Online-Nachricht - Donnerstag, 25.11.2021

Erbschaftsteuer | Steuerbegünstigung für ein Familienheim bei Zuerwerb (BFH)

Erwirbt ein Steuerpflichtiger von Todes wegen eine Wohnung, die an seine selbst genutzte Wohnung angrenzt, kann dieser Erwerb als Familienheim steuerbegünstigt sein, wenn die hinzuerworbene Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt ist (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Steuerfrei ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG u.a. der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i. S. des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG durch Kinder i. S. der Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB).

Sachverhalt: Der Kläger ist Alleinerbe seines Vaters, der eine Doppelhaushälfte bis zu seinem Tod im Jahr 2013 bewohnt hatte. Die angrenzende Doppelhaushälfte bewohnte der Kläger bereits mit seiner Familie. Nach dem Tod des Vaters verband der Kläger beide Doppelhaushälften und nahm in der Hälfte des Vaters umfangreiche Sanierungs- und Renovierungsarbeiten, teilweise in Eigenleistung, vor. Seit Abschluss dieser Arbeiten im Jahr 2016 nutzt der Kläger das gesamte Haus als einheitliche Wohnung.

Das beklagte Finanzamt versagte die Erbschaftsteuerbefreiung für ein Familienheim unter Hinweis auf die dem Kläger anzulastende Verzögerung. Demgegenüber führte der Kläger aus, dass er unmittelbar nach dem Tod seines Vaters mit der Renovierung begonnen habe. Die Maßnahmen hätten allerdings eine vorherige Trockenlegung des Hauses erfordert und sich aufgrund der angespannten Auftragslage der beauftragten Handwerker weiter verzögert.

Das FG wies die Klage ab (). (siehe hierzu unsere Online-Nachricht v. 16.12.2019)

Der BFH hat die Revision als begründet angesehen, das FG-Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen:

  • Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG kann auch den Erwerb einer auf einem bebauten Grundstück i. S. des § 181 Abs. 1 BewG gelegenen Wohnung umfassen, wenn diese räumlich an die vom Erwerber bereits selbst genutzte Wohnung angrenzt und nach dem Erwerb beide Wohnungen zu einer einheitlichen selbst genutzten Wohnung verbunden werden. Hinsichtlich der Wohnflächenbegrenzung kommt es allein darauf an, dass die Größe der hinzuerworbenen Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Ob die Gesamtwohnfläche der nach Verbindung entstandenen Wohnung mehr als 200 qm beträgt, ist nicht ausschlaggebend.

  • Die (hinzuerworbene) Wohnung muss beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt sein (Familienheim). Eine Wohnung ist zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt, wenn der Erwerber die Absicht hat, die Wohnung selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt.

  • Der Erwerber muss die Wohnung "unverzüglich", d. h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmen. Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall (vgl. , Rz. 20 f.).

  • Der wegen der Beseitigung eines gravierenden Mangels eintretende Zeitverzug steht der unverzüglichen Selbstnutzung nicht entgegen, wenn der Erwerber den Baufortschritt angemessen fördert.

  • Das FG ist von anderen Maßstäben ausgegangen. Nach seiner Auffassung wäre ein Steuerpflichtiger nur dann berechtigt, die Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG in Anspruch zu nehmen, wenn er bestimmte, beschleunigende und möglicherweise kostenintensivere Maßnahmen zur Renovierung und Schadensbeseitigung ergreift. Dieser Maßstab ist zu streng.

Anmerkung von Prof. Dr. Matthias Loose, Richter im II. Senat des BFH:

Die Steuerbegünstigung für den Erwerb des sog. Familienheims ist in § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG ausführlich geregelt. Während § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG die Schenkung des Familienheims unter Eheleuten und Lebenspartnern zu Lebzeiten ohne weitere Voraussetzungen begünstigt, setzen § 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG für den Erwerb von Todes wegen zweierlei voraus, zum einen muss der Erwerber tatsächlich in das Familienheim einziehen und zum anderen dort – soweit er dazu in der Lage ist – auch 10 Jahre wohnen bleibt. Im Streitfall ging es um den tatsächlichen Einzug.

Zunächst hat der BFH jedoch klargestellt, dass die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG auch den Erwerb einer bislang vom Erblasser bewohnten Wohnung umfasst, wenn diese Wohnung räumlich an die vom Erben bereits selbst genutzte Wohnung angrenzt und der Erbe sodann beide Wohnungen zu einer einheitlichen selbst genutzten Wohnung verbindet. Dies kommt in der Praxis nicht selten vor. Wegen der Wohnflächenbegrenzung – so der BFH – kommt es allein darauf an, dass die Größe der hinzuerworbenen (!) Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Ob die Gesamtwohnfläche nach Verbindung mehr als 200 qm beträgt, ist unerheblich. Der tatsächliche Einzug des Erben muss unverzüglich geschehen, wobei der BFH in früheren Urteilen eine Frist von sechs Monaten für angemessen erklärt hat. Unschädlich ist es, so die jetzige Entscheidung, wenn sich der Einzug aufgrund eines gravierenden Baumangels verzögert und der Erbe den Baufortschritt angemessen fördert.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NWB MAAAH-95463