Umsatzsteuer | Kleinunternehmerregelung im Jahr der Neugründung, Steuerbefreiung von Intensivpflegeleistungen (BFH)
In Kalenderjahren, in denen der Unternehmer sein Unternehmen beginnt, ist die Umsatzgrenze für das vorangegangene Kalenderjahr i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG maßgeblich. Intensivpflegeleistungen, die eine GmbH durch ihren Gesellschafter-Geschäftsführer, einem examinierten Kranken- und Intensivpfleger, in Krankenhäusern ihrer Auftraggeberin ausführt, sind nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG von der Umsatzsteuer befreite Heilbehandlungsleistungen (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Die Klägerin, eine GmbH, erbringt u.a. Gesundheitsdienstleistungen. Im Streitjahr 2012 erbrachte sie aufgrund eines Dienstleistungsvertrags in der Zeit v. bis Intensivpflegeleistungen im Schichtdienst nach Absprache für die X-GmbH (X); sie rechnete hierfür 15.179 € ab. Die Leistungen wurden allein von ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer, einem examinierten Kranken- und Intensivpfleger, in den Krankenhäusern der X ausgeführt. Dieser war bei der Klägerin angestellt und erzielte aus diesem Beschäftigungsverhältnis lohnsteuerabzugspflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; vor Gründung der GmbH übte er die Tätigkeit als Krankenpfleger selbständig aus.
Die Klägerin, die die Anwendung der Kleinunternehmerregelung i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung (a.F.) beansprucht, gab in ihrer Umsatzsteuererklärung vom umsatzsteuerpflichtige Leistungen zum Regelsteuersatz in Höhe von 1.020 € sowie gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStG a.F. nicht zum Gesamtumsatz zu rechnende (nach § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreite) Umsatzerlöse in Höhe von 15.179 € an.
Das FA vertrat die Ansicht, dass die als steuerfrei deklarierten Umsätze nicht von der Umsatzsteuer befreit sind. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg ().
Die Richter des BFH hoben das Urteil auf und wiesen die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück:
Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. sind erfüllt.
Vorliegend ist der tatsächliche Gesamtumsatz nach § 19 Abs. 3 Satz 3 UStG in einen Jahresgesamtumsatz umzurechnen, da die Klägerin ihre gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt hat.
Die den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Kalenderjahres betreffende Grenze findet in Kalenderjahren, in denen - wie hier die Klägerin - der Unternehmer sein Unternehmen beginnt, keine Anwendung. In diesen Fällen ist die Umsatzgrenze für das vorangegangene Kalenderjahr (hier 17.500 € gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F.) maßgeblich.
Danach läge im Streitfall der umgerechnete Jahresgesamtumsatz über der im Streitjahr nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. maßgeblichen Umsatzgrenze von 17.500 €, falls die Umsätze der GmbH steuerpflichtig wären.
Entscheidend ist somit, ob vom (tatsächlichen) Gesamtumsatz gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStG a.F. die erbrachten Intensivpflegeleistungen steuerfrei (§ 4 Nr. 14 Buchst. a UStG) sind.
Das ist hier der Fall: Der BFH hat im Anschluss an die EuGH-Rechtsprechung bereits entschieden, dass arztähnliche Leistungen, z.B. von examinierten Krankenpflegern, ebenfalls Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sein können, wenn sie zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose oder Therapie erbracht werden (vgl. „Kügler“, Rz 40 f.; , BStBl II 2004, 849, unter II.1.).
Auch nach Auffassung der Verwaltung übt ein examinierter Krankenpfleger eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit i.S. des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG aus (vgl. Abschn. 4.14.4 Abs. 11 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStAE).
Darüber hinaus erlangt die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL auch für Heilbehandlungsleistungen, die ausschließlich in den Räumen eines Krankenhauses erbracht werden, Geltung.
Danach sind die Leistungen der Klägerin nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL umsatzsteuerfrei.
Jedoch kann der Senat auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Umsatzsteuer für das Streitjahr - dem Begehren der Klägerin entsprechend - in der Sache auf 0 € herabzusetzen ist.
Anmerkung von Prof. Dr. Alois Nacke, Richter im XI. Senat des BFH:
Die Entscheidung ist für die Praxis von Bedeutung. Der BFH hat zu der Anwendung der Kleinunternehmerregelung in § 19 UStG entschieden. Mit dieser Entscheidung hat der BFH geklärt, dass der tatsächliche Gesamtumsatz nach § 19 Abs. 3 Satz 3 UStG in einen Jahresgesamtumsatz umzurechnen ist, wenn der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt hat.
Überdies hat der BFH entschieden, dass die den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Kalenderjahres betreffende Grenze (hier 50.000 € gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F.) keine Anwendung in Kalenderjahren findet, in denen - wie hier die Klägerin im Besprechungsfall - der Unternehmer sein Unternehmen beginnt. Dann gilt die Umsatzgrenze für das vorangegangene Kalenderjahr (hier 17.500 € gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. ; ab : 22.000 €). Damit hat der XI. Senat entgegen der Kritik in der Literatur eine schon 14 Jahre alte Rechtsprechung bestätigt.
Da umsatzsteuerfreie Leistungen aus der Berechnung herauszunehmen sind, hat der BFH insoweit auch über diese zu entscheiden gehabt. Intensivpflegeleistungen, die eine GmbH durch ihren Gesellschafter-Geschäftsführer, einem examinierten Kranken- und Intensivpfleger, in Krankenhäusern ihrer Auftraggeberin ausführt, sind steuerfrei und damit aus der Berechnung herauszurechnen.
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
DAAAH-93551