BGH Beschluss v. - 3 StR 185/21

Wiedereinsetzung im Strafverfahren: Verspäteter Antrag eines Gefangenen auf Vorführung zwecks Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle

Gesetze: § 44 StPO, § 46 StPO, § 299 Abs 1 StPO, § 345 Abs 2 StPO

Instanzenzug: LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 5 Ks 15/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gegen das Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel sowie der von dem Angeklagten zudem gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist haben keinen Erfolg.

21. Der vom Angeklagten selbst gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unzulässig, weil das Rechtsmittel vom Verteidiger rechtzeitig begründet worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 498/20, juris Rn. 2; vom - 2 StR 511/18, BGHR StPO § 341 Frist 2 Rn. 2; vom - 2 StR 416/18, juris Rn. 2; vom - 5 StR 377/17, juris Rn. 1; vom - 4 StR 126/12, juris Rn. 2; vom - 4 StR 553/11, juris Rn. 2).

3Eine Wiedereinsetzung ist hier auch nicht ausnahmsweise - etwa zur Anbringung weiterer Verfahrensrügen oder Gewährung rechtlichen Gehörs - deshalb geboten, weil der in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte geltend macht, er habe seine Revision gemäß § 345 Abs. 2 StPO selbst zu Protokoll der Geschäftsstelle begründen wollen und hierzu einen Antrag auf Vorführung vor das Amtsgericht am Ort seiner Inhaftierung nach § 299 Abs. 1 StPO gestellt, dem aber nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist entsprochen worden sei.

4Denn auch insofern ist der Wiedereinsetzungsantrag unzulässig. Zum einen hat der Angeklagte die versäumte Handlung - eine Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle - entgegen § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht nachgeholt und auch nicht vorgebracht, dass er sich nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist vergeblich weiter um eine Vorführung nach § 299 Abs. 1 StPO zur Anbringung einer weiteren Revisionsbegründung neben derjenigen seines Verteidigers bemüht habe.

5Zum anderen hat der Angeklagte entgegen § 45 Abs. 2 StPO keinen Sachverhalt vorgetragen, aus dem sich sein fehlendes Verschulden (§ 44 Satz 1 StPO) an der Versäumung der Frist ergibt (vgl. zu diesem Darlegungserfordernis BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 129/17, NStZ-RR 2017, 285; vom - 1 StR 74/14, juris Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 45 Rn. 5a). Vielmehr trifft den Angeklagten schon nach seinem Vorbringen eigene Schuld daran, dass er seine Revision nicht fristgemäß zu Protokoll der Geschäftsstelle begründet hat. Denn die Revisionsbegründungsfrist lief - wie dem Angeklagten bekannt war - am ab. Er hat jedoch erst am und damit zwei Tage vor Fristablauf in der Justizvollzugsanstalt, in der er inhaftiert ist, um eine Vorführung an das örtliche Amtsgericht nach § 299 Abs. 1 StPO ersucht. Dies war eingedenk der von der Justizvollzugsanstalt und dem zuständigen Gericht zu treffenden organisatorischen Vorkehrungen offensichtlich zu spät (vgl. (4) 1 Ss 249/08, NStZ-RR 2009, 19; 1 Vollz (Ws) 248/15, NStZ-RR 2015, 327; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 44 Rn. 12c, § 299 Rn. 8).

6Zwar darf eine Rechtsmittelfrist grundsätzlich bis zum letzten Tag ausgeschöpft werden (vgl. , BVerfGE 69, 381, 385; , juris Rn. 6). Allerdings hat der Rechtsmittelführer dabei den zeitlichen und organisatorischen Aufwand in Rechnung zu stellen, dessen es bedarf, damit die Rechtsmittelerklärung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form innerhalb der Frist gegenüber der zuständigen Stelle abgegeben wird. Ein inhaftierter Rechtsmittelführer kann wegen des jeweiligen organisatorischen Aufwands für die Justizvollzugsanstalt und das Gericht nicht darauf vertrauen, dass ihm zu jeder Zeit und innerhalb kürzester Frist auf ein Rechtsmittel bezogene Erklärungen gemäß § 299 Abs. 1 StPO zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk er untergebracht ist, ermöglicht werden können (, juris Rn. 6; (4) 1 Ss 249/08, NStZ-RR 2009, 19; 1 Vollz (Ws) 248/15, NStZ-RR 2015, 327; , juris). Eine Beeinträchtigung der Prozessgrundrechte eines inhaftierten Rechtsmittelführers aus Art. 103 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG ist damit nicht verbunden; auch einem Inhaftierten ist es zuzumuten, die ihm möglichen Maßnahmen zur Vermeidung anstaltsbedingter Verzögerun-gen bei der fristgebundenen Rechtsmittelbegründung zu ergreifen (vgl. , juris Rn. 3; , juris Rn. 6).

72. Die Revision ist aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom dargelegten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Das Vorbringen in der Gegenerklärung des Verteidigers des Angeklagten vom greift demgegenüber nicht durch.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:140721B3STR185.21.0

Fundstelle(n):
BAAAH-94100