BGH Beschluss v. - 5 StR 247/21

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Überleitung des Strafverfahrens in ein Sicherungsverfahren nach Zulassung der Anklageschrift und Eröffnung des Hauptverfahrens

Gesetze: § 200 StPO, § 207 StPO, § 413 StPO, §§ 413ff StPO, § 414 Abs 2 StPO, § 63 StGB, § 64 StGB

Instanzenzug: Az: 512 KLs 26/20

Gründe

1Das Landgericht hat die Unterbringung der „Beschuldigten“ in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Angeklagten, die neben der allgemeinen Sachrüge eine verfahrensrechtliche Beanstandung erhebt. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts, weil die Voraussetzungen für eine Entscheidung im Sicherungsverfahren nicht vorgelegen haben.

21. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

3Die Staatsanwaltschaft beantragte am , die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus selbständig im Sicherungsverfahren anzuordnen. Da nach dem im Ermittlungsverfahren eingeholten vorbereitenden psychiatrischen Gutachten die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten bei Tatbegehung zwar erheblich herabgesetzt, aber nicht aufgehoben gewesen sei, bat der Vorsitzende der Strafkammer die Staatsanwaltschaft um „Abänderung der Antragsschrift im Sicherungsverfahren in eine Anklage“, weil neben der Unterbringung auch eine Verurteilung in Betracht komme. Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin unter dem Anklage wegen versuchter schwerer Brandstiftung, Körperverletzung sowie wegen Sachbeschädigung in zwei Fällen erhoben und die Antragsschrift zurückgenommen. Am hat das Landgericht das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen.

4Nach der Vernehmung des psychiatrischen Sachverständigen am dritten Hauptverhandlungstag hat die Strafkammer den Übergang „ins Sicherungsverfahren“ beschlossen. Durch das Urteil hat das Landgericht lediglich die Unterbringung der „Beschuldigten“ angeordnet.

52. Die selbständige Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB im Sicherungsverfahren begegnet - wie mit der Verfahrensrüge zu Recht beanstandet - durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:

„Die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus ist rechtsfehlerhaft erfolgt.

Die Überleitung des Strafverfahrens in ein Sicherungsverfahren nach § 413 ff. StPO ist nach Zulassung der Anklageschrift und Eröffnung des Hauptverfahrens nicht möglich; vielmehr ist der Angeklagte im Falle der Schuldunfähigkeit freizusprechen und gegebenenfalls im Strafverfahren nach §§ 63, 64 StGB unterzubringen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 6 StR 152/21 -, NStZ-RR 2021, 221; und vom - 5 StR 266/16 -, NStZ 2016, 693; Urteil vom - 2 StR 498/00 -, BGHSt 46, 345; KK-Maur, 8. Aufl. 2019, StPO § 416 Rdnr. 9; BeckOK StPO/Temming, 39. Ed. , § 413 Rdnr. 9). Insbesondere kann die Anklageschrift nach § 200 StPO nicht die als Prozessvoraussetzung für das Sicherungsverfahren erforderliche Antragsschrift nach § 414 Abs. 2 StPO ersetzen ( -, Rdnr. 4, juris). Die zunächst erhobene Antragsschrift hatte die Staatsanwaltschaft mit Erhebung der Anklage und vor Eröffnung des Hauptverfahrens zurückgenommen. (...)

Einer Einstellung des Verfahren[s] nach §§ 260 Abs. 3, 206a Abs. 1 StPO bedarf es hingegen nicht. Da die Überleitung in das Sicherungsverfahren unzulässig war, kann die Sache weiterhin als Strafverfahren durchgeführt werden (vgl. -, NStZ 2010, 228, 229). Insofern liegen alle Verfahrensvoraussetzungen vor.“

Dem schließt sich der Senat an.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:180821B5STR247.21.0

Fundstelle(n):
IAAAH-94099