Online-Nachricht - Freitag, 15.10.2021

Verfahrensrecht | Bescheidänderung bei falscher zeitlicher Zuordnung von Hinzuschätzungsbeträgen (FG)

Wird ein Hinzuschätzungsbetrag zunächst auf mehrere Jahre verteilt, obwohl eine Erfassung des Gesamtbetrages nur in einem Jahr zutreffend wäre, ist der Bescheid dieses Jahres nach § 174 Abs. 4 AO änderbar (,F).

Sachverhalt: Die Klägerin, eine GbR, erzielt gewerbliche Einkünfte aus einem Kraftfahrzeughandel. Eine bei ihr durchgeführte Betriebsprüfung stellte ungeklärte Bareinzahlungen auf das betriebliche Bankkonto fest und führte eine Bargeldverkehrsrechnung durch, die zu Unterdeckungen führte. Im Rahmen der Schlussbesprechung einigte man sich auf einen hinzuzuschätzenden Gesamtbetrag von 150.000 €, der gleichmäßig auf die Prüfungsjahre 2008 bis 2010 zu verteilen sei. Das Finanzamt erließ daraufhin entsprechende Feststellungs- und Gewerbesteuermessbescheide. Gegen die Bescheide für die Jahre 2009 und 2010 legte die Klägerin Einsprüche ein mit der Begründung, dass für 2008 festgestellte Fehlbeträge keine Hinzuschätzungen für diese Jahre rechtfertigen könnten. Dem folgte das Finanzamt und half den Einsprüchen durch Erlass von Änderungsbescheiden ab. Zugleich änderte das Finanzamt die zwischenzeitlich bestandskräftigen Bescheide für 2008 gem. § 174 Abs. 4 AO dahingehend, dass es nunmehr in diesem Jahr den gesamten Hinzuschätzungsbetrag von 150.000 € berücksichtigte. Hiergegen wandte die Klägerin ein, dass die Voraussetzungen der Änderungsvorschrift nicht vorlägen.

Die Klage hatte keinen Erfolg:

  • Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO liegen im Streitfall vor. Danach können, wenn auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten geändert wird, aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden.

  • Der Umstand, dass die Klägerin Einnahmen erzielt, aber nicht erklärt hat, stelle einen bestimmten Sachverhalt i. S. dieser Vorschrift dar. Dieser Sachverhalt ist vom Finanzamt im Hinblick auf die zeitliche Zuordnung des Hinzuschätzungsbetrags irrig beurteilt worden, da im Jahr 2008 erwirtschaftete Einnahmen nicht den Folgejahren zuzurechnen sind. Die Gesamthöhe der festgestellten Fehlbeträge von 150.000 € ist hingegen nicht irrig beurteilt worden. Gerade die irrige Beurteilung der falschen zeitlichen Zuordnung und nicht etwa die Änderung der Schätzungsmethode hat zum Erfolg der Einsprüche für die Jahre 2009 und 2010 geführt.

  • Der Senat hat im Rahmen seiner eigenen Schätzungsbefugnis die vom Finanzamt durchgeführte Schätzung übernommen, da allein auf dem betrieblichen Bankkonto der Klägerin ungeklärte Bargeldzuflüsse in Höhe von 225.000 € zu verzeichnen sind. Dies lässt den Rückschluss zu, dass diese auf nicht versteuerten Einnahmen beruhen.

Hinweis

Das vollständige Urteil ist auf der Homepage des FG Münster veröffentlicht. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.

Lesetipp: NWB Sonderausgabe "Hinzuschätzungen in der Betriebsprüfung erfolgreich abwehren, Februar 2020"

Quelle: FG Münster Newsletter v. (JT)

Fundstelle(n):
DAAAH-92741