BGH Beschluss v. - 4 StR 523/20

Strafverurteilung u.a. wegen unerlaubten Waffenbesitzes: Notwendige Urteilsfeststellungen zur Funktionsfähigkeit der Waffen; strafmildernde Berücksichtigung der Einziehung von Waffen und Munition

Gesetze: § 74 Abs 1 StGB, § 74 Abs 3 S 1 StGB, § 1 Abs 4 Anl 1 UAbschn 1 Nr 1.3 WaffG, § 52 Abs 1 Nr 2 Buchst b WaffG

Instanzenzug: Az: 4 StR 523/20 Beschlussvorgehend Az: 4 StR 523/20 Beschlussvorgehend LG Essen Az: 27 KLs 24/19nachgehend Az: 4 StR 523/20 Beschlussnachgehend Az: 4 StR 523/20 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Betruges, Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe und Beförderung einer Kriegswaffe im Bundesgebiet außerhalb eines abgeschlossenen Geländes jeweils ohne Genehmigung in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition sowie mit dem Besitz einer Schusswaffe jeweils ohne Erlaubnis“ und „der Verabredung zu einem schweren Bandendiebstahl sowie zu drei schweren Rauben“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Außerdem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen sowie die Einziehung einer Bockflinte, einer halbautomatischen Selbstladepistole, von Munition und zwei Patronengurten angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Verurteilung des Angeklagten wegen der tateinheitlichen Verstöße gegen das Kriegswaffenkontroll- und Waffengesetz in Fall II. 4 a) bis c) der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

3a) Der Schuldspruch in Fall II. 4 c) der Urteilsgründe wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2b) WaffG ist rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht die Funktionsfähigkeit der Waffe nicht festgestellt hat.

4aa) Tatobjekt des § 52 Abs. 1 Nr. 2b) WaffG ist eine halbautomatische Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition. Die Schusswaffe bzw. die gleichgestellten wesentlichen Teile der Schusswaffe i.S.d. Anlage 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.3 des WaffG müssen funktionsfähig sein (vgl. ; MüKo-WaffG/Heinrich, 3. Aufl., § 1 Rn. 13; Heinrich in Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl., § 1 Rn. 19c; Pauckstadt-Maihold/Lutz in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, W 12. Waffengesetz, 234. EL (Januar 2021), § 1 Rn. 6 und Rn. 11). Eine vorübergehende Funktionsunfähigkeit ist unerheblich, wenn eine Reparatur mit allgemein gebräuchlichen Werkzeugen möglich ist (vgl. ; MüKo-WaffG/Heinrich, 3. Aufl., § 1 Rn. 60 f.).

5bb) Diese Voraussetzung ist den Feststellungen nicht zu entnehmen. Danach lagerte der Angeklagte in seiner Wohnung eine „nicht funktionsfähige“ halbautomatische Selbstladepistole, die nach den Erwägungen in der Strafzumessung „objektiv keine Gefährdung“ darstellte. Diese Ausführungen lassen nicht erkennen, aus welchen Gründen die Waffe nicht funktionierte und ob aufgrund des Defekts nur eine Dekorationswaffe i.S.v. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.4 zum WaffG vorlag, die mangels Funktionsfähigkeit nicht dem Waffenbegriff des § 52 Abs. 1 Nr. 2b) WaffG unterfällt. Außerdem lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen, ob eine Reparatur mit allgemein gebräuchlichen Werkzeugen oder nur mit Spezialwerkzeug möglich gewesen wäre, was Relevanz für die Dauerhaftigkeit der Funktionsunfähigkeit hat.

6b) Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des gesamten Schuldspruchs in Fall II. 4 a) bis c) der Urteilsgründe, auch wenn die tateinheitliche Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und wegen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe in den Fällen II. 4 a) und b) der Urteilsgründe für sich genommen nicht zu beanstanden ist.

72. Die Aufhebung des Schuldspruchs hinsichtlich der Waffendelikte führt zum Wegfall der hierfür verhängten Einzelstrafe und des Gesamtstrafenausspruchs.

8Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob nach dem Antrag des Generalbundesanwalts vom die Einzelstrafe in Fall II. 4 a) bis c) der Urteilsgründe und der Gesamtstrafenausspruch auch deswegen aufzuheben wären, weil das Landgericht die Einziehung der Waffen und der Munition in der Strafzumessung nicht strafmildernd berücksichtigt hat. Nach Auffassung des Generalbundesanwalts habe das Landgericht nicht bedacht, dass dem Angeklagten mit der Einziehung der Waffen und der Munition möglicherweise ein ihm gehörender Gegenstand von erheblichem Wert entzogen worden und dies bei Festsetzung der Einzel- und der Gesamtfreiheitsstrafe zu berücksichtigen sei.

9Diese Ansicht teilt der Senat nicht.

10Zwar hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Maßnahme nach § 74 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 StGB den Charakter einer Nebenstrafe und stellt damit eine Strafzumessungsentscheidung dar; wird dem Täter auf diese Weise ein ihm zustehender Gegenstand von nicht unerheblichem Wert entzogen, ist dies deshalb als ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege der Gesamtbetrachtung der den Täter betreffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 214/20; vom - 4 StR 332/18, NStZ-RR 2019, 88; vom - 3 StR 8/18, NStZ 2018, 526; vom - 2 StR 447/19, StV 2020, 232; jeweils mwN).

11Diese Rechtsprechung bezieht sich aber nur auf rechtmäßig erworbene Tatmittel mit nicht unerheblichem Wert. Demgegenüber handelt es sich bei den hier eingezogenen Waffen nebst Munition nicht um Tatmittel, sondern um Tatobjekte i.S.v. § 54 Abs. 1 WaffG. Zudem waren die Waffen und die Munition wegen § 134 BGB nicht in das Eigentum des Angeklagten gelangt (vgl. ). Vermögenseinbußen durch Einziehung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte stellen keinen Strafmilderungsgrund dar, weil insoweit kein rechtlich schützenswertes Vertrauen besteht (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 22/02; vom - 1 StR 479/00; vom - 3 StR 324/99, NStZ 2000, 137).

123. Der Ausspruch über die Einziehung der Waffen, Munition und Patronengurte hat keinen Bestand.

13Die Einziehung der beiden Waffen kann nicht bestehen bleiben, weil die Aufhebung des Schuldspruchs wegen der Waffendelikte insoweit die Grundlage für eine Anordnung nach § 54 Abs. 1 WaffG entzieht. Die Einziehungsentscheidung hinsichtlich der Munition und der zwei Patronengurte ist schon deswegen aufzuheben, weil die von der Staatsanwaltschaft vor Anklageerhebung vorgenommene Beschränkung der Strafverfolgung hinsichtlich des unerlaubten Besitzes von Munition gemäß § 154a Abs. 1 StPO im vorliegenden Verfahren eine solche Einziehung ausschließt (vgl. Rn. 6).

144. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

15Sollte der Tatrichter erneut eine Verurteilung des Angeklagten wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz in Betracht ziehen, wird darauf hingewiesen, dass die Tatbestandsvariante des unerlaubten Ausübens der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe (§ 22a Abs. 1 Nr. 6a) KrWaffKontrG) ein Auffangtatbestand ist, der hinter den spezielleren Erscheinungsformen des unerlaubten Erwerbs und der unerlaubten Beförderung einer Kriegswaffe i.S.v. § 22a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 KrWaffKontrG zurücktritt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 335/14, NStZ-RR 2015, 188; vom - 2 StR 49/11 Rn. 4).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:090621B4STR523.20.3

Fundstelle(n):
wistra 2021 S. 441 Nr. 11
AAAAH-95642