Strafzumessung: Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen der verhängten Strafe und einer Maßregel der Besserung und Sicherung
Gesetze: § 46 Abs 1 S 2 StGB, § 66 StGB, § 267 StPO
Instanzenzug: Az: 22 KLs 6/20
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 28 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Der Schuldspruch weist Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht auf.
32. Hingegen begegnet der Strafausspruch durchgreifenden rechtlichen Bedenken, da das Landgericht weder bei der Festsetzung der Einzelstrafen noch bei der Bildung der Gesamtstrafe erörtert hat, dass gegen den Angeklagten zugleich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist.
4a) Zu den bei der Strafzumessung nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB zu berücksichtigenden Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Angeklagten in der Gesellschaft zu erwarten sind, kann auch die Wechselwirkung zwischen der verhängten Strafe und einer Maßregel der Besserung und Sicherung gehören. Zwar besteht nicht in jedem Fall eine Abhängigkeit dergestalt, dass Freiheitsstrafe und Maßregel eine getrennte Beurteilung ausschließen würden (vgl. , BGHR StGB § 66 Strafausspruch 1). Die Strafhöhe kann indes durch diese Wechselwirkung beeinflusst werden; beide Sanktionen müssen nicht nur einzeln, sondern auch zusammen angemessen sein (vgl. zuletzt Senat, Beschluss vom - 2 StR 188/20; vgl. auch , NStZ-RR 2005, 39; vom - 5 StR 339/05, NStZ-RR 2006, 105; vom - 4 StR 114/08, NJW 2008, 3008; vgl. auch , BVerfGE 109, 133, 179).
5b) Gemessen daran lassen die Urteilsgründe im vorliegenden Fall nicht erkennen, dass die Strafkammer bei der Bemessung die zugleich angeordnete Sicherungsverwahrung in den Blick genommen hat. Dies wäre hier jedoch gerade mit Blick auf die hohen Einzelstrafen und vor dem Hintergrund einer nur formelhaft begründeten Gesamtstrafe geboten gewesen, weshalb der Senat nicht ausschließen kann, dass die Strafkammer bei rechtsfehlerfreier Würdigung zu niedrigen Gesamtstrafen gelangt wäre.
63. Dies führt zur Aufhebung der Einzelstrafen und auch des Gesamtstrafenausspruchs, und lässt die formellen Voraussetzungen der - im Übrigen rechtsfehlerfrei angeordneten - Sicherungsverwahrung in Wegfall geraten. Aus diesem Grund war auch diese Maßregel aufzuheben (vgl. Senat, Beschluss vom - 2 StR 461/20).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:300321B2STR18.21.0
Fundstelle(n):
SAAAH-95905