Reiserecht | Rückzahlungsanspruch der einbehaltenen Stornierungsgebühr bei Pauschalreise auch ohne Reisewarnung des RKI (LG)
Das LG Oldenburg hat der Klage gegen ein Reisebüro auf Rückzahlung der einbehaltenen Stornierungsgebühr für eine Reise nach Südtirol im Frühjahr 2020 überwiegend stattgegeben (LG Oldenburg, Urteil v. - 5 S 127/21, rkr.).
Hintergrund: Vor Reisebeginn kann der Reisende jederzeit vom Vertrag zurücktreten. Tritt der Reisende vom Vertrag zurück, verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Der Reiseveranstalter kann jedoch eine angemessene Entschädigung verlangen, § 651h Abs. 1 BGB.
Sachverhalt und Verfahrensgang: Die Klägerin buchte bei der Beklagten für sich und ihren Lebensgefährten eine Bus-Ski Reise nach Südtirol für den Zeitraum v. bis zum . Der Reisepreis wurde vor Antritt der Reise vollständig gezahlt. Mit E-Mail v. trat die Klägerin unter Berufung auf § 651h BGB und die Corona-Pandemie gegenüber der Beklagten vom Reisevertrag zurück. Aufgrund der kurzfristigen Stornierung der Reise durch die Klägerin war es der Beklagten nicht mehr möglich, die freigewordenen Reiseplätze anderweitig zu vergeben, sodass die Beklagte sowohl die Kosten für die leer gebliebenen Plätze im Bus als auch für das leer gebliebene Hotelzimmer begleichen musste. Die von der Klägerin gebuchte Reise ist durch die Beklagte tatsächlich und vertragsgemäß durchgeführt worden.
Die Beklagte weigerte sich, den vollständigen Reisepreis zu erstatten und behielt Stornierungsgebühren in Höhe von 1.400 € ein. Am erließ der Landeshauptmann für Bozen-Südtirol eine Notverordnung in deren Zusammenhang zum Zwecke des Gesundheitsschutzes unter anderem Kinderbetreuungseinrichtungen, Hochschulen und Museen geschlossen wurden. Mit Mitteilung v. erklärte das Robert-Koch-Institut (RKI) Südtirol zum Risikogebiet.
Das AG Wildeshausen wies mit Urteil v. - 4 C 126/20 die Klage auf Rückzahlung der Stornierungsgebühren ab.
Das LG Oldenburg gab der Berufung der Klägerin im Wesentlichen statt:
Für die Frage des Anspruchs auf Rückerstattung kommt es auf den Zeitpunkt der Stornierung an.
Zu diesem Zeitpunkt ist eine Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise besteht, was die Voraussetzung einer kostenlosen Stornierung ist.
Eine solche erhebliche Beeinträchtigung ist unter Berücksichtigung der sich bereits in Tirol verschärfenden Pandemielage zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung anzunehmen.
Auch ohne Reisewarnung des RKI war ein Rücktritt vorliegend gerechtfertigt. Denn die Infektionswahrscheinlichkeit ist bei Durchführung der Reise gegenüber dem gewöhnlichen Aufenthalt der Reisenden signifikant höher gewesen.
So hätte bei der Busanreise und -abreise, dem Aufenthalt im Hotel, der Gastronomie, beim Anstehen vor den Ski-Liften und beim Transfer zu den Ski-Pisten eine nicht unerhebliche Ansteckungsgefahr der Klägerin durch Kontakt mit einer Vielzahl von Reisenden bestanden.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle: LG Oldenburg, Pressemittelung v. 17.11.2021 (il)
Fundstelle(n):
GAAAH-94895