettbörsen nach § 17 Abs. 2 RennwLottG gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitende Gebot der Normenbestimmtheit und der Normenklarheit verstößt. Der Senat sieht daher auch insoweit von einer Vorlage an das BVerfG ab.
71 a) Das Gebot der Normenbestimmtheit und der Normenklarheit (vgl. u.a. , 1 BvR 957/96, BVerfGE 114, 1, unter C.I.3.a, m.w.N.) soll die Betroffenen befähigen, die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung zu erkennen, damit sie ihr Verhalten danach ausrichten können. Die Bestimmtheitsanforderungen dienen auch dazu, die Verwaltung zu binden und ihr Verhalten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen. Zudem dienen die Normenbestimmtheit und die Normenklarheit dazu, die Gerichte in die Lage zu versetzen, getroffene Maßnahmen anhand rechtlicher Maßstäbe zu kontrollieren (vgl. u.a. BVerfG-Urteil in BVerfGE 114, 1, unter C.I.3.a, m.w.N.).
72 b) Danach ist ein Verstoß gegen den Grundsatz der Normenbestimmtheit und Normenklarheit nicht zu erkennen. Der Gesetzgeber hat in § 17 Abs. 2 RennwLottG klar und eindeutig geregelt, welche Sportwetten er der Besteuerung unterwirft. Ob eine Wette der Besteuerung unterfällt, z.B. weil der Steuerpflichtige bei seiner Registrierung einen inländischen Wohnsitz angibt, unterfällt nach § 20 RennwLottG der Aufzeichnungspflicht des Anbieters. Dass, wie die Klägerin vorträgt, inländische Spieler ausländische Internetkennungen und unzutreffende Anschriften nutzen, um so einen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs des RennwLottG vorzutäuschen, lässt sich den Feststellungen des FG nicht entnehmen. Dieses hat ausgeführt, dass die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin die Nutzer der Wettbörse zudem verpflichten, die IP-Adresse des genutzten Endgeräts nicht zu verschleiern. Im Übrigen ergeben sich auch hier zahlreiche Möglichkeiten für am Markt tätige Anbieter, den Wohnsitz der Nutzer auf andere Art und Weise zuverlässig zu überprüfen (z.B. Postident-Verfahren, Vorlage von Ausweispapieren oder Meldebestätigungen).
73 8. Die von der Klägerin gerügte Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 56 AEUV) liegt nicht vor.
74 a) Nach Art. 56 AEUV müssen die Mitgliedstaaten Angehörigen aus anderen EU-Staaten ermöglichen, unter denselben Bedingungen tätig zu werden, wie sie für Inländer gelten. Es sind auch solche Beschränkungen zu unterlassen, die —obwohl sie unterschiedslos für Einheimische wie für Dienstleistende anderer Mitgliedstaaten gelten— geeignet sind, die Tätigkeit eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistenden, der dort rechtmäßig gleichartige Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden oder zu behindern (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union —EuGH— Arblade u.a. vom - C-369/96 und C-376/96, EU:C:1999:575, Rz 33; Mobistar und Belgacom Mobile vom - C-544/03 und C-545/03, EU:C:2005:518, Rz 30 f.; Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International vom - C-42/07, EU:C:2009:519, und Berlington Hungary u.a. vom - C-98/14, EU:C:2015:386, Rz 35). Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits dann vor, wenn die grenzüberschreitende Tätigkeit erschwert oder weniger attraktiv gemacht wird.
75 Beschränkungen der Glücksspieltätigkeit können aber durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Dazu zählen der Verbraucherschutz, die Betrugsvermeidung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für Glücksspiele. In Ermangelung einer Harmonisierung des Glücksspielsektors durch die EU ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben (vgl. EuGH-Urteile Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, EU:C:2009:519, Rz 56, und Digibet und Albers vom - C-156/13, EU:C:2014:1756, Rz 23 f.).
76 Dagegen erfasst Art. 56 AEUV solche Maßnahmen nicht, deren einzige Wirkung es ist, zusätzliche Kosten für die betreffende Leistung zu verursachen, und die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten in gleicher Weise wie ihre Erbringung innerhalb eines einzelnen Mitgliedstaats berühren (vgl. EuGH-Urteile Mobistar und Belgacom Mobile, EU:C:2005:518, Rz 31, und Berlington Hungary u.a., EU:C:2015:386, Rz 36).
77 b) Das Anbieten von Sportwetten an Empfänger in anderen Mitgliedstaaten gehört zu den Dienstleistungen i.S. des Art. 56 AEUV (vgl. EuGH-Urteile Carmen Media Group vom - C-46/08, EU:C:2010:505, Rz 41, und Winner Wetten vom - C-409/06, EU:C:2010:503, Rz 43 f.). Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, führt die Erhebung der Sportwettensteuer auf die Provisionseinnahmen zu einer Verteuerung des Angebots der Klägerin. Damit wird die Vermittlung von Wetten über eine Wettbörse weniger attraktiv. Diese Wirkung trifft aber inländische wie ausländische Anbieter in gleicher Weise und zu gleichen Bedingungen. Die Sportwettensteuer führt daher zu keiner unmittelbaren Diskriminierung ausländischer Anbieter.
78 Selbst wenn man eine mittelbare Diskriminierung annehmen würde, ist die darin liegende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gerechtfertigt, weil sie der Verfolgung zwingender Gründe des Allgemeininteresses dient. Dazu zählen der Verbraucherschutz, die Betrugsvermeidung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für Glücksspiele (vgl. EuGH-Urteile Stoß vom - C-316/07, EU:C:2010:504, Rz 74 f., und Berlington Hungary u.a., EU:C:2015:386, Rz 58). Zur Erreichung dieser Ziele ist die Sportwettensteuer geeignet, weil sie die Teilnahme verteuert. Aufgrund ihrer moderaten Höhe ist sie aber gleichzeitig geeignet, den Weg in die glücksspielrechtliche Legalität nicht zu versperren und den Spielern ein legales und staatlich überwachtes Angebot zur Verfügung zu stellen.
79 9. Die Notifizierungspflicht nach der EGRL 98/34 ist nicht verletzt. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine Entscheidungen vom - IX R 20/18 und IX R 21/18 (jeweils zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt). Entgegen der Ansicht des Vorinstanz ist die in Rede stehende Regelung des § 17 Abs. 2 RennwLottG nicht notifizierungspflichtig. Der Vortrag der Klägerin, in der Notifizierung sei nur § 10 Abs. 1 RennwLottG aufgeführt, als betroffene Produkte seien nur „Rennpferde als landwirtschaftliche Erzeugnisse“ aufgeführt und die erstmalige Besteuerung von Sportwetten werde gar nicht erwähnt, geht daher ins Leere.
80 10. Die Ausführungen des FG zur Ablehnung des Erlasses aus Billigkeitsgründen hinsichtlich der Sportwettensteuer für den Zeitraum . bis . 2012 lassen keine Rechtsfehler erkennen.
81 a) Die Entscheidung über den Erlass nach § 227 AO ist eine Ermessensentscheidung der Behörde. Dem folgt die ständige Rechtsprechung des BFH zu § 227 AO (u.a. zuletzt , BFH/NV 2020, 926, Rz 12, m.w.N.). Im finanzgerichtlichen Verfahren kann die behördliche Ermessensentscheidung nach § 102 FGO nur daraufhin überprüft werden, ob die Grenzen der Ermessensausübung eingehalten worden sind (vgl. Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 102 Rz 15, m.w.N.).
82 Eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen i.S. des § 227 AO ist anzunehmen, wenn die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis im Einzelfall zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, aber nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist oder dessen Wertungen zuwiderläuft (sog. Gesetzesüberhang, BFH-Urteil in BFH/NV 2020, 926, Rz 13).
83 b) Das FG hat zu Recht entschieden, dass hinsichtlich der Sportwettensteuer kein Anspruch auf Billigkeitserlass gemäß § 227 AO besteht, und dass das FA den Erlass ermessensfehlerfrei abgelehnt hat.
84 aa) Es fehlt bereits an einer Unbilligkeit aus sachlichen Gründen. Die Steuerbelastung der über eine Wettbörse eingegangenen Wetten entspricht dem Ziel, das der Gesetzgeber mit der Sportwettenbesteuerung verfolgt hat. Denn dieser wollte „sämtliche Sportwetten“ bzw. „alle Arten von Sportwetten“ „unabhängig von der Art des Wettangebots“ der Besteuerung unterwerfen, mithin auch die über eine Wettbörse angebotenen (BTDrucks 17/8494, S. 1, 8 f.). Dieses Ziel rechtfertigt es, die Klägerin mit Sportwettensteuer zu belasten. Bei einer Wettbörse handelt es sich nicht um einen atypischen Fall der Veranstaltung von Sportwetten, den der Gesetzgeber nicht im Blick hatte. Die Klägerin ermöglicht als Veranstalter ihren Nutzern die Teilnahme an Sportwetten. Zudem agiert sie als Wettbörse ohne eigenes Risiko, verdient an jeder Wette unabhängig von ihrem Ausgang mit und kann in der Folge davon ihren Kunden bessere Quoten als bei klassischen und traditionellen Buchmachern anbieten. Es fehlt daher bereits an einer sachlichen Unbilligkeit.
85 Auch Erwägungen des Vertrauensschutzes begründen keine sachliche Unbilligkeit für einen Billigkeitserlass. Die Belastung der Klägerin mit Sportwettensteuer kam —wie das FG zutreffend ausgeführt hat— nicht überraschend. Der GlüStV 2012 wurde im Jahr 2011 abgeschlossen, der Gesetzentwurf zur Besteuerung von Sportwetten stammt vom Januar 2012.
86 bb) Weiter lässt sich den Feststellungen des FG auch kein Anhaltspunkt entnehmen, dass die Voraussetzungen für die Annahme einer persönlichen Unbilligkeit ermessenfehlerhaft verneint worden sind. Eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Klägerin ist nach den Feststellungen des FG nicht ersichtlich.
87 11. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2021:U.070921.IXR5.19.0- 27 -
Fundstelle(n):
BFH/NV 2022 S. 131 Nr. 2
HFR 2021 S. 68 Nr. 1
GAAAH-95922