Einkommensteuer | Zuteilung von Aktien durch ausländischen "Spin-Off" II (BFH)
Teilt eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft inländischen Anteilseignern im Wege eines sog. "Spin-Off" Aktien ihrer US-amerikanischen Tochtergesellschaft zu, kann dies grundsätzlich zu Kapitaleinkünften i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG führen, soweit keine Abspaltung i. S. des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG vorliegt (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Der Kläger hielt Aktien der Hewlett-Packard Company (HPC), einer Kapitalgesellschaft nach dem Recht des US-Bundesstaats Delaware. Nachdem die HPC in Hewlett-Packard Inc. (HPI) umbenannt und das Unternehmenskundengeschäft der HPI auf ihre Tochtergesellschaft Hewlett-Packard Enterprise Company (HPE) übertragen worden war, erhielten die Aktionäre im Rahmen eines sog. "Spin-Off" Aktien der HPE. Diese buchte die Bank des Klägers in dessen Depot ein. Der Kläger war nunmehr im selben Verhältnis an beiden Gesellschaften beteiligt. Das Finanzamt (FA) behandelte die Aktienzuteilung beim Kläger als steuerpflichtigen Kapitalertrag. Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt.
Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG und wies die Revision des FA zurück:
Die Zuteilung der HPE-Aktien von der HPI an die Kläger führt bei isolierter Betrachtung zu einem Kapitalertrag i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, für den der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) das Besteuerungsrecht zusteht.
Die Aktienzuteilung im Rahmen eines US-amerikanischen "Spin-Off" ist nach § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG steuerneutral, wenn die "wesentlichen Strukturmerkmale" einer Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG erfüllt sind.
Die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV gebietet eine Erstreckung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG auch auf ausländische Vorgänge.
Der Begriff der "Abspaltung" i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG ist typusorientiert auszulegen. Danach ist in Drittstaatenfällen ein gesetzlicher Vermögensübergang durch partielle Gesamtrechtsnachfolge nicht erforderlich (entgegen BMF, Scheiben v. - IV C 1 - S 2252/08/10004 :017; Rz 115 i.V.m. b/08/10001; Rz 01.36).
Entscheidend bei einer "Abspaltung" i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG ist, dass die Übertragung der Vermögenswerte in einem einheitlichen "zeitlichen und sachlichen Zusammenhang" mit der und gegen die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt.
Rechtsfolge der Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG ist, dass die Einbuchung der aufgrund des „Spin-Off“ erhaltenen Aktien im Depot des Klägers nicht zu einem steuerpflichtigen Kapitalertrag führt. Erst im Zeitpunkt einer späteren Veräußerung der Aktien der HPE bzw. HPI sind etwaige Veräußerungsgewinne zu versteuern.
Im Besprechungsfall hatten die Kläger 2015 (Streitjahr) über ihre Depotbank Aktien der Hewlett-Packard Company (HPC) gehalten. Nachdem die HPC in Hewlett-Packard Inc. (HPI) umbenannt worden war, übertrug die HPI das Unternehmenskundengeschäft auf die Hewlett-Packard Enterprise Company (HPE), eine Tochtergesellschaft und ebenfalls Kapitalgesellschaft nach dem Recht des US-Bundesstaats Delaware. Die Aktionäre erhielten sodann für eine alte Aktie der HPC eine Aktie der umbenannten HPI. Zusätzlich teilte ihnen die HPI ihre bereits an der HPE gehaltenen Anteile zu, so dass die Aktionäre fortan im selben Verhältnis an den beiden Gesellschaften - der HPI und der HPE - beteiligt waren. Die Depotbank der Kläger hatte insofern keine Steuerbeträge einbehalten, wies jedoch in der Jahressteuerbescheinigung für das Streitjahr die zugeteilten HPE-Aktien als steuerpflichtigen Kapitalertrag aus. Die Kläger, nach deren Auffassung die Zuteilung der HPE-Aktien steuerneutral zu behandeln sei, setzten in ihrer Einkommensteuererklärung entsprechend niedrigere Kapitaleinkünfte an. Das FG gab der Klage statt. Der VIII. Senat des BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück. Er ordnete die Zuteilung der HPE-Aktien nicht als steuerpflichtige Sachausschüttung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sondern nach der Sondervorschrift des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG als steuerneutralen Kapitalertrag ein. Nach dem Besprechungsurteil findet § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG nach den Vorgaben der Kapitalverkehrsfreiheit in Art. 63 AEUV auch Anwendung auf Kapitalmaßnahmen von Drittstaatenkapitalgesellschaften (hier: US-Kapitalgesellschaften). Das Merkmal der „Abspaltung“ ist nach dem Besprechungsurteil bei Drittstaatenkapitalgesellschaften typusorientiert („dem Wesen einer Abspaltung nach“) auszulegen. Kennzeichnend für eine inländische Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG ist die Übertragung von Vermögensteilen des übertragenden Rechtsträgers aufgrund eines Rechtsgeschäfts gegen Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaftsrechten des übernehmenden oder neuen Rechtsträgers an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers ohne liquidationslose Auflösung des übertragenden Rechtsträgers. Entscheidend bei einer "Abspaltung" i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG ist nach der vom VIII. Senat formulierten typusorientierten Definition für Drittstaatenabspaltungen, dass die Übertragung der Vermögenswerte in einem einheitlichen "zeitlichen und sachlichen Zusammenhang" mit der und gegen die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt. Diese Voraussetzungen können auch durch eine „Abwärtsabspaltung“ wie im Streitfall erfüllt werden. Nicht erforderlich ist nach der typusorientierten Betrachtung des BFH, dass nach dem ausländischen Recht ein gesetzlicher Vermögensübergang wie im Inlandsfall durch partielle Gesamtrechtsnachfolge stattfindet (entgegen BMF, Scheiben v. , BStBl I 2016, 85, Rz 115 i.V.m. BStBl I 2011, 1314, Rz 01.36).
Die vom BFH entwickelte typusorientierte Betrachtungsweise des Abspaltungsmerkmals ermöglicht es meines Erachtens gut, Anteilsgewährungen aufgrund einer Abspaltung i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG, die Gegenleistung für die Übertragung von Vermögen sind, von Anteilszuteilungen ohne Gegenleistungsfunktion i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG, die Sachausschüttungen sind, abzugrenzen (vgl. auch Online-Nachricht v. 14.10.2021 zum BFH, Urteil v. 4.5.2021 - VIII R 14/20 zu einem EU-Fall). Rechtsfolge gemäß § 20 Abs. 4a Satz 7 i.V.m. Satz 1 EStG ist, dass die Zuteilung von Aktien der vermögensempfangenden Gesellschaft an die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft nicht als steuerpflichtige Sachausschüttung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG zu behandeln ist und insgesamt keine Besteuerung, d.h. auch keine Veräußerung der Anteile am übertragenden Rechtsträger aufgrund der Wertabspaltung gemäß § 20 Abs. 2 satz 1 Nr. 1 EStG auslöst. Erst im Zeitpunkt einer späteren Veräußerung der empfangenen Aktien an der übernehmenden Gesellschaft oder der verbliebenen Aktien an der übertragenden Gesellschaft gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 (ggf. i.V.m. Abs. 2 Satz 2) EStG sind etwaige Veräußerungsgewinne zu besteuern. Für die späteren Veräußerungsvorgänge ist allerdings zu beachten, dass aufgrund der Abspaltung die empfangenen Aktien an der aufnehmenden Gesellschaft steuerlich - anteilig - an die Stelle der bereits gehaltenen Aktien an der übertragenden Gesellschaft treten und deren Anschaffungskosten - anteilig - übernehmen. Zu dem den Aufteilungsmaßstab für die Anschaffungskosten der Aktien an dem übertragenden Rechtsträger auf diese und die Aktien der aufnehmenden Gesellschaft im Zeitpunkt der Abspaltung hat der BFH sich im Besprechungsfall nicht geäußert.
Quelle: ; NWB Datenbank; BFH Pressemitteilung v. (JT)
Fundstelle(n):
NWB GAAAH-92672