Strafzumessung: Revisionsgerichtliche Überprüfung; Darlegung der Strafzumessungserwägungen in den Urteilsgründen durch das Tatgericht
Gesetze: § 267 Abs 3 S 1 StPO, § 337 StPO, § 46 StGB
Instanzenzug: Az: 506 KLs 28/18
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verstoßes gegen Weisungen der Führungsaufsicht und wegen eines sexuellen Übergriffs mit Gewalt in Tateinheit mit Amtsanmaßung und mit Missbrauch von Titeln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene, zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die auf den Rechtsfolgenausspruch (mit Ausnahme der für Fall II.1 verhängten Strafe) beschränkt ist. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
I.
2Nach den Feststellungen des Landgerichts stand der im Jahr 2012 unter anderem wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilte Angeklagte nach Vollverbüßung dieser Strafe seit Februar 2018 unter Führungsaufsicht. Mit dem Führungsaufsichtsbeschluss wurde der vielfach vorbestrafte Angeklagte der Aufsicht und Leitung des örtlich zuständigen Bewährungshelfers unterstellt, bei dem er sich einmal monatlich zu melden hatte. Zudem erhielt er u.a. nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB die Weisungen, „keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, weil Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung von Straftaten beitragen wird“, und sich einmal monatlich Alkohol- und Suchtmittelkontrollen zu unterziehen. In dem Beschluss wurde ausdrücklich auf die Folgen eines Verstoßes gegen die strafbewehrten Weisungen nach § 68b Abs. 1 StGB hingewiesen.
3Im Juni und August 2018 nahm der Angeklagte die Termine bei seiner Bewährungshelferin nicht wahr, nachdem er bereits zuvor den Alkohol- und Suchtmittelkontrollen trotz wiederholter Aufforderungen nicht nachgekommen war. Beginnend am trank er bis in die frühen Morgenstunden des Bier und gefährdete hierdurch den Zweck der Maßregel (Fall II.1).
4Gegen 3.40 Uhr sprach der Angeklagte die alkoholisierte spätere Geschädigte an. Er gab sich ihr gegenüber als Kriminaloberkommissar aus, zeigte ihr zur Untermauerung seiner Behauptung die Visitenkarte eines Beamten des Landeskriminalamtes und erklärte, es liege „etwas“ gegen sie vor. In dem Wissen, dass sie nur aufgrund der Täuschung, er sei Kriminalbeamter, seiner Aufforderung nachkam, ihm zu folgen, führte er sie zu einer Parkbank. Unter Aufrechterhaltung seiner Legende gab er vor, dazu befugt zu sein, sie an Händen und Oberarmen festzuhalten und nachfolgende Handlungen vorzunehmen. Er führte ihre Hand oberhalb seiner Kleidung an den Penis, berührte ihre Brüste unter dem Pullover oberhalb des BHs und küsste ihr Gesicht. Weiterhin fasste er in ihre Hose und Unterhose, wobei er ihre Vagina oberhalb der Schamlippen berührte. Ihr entgegenstehender Wille war ihm bewusst. Schließlich gelang es ihr, sich loszureißen und zu flüchten. Der Angeklagte hatte zur Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration von maximal 1,7 Promille (Fall II.2).
II.
5Die auf den Rechtsfolgenausspruch - mit Ausnahme der für Fall II.1 verhängten Strafe - beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
61. Die Strafzumessung zu Fall II.2 weist keinen Rechtsfehler auf.
7a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (st. Rspr.; vgl. , NStZ-RR 2017, 105, 106; vom - 1 StR 606/16; vom - 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240; vom - 5 StR 230/53, BGHSt 5, 57, 59; Beschluss vom - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Das Tatgericht ist lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Die Bewertungsrichtung und das Gewicht der Strafzumessungstatsachen bestimmt in erster Linie das Tatgericht, dem hierbei von Rechts wegen ein weiter Entscheidungs- und Wertungsspielraum eröffnet ist (st. Rspr.; vgl. , NJW 2018, 2210, 2211 f.; vom - 1 StR 414/15, NStZ-RR 2016, 107).
8b) Gemessen daran hält die Bemessung der Einzelstrafe für Fall II.2 revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Sie ist insbesondere nicht lückenhaft.
9aa) Die Strafkammer hat das trickreiche Vorgehen des Angeklagten, mit dem er sich durch das täuschende Einwirken auf das Vorstellungsbild der Geschädigten eine Tatgelegenheit geschaffen hat, die vielfachen, insbesondere auch einschlägigen Vorstrafen und die Entlassung des Angeklagten erst im Februar 2018 nach sechsjähriger Haftstrafe sowie die Verletzung mehrerer Strafgesetze durch eine Tathandlung zu seinen Lasten berücksichtigt. Demgegenüber hat es die alkoholbedingte Enthemmung des Angeklagten zu seinen Gunsten angeführt.
10bb) Zwar ist der von der Staatsanwaltschaft vermisste Umstand, dass der Angeklagte den alkoholbedingt enthemmten Zustand selbstverantwortlich in Kenntnis entsprechender Risiken herbeigeführt hat, bei der Strafzumessung für Fall II.2 nicht noch einmal ausdrücklich angeführt worden. Daraus kann aber nicht ohne Weiteres geschlossen werden, das Landgericht habe diese Umstände nicht gesehen oder nicht gewertet (vgl. ; vom - 4 StR 216/14; Beschluss vom - 5 StR 172/20). Angesichts der ausführlichen Begründung des Verstoßes gegen die Abstinenzweisung und des unmittelbaren Einmündens dieser Straftat in Tat II.2 besorgt der Senat nicht, dass das Tatgericht diesen Umstand aus dem Blick verloren hat.
112. Die Gesamtstrafenbildung und das Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung weisen demgemäß ebenfalls keinen Rechtsfehler auf.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:240621U5STR545.20.0
Fundstelle(n):
QAAAH-94092