Tatbestand
11. Gegen den früheren Soldaten, der seit 2009 Reservist ist, wurde mit Verfügung vom ein gerichtliches Disziplinarverfahren wegen folgenden Vorwurfs eingeleitet:
"Sie haben am Samstag, , an einem noch zu ermittelnden Zeitpunkt zwischen 00:00 Uhr und 03:43 Uhr an Bord des Tenders ...in der PUO-Messe, einem gemeinsam mit den gesondert verfolgten Obermaat ..., Oberbootsmann ... und dem Kapitänleutnant ... entwickelten Tatplan folgend, die Köpfe von LtzS ... und CPO ... zu rasieren, mit einem Rasierapparat jeweils das Kopf- und Barthaar geschoren, obgleich Sie wussten, jedenfalls hätten erkennen können und müssen, dass diese mit der Rasur nicht einverstanden waren oder, aufgrund ihrer Alkoholisierung, hierzu nicht wirksam einwilligen konnten."
22. Kapitänleutnant ... wurde wegen des Vorkommnisses bereits beim Truppendienstgericht Nord mit Anschuldigungsschrift vom angeschuldigt.
33. Auch Oberbootsmann ... wurde deswegen bereits beim Truppendienstgericht Nord mit Anschuldigungsschrift vom angeschuldigt.
44. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat unter dem beim Bundesverwaltungsgericht beantragt, für das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den früheren Soldaten ebenfalls das Truppendienstgericht Nord als zuständiges Gericht zu bestimmen, um eine einheitliche Beurteilung zu ermöglichen. Dort werde auch Frau Obermaat ..., geb. ... gemäß § 70 Abs. 1 WDO angeschuldigt werden. Nur für den früheren Soldaten als Reservisten sei aufgrund seines Wohnsitzes das Truppendienstgericht Süd zuständig. Der Bundeswehrdisziplinaranwalt unterstützt den Antrag.
55. Der Vorsitzende der 4. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat mit Schreiben vom erklärt, dem Antrag nicht entgegenzutreten, weil ein Sachzusammenhang aller vier Verfahren bestehe.
Gründe
6Auf Antrag der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird das Truppendienstgericht Nord als zuständiges Gericht bestimmt.
7Nach § 70 Abs. 3 WDO bestimmt das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Truppendienstgerichts oder einer anderen am Verfahren beteiligten Behörde oder Dienststelle das zuständige Truppendienstgericht, wenn bei zusammenhängenden Dienstvergehen mehrerer Soldaten unterschiedliche Gerichtsstände bestehen. Diese Voraussetzungen liegen vor:
81. Für die gerichtlichen Disziplinarverfahren gegen Kapitänleutnant ..., Oberbootsmann ... und Frau Obermaat ..., geb. ... einerseits und den früheren Soldaten andererseits sind verschiedene Truppendienstgerichte zuständig:
9Für die drei erstgenannten aktiven Soldaten ist nach § 70 Abs. 1 WDO das Truppendienstgericht zuständig, das für den Befehlsbereich errichtet ist, zu dem ihr Truppenteil oder ihre Dienststelle bei Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gehörte. Kapitänleutnant ... und Oberbootsmann ... gehörten bei Einleitung der gerichtlichen Disziplinarverfahren gegen sie am 17. Juni bzw. dem ... in ... bzw. der ... in ... an. Diese werden nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i der Verordnung zur Regelung der Dienstbereiche der Truppendienstgerichte und zur Bildung von Truppendienstkammern - Truppendienstgerichte-Verordnung - vom (BGBl. I S. 1602) vom Dienstbereich des Truppendienstgerichts Nord umfasst. Frau Obermaat ... gehörte bei Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens am dem Tender ... in ... an, der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e Truppendienstgerichte-Verordnung ebenfalls dem Dienstbereich des Truppendienstgerichts Nord unterfällt.
10Demgegenüber ist für frühere Soldaten nach § 70 Abs. 2 Satz 1 WDO das Truppendienstgericht zuständig, dem der Wehrbereich zugeteilt ist, in dem sich die zuständige Wehrersatzbehörde oder, soweit der frühere Soldat nicht mehr der Wehrüberwachung unterliegt, sein Wohnsitz befindet. Da der Verordnungsgeber darauf verzichtet hat, die Zuständigkeit der Truppendienstgerichte an die Gliederung der Bundesrepublik Deutschland in Wehrbereiche auszurichten, kommt es auf den Wohnsitz des früheren Soldaten an (vgl. 2 WDB 1.17 - NZWehrr 2017, 171 Rn. 13 m.w.N.). Der frühere Soldat hat seinen Wohnsitz in ... im Regierungsbezirk .... Dementsprechend ist für ihn nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d Truppendienstgerichte-Verordnung das Truppendienstgericht Süd zuständig.
112. Es liegen zusammenhängende Dienstvergehen im Sinne des § 70 Abs. 3 WDO vor.
12Die Wehrdisziplinarordnung enthält zwar keine ausdrückliche Regelung darüber, unter welchen Voraussetzungen ein Zusammenhang zwischen mehreren Dienstvergehen besteht. Dem Regelungszusammenhang, der Entstehungsgeschichte und dem daraus ableitbaren Zweck der Vorschrift lässt sich jedoch entnehmen, dass ein Zusammenhang zwischen mehreren Dienstvergehen jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn Gegenstand der jeweiligen Disziplinarverfahren eine einheitliche Tat ist, bei der die betroffenen Soldaten als Mittäter oder Teilnehmer beteiligt waren und mehrere Verfahren bei dem für zuständig erklärten Gericht zur gemeinsamen Verhandlung verbunden werden sollen (vgl. 2 WDB 3.17 - juris Rn. 13 m.w.N.).
13Dies ist bei den disziplinargerichtlichen Verfahren gegen den früheren Soldaten, Kapitänleutnant ..., Oberbootsmann ... und Frau Obermaat ... der Fall. Ihnen wird ausweislich der Anschuldigungsschriften vom (Verfahren gegen Kapitänleutnant...) und vom (Verfahren gegen Oberbootsmann ...) sowie dem im sachgleichen Strafverfahren gegen den früheren Soldaten bereits ergangenen rechtskräftigen Strafbefehl vom vorgeworfen, gemeinsam ein Dienstvergehen gegenüber Leutnant zur See ... und Chief Petty Officer ... begangen zu haben.
143. Der Senat bestimmt das Truppendienstgericht Nord als zuständiges Gericht. Gründe, die einer Verbindung der gerichtlichen Disziplinarverfahren entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Dem Sachzusammenhang ist bereits im Vorfeld durch die Entscheidung des Generalinspekteurs der Bundeswehr Rechnung getragen worden, dass der Inspekteur der Marine auch für den früheren Soldaten als zuständige Einleitungsbehörde bestimmt wurde, um eine disziplinarrechtlich einheitliche Würdigung und eine abgestimmte Verfahrensführung beider Sachen zu befördern. Es entspricht dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung (§ 17 Abs. 1 WDO) und der Prozessökonomie, diese Verfahrenskonzentration im gerichtlichen Verfahren konsequent fortzuführen, zumal die Anschuldigungsschriften gegen Kapitänleutnant ... und Oberbootsmann ... bereits am 17. Juni bzw. beim Truppendienstgericht Nord eingegangen sind. Dadurch ist dieses mit dem Sachverhalt schon länger vertraut, so dass eine zeitnähere Erledigung des Verfahrens auch des früheren Soldaten zu erwarten steht.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2021:251021B2WDB6.21.0
Fundstelle(n):
PAAAH-95193