BGH Beschluss v. - XII ZB 371/21

Unterbringungssache: Verfahrenskostenhilfe für den Verfahrenspfleger im Rechtsbeschwerdeverfahren

Leitsatz

In einem Betreuungs- oder Unterbringungsverfahren kann dem Verfahrenspfleger Verfahrenskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bewilligt werden.

Gesetze: § 114 Abs 1 S 1 ZPO, § 115 ZPO, § 76 Abs 1 FamFG, § 274 Abs 2 FamFG, § 276 Abs 7 FamFG, § 303 Abs 3 FamFG, § 315 Abs 2 FamFG, § 317 Abs 7 FamFG, § 335 Abs 2 FamFG

Instanzenzug: LG Ansbach Az: 4 T 688/21vorgehend AG Ansbach Az: 17 XVII 1006/11 (2)nachgehend Az: XII ZB 371/21 Beschluss

Gründe

I.

1Der Beteiligte zu 2 (im Folgenden: Verfahrenspfleger), der als Rechtsanwalt tätig ist, wurde in einem Unterbringungsverfahren zum berufsmäßigen Verfahrenspfleger der Betroffenen bestellt.

2Das Amtsgericht hat die Unterbringung der Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis längstens genehmigt und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Verfahrenspfleger, vertreten durch den beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt Dr. S., Rechtsbeschwerde eingelegt, die noch nicht begründet worden ist. Mit Schreiben vom hat der Verfahrenspfleger die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde beantragt. Rechtsanwalt Dr. S. hat sich zur Führung der Rechtsbeschwerde im Rahmen einer Verfahrenskostenhilfe-Beiordnung bereit erklärt.

II.

3Der Antrag des weiteren Beteiligten zu 2 auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist zurückzuweisen.

41. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe scheitert allerdings nicht daran, dass der Verfahrenspfleger die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vollständig ausgefüllt hat und seinem Antrag die erforderlichen Anlagen nicht beigefügt waren.

5a) Zwar ist nach dem Wortlaut der gemäß § 76 Abs. 1 FamFG auch in Unterbringungsverfahren anwendbaren §§ 114, 115 ZPO bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe grundsätzlich auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Verfahrensbeteiligten abzustellen, der um Verfahrenskostenhilfe nachsucht. Deshalb sind bei der Verfahrensführung durch einen Vertreter allein die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vertretenen für die Beurteilung der Bedürftigkeit maßgeblich. In einem Betreuungs- oder Unterbringungsverfahren wird der Verfahrenspfleger allerdings nicht als Vertreter des Betroffenen tätig (st. Rspr., vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 462/20 - FamRZ 2021, 1064 Rn. 14 mwN; vgl. auch §§ 276 Abs. 3 Satz 3, 317 Abs. 3 Satz 3 FamFG in der ab dem gültigen Fassung). Vielmehr ist er gemäß §§ 274 Abs. 2, 315 Abs. 2 FamFG selbst Verfahrensbeteiligter, so dass bei der Prüfung der Bedürftigkeit allein seine wirtschaftlichen Verhältnisse maßgeblich sind.

6b) Die Rechtsstellung des Verfahrenspflegers in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren weist jedoch eine entscheidende Besonderheit auf. Denn obwohl er formal Beteiligter ist und das Verfahren im eigenen Namen betreibt, werden von ihm ausschließlich die Interessen des Betroffenen verfolgt. Seine Verfahrensbeteiligung beruht allein auf den ihm durch die Bestellung zum Verfahrenspfleger (§§ 276, 317 FamFG) übertragenen Rechten und Pflichten, die auch das Recht zur Einlegung von Rechtsmitteln umfassen (§§ 303 Abs. 3, 335 Abs. 2 FamFG). Insofern ähnelt seine Rechtsstellung in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren der einer Partei kraft Amtes, die zwar als Prozesspartei auftritt, dabei aber kraft des ihr übertragenen Amtes nur die Belange anderer vertritt (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 242/03 - FamRZ 2005, 1164, 1166 f. zur gesetzlichen Prozessstandschaft). Da die Partei kraft Amtes im Regelfall ausschließlich im Interesse der von ihr vertretenen Vermögensmasse tätig wird, hat sie nicht mit ihrem eigenen Vermögen für die Kosten aufzukommen (vgl. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die Vergleichbarkeit der Rechtsstellung des Verfahrenspflegers mit der einer Partei kraft Amtes könnte es daher nahelegen, im Verfahrenskostenhilfeverfahren auch dann allein auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen abzustellen, wenn der Verfahrenspfleger die Interessen des Betroffenen nicht als dessen gesetzlicher Vertreter wahrnimmt, sondern er kraft Gesetzes unmittelbar Verfahrensbeteiligter ist. Dabei ist jedoch problematisch, dass der Verfahrenspfleger keinen Zugriff auf das Vermögen des Betreuten hat.

72. Letztlich kann jedoch dahinstehen, auf wessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse abzustellen ist. Dem Verfahrenspfleger kann in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren schon deshalb keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden, weil ihm gemäß §§ 276 Abs. 7, 317 Abs. 7 FamFG keine Kosten auferlegt werden könnten (vgl. etwa Keidel/Weber FamFG 20. Aufl. § 76 Rn. 6; Zimmermann Prozesskosten- und Verfahrenskostenhilfe 6. Aufl. Rn. 22).

8a) Voraussetzung für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist neben der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung die Bedürftigkeit des Antragstellers. Diese liegt gemäß § 76 Abs. 1 FamFG iVm § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO vor, wenn der Antragsteller die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Wird Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe bewilligt, befreit dies den Antragsteller von der Tragung der Gerichtskosten (§ 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und der Gebühren des beigeordneten Rechtsanwalts (§ 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). In einem Rechtsbeschwerdeverfahren in Betreuungs- und Unterbringungssachen können den Verfahrenspfleger jedoch keine Kosten treffen, die von der Verfahrenskostenhilfe erfasst werden.

9aa) Gerichtskosten muss der Verfahrenspfleger keine tragen, auch wenn seine Rechtsbeschwerde erfolglos bleibt. Zum einen ist das Rechtsbeschwerdeverfahren in Betreuungssachen regelmäßig und in Unterbringungssachen stets gerichtskostenfrei (vgl. § 25 Abs. 2 GNotKG für Betreuungssachen und Senatsbeschluss vom - XII ZB 540/13 - FamRZ 2014, 1285 Rn. 10 ff. für Unterbringungssachen). Zum anderen dürfen dem Verfahrenspfleger aufgrund der ausdrücklichen Regelungen in §§ 276 Abs. 7 und 317 Abs. 7 FamFG keine Kosten auferlegt werden (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 534/15 - juris Rn. 4). Deshalb kann auch weder nach § 81 Abs. 1 und 2 FamFG noch nach §§ 83, 84 FamFG eine Kostenentscheidung zu Lasten des Verfahrenspflegers ergehen (Prütting/Helms/Fröschle FamFG 5. Aufl. § 276 Rn. 71).

10bb) Sofern der Verfahrenspfleger für die Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt beauftragen muss (vgl. § 10 Abs. 4 FamFG), hat der Verfahrenspfleger auch dessen Gebühren und Auslagen letztlich nicht selbst zu tragen. Nach § 277 Abs. 1 Satz 1 FamFG iVm § 1835 Abs. 1 BGB kann der Verfahrenspfleger Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Dies gilt sowohl für den ehrenamtlichen als auch für den berufsmäßigen Verfahrenspfleger (vgl. Keidel/Giers FamFG 20. Aufl. § 277 Rn. 5). Zu den ersatzfähigen Aufwendungen zählen auch die Kosten für die Rechtsberatung und Rechtsverfolgung (vgl. BeckOGK/Bohnert [Stand: ] BGB § 1835 Rn. 37; MünchKommBGB/Fröschle 8. Aufl. § 1835 Rn. 15). Schuldner des Aufwendungsersatzanspruchs ist dabei stets die Staatskasse (vgl. §§ 277 Abs. 5 Satz 1, 318 FamFG). Daraus folgt, dass der Verfahrenspfleger die Kosten für den von ihm für das Rechtsbeschwerdeverfahren beauftragten Rechtsanwalt letztlich gegenüber der Staatskasse geltend machen kann, und zwar unabhängig davon, ob seine Rechtsbeschwerde Erfolg hat.

11Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung kann dem Aufwendungsersatzanspruch des Verfahrenspflegers auch nicht entgegengehalten werden, dass für die beabsichtigte Einlegung einer Rechtsbeschwerde sogleich ein am Bundesgerichtshof zugelassener Rechtsanwalt als Verfahrenspfleger des Betroffenen bestellt werden könne, dessen Vergütung sich auf die Stundensätze nach § 3 VBVG beschränke (so aber Keidel/Giers FamFG 20. Aufl. § 276 Rn. 20; Jürgens/Kretz Betreuungsrecht 6. Aufl. § 276 FamFG Rn. 19). Diese Auffassung verkennt, dass die Bestellung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts als Verfahrenspfleger nicht kostengünstiger wäre, weil dessen Vergütung nicht auf die Stundensätze nach § 3 VBVG beschränkt ist, sondern sich nach der Rechtsprechung des Senats entsprechend §§ 277 FamFG, 1835 Abs. 3 BGB nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bemisst (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZA 46/17 - juris Rn. 2 und vom - XII ZB 111/14 - FamRZ 2014, 1629 Rn. 10 mwN).

12b) Eine (vorläufige) Kostenbelastung kann den Verfahrenspfleger demnach nur treffen, wenn der beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwalt einen Kostenvorschuss für seine Tätigkeit im Rechtsbeschwerdeverfahren verlangt. In diesem Fall hilft dem Verfahrenspfleger sein Aufwendungsersatzanspruch nicht weiter. Denn nach § 277 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann er seinerseits keinen Vorschuss auf die von ihm zu leistenden Aufwendungen verlangen.

13Auch wenn es dem Verfahrenspfleger kaum zumutbar sein dürfte, den Vorschuss aus eigenem Vermögen zu erbringen, besteht in diesem Fall kein Anlass, von dem in § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO geregelten Grundsatz abzuweichen, dass Verfahrenskostenhilfe nur der Partei bewilligt werden kann, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (so aber Prütting/ Helms/Fröschle FamFG 5. Aufl. § 276 Rn. 74). Das Recht des Rechtsanwalts, von seinem Auftraggeber für die entstandenen und die voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen einen angemessenen Vorschuss fordern zu können (§ 9 RVG), dient der Sicherung des späteren Vergütungsanspruchs des vorleistungspflichtigen Rechtsanwalts (vgl. HK-RVG/Klees 8. Aufl. § 9 Rn. 2; Hagen Schneider in Schneider/Volpert/Fölsch Gesamtes Kostenrecht 3. Aufl. § 9 RVG Rn. 1; vgl. auch - NJW 2004, 1043, 1047 zu § 17 BRAGO).

14Das Sicherungsbedürfnis des Rechtsanwalts, der in einer Betreuungs- oder Unterbringungssache den Verfahrenspfleger im Rechtsbeschwerdeverfahren vertritt, hat jedoch in der vorliegenden Fallgestaltung nur eine untergeordnete Bedeutung. Da der Verfahrenspfleger die Kosten für den von ihm für das Rechtsbeschwerdeverfahren beauftragten Rechtsanwalt - unabhängig davon, ob seine Rechtsbeschwerde Erfolg hat - gegenüber der Staatskasse geltend machen kann, ist ausreichend gewährleistet, dass der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts erfüllt wird. Eine Verpflichtung des Rechtsanwalts, einen Gebührenvorschuss zu verlangen, besteht ohnehin nicht (Hagen Schneider in Schneider/Volpert/Fölsch Gesamtes Kostenrecht 3. Aufl. § 9 RVG Rn. 1; BeckOK RVG/v. Seltmann [Stand: ] § 9 Rn. 1). Im Übrigen kann dem Sicherungsbedürfnis des Rechtsanwalts dadurch Rechnung getragen werden, dass der Verfahrenspfleger seinen gegen die Staatskasse gerichteten Aufwendungsersatzanspruch in entsprechender Höhe an den beauftragten Rechtsanwalt abtritt.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:201021BXIIZB371.21.0

Fundstelle(n):
GAAAH-95426