BVerwG Beschluss v. - 4 AV 2/12

Zuständigkeit für die Bestellung eines Notanwalts; Außenwirkung der Kündigung des Prozessvertretungsvertrages

Leitsatz

Zuständiges Prozessgericht für die Entscheidung über einen Antrag auf Bestellung eines Notanwalts nach Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und noch nicht erfolgter Vorlage ist das Bundesverwaltungsgericht.

Gesetze: § 173 S 1 VwGO, § 67 Abs 4 VwGO, § 87 Abs 1 ZPO

Instanzenzug: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Az: 1 B 11.2471 Urteilvorgehend Az: M 11 K 07.2972

Gründe

I.

1Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer vom Landratsamt ... gegenüber den Antragstellern zu 2) und 3) erlassenen Teilbeseitigungsverfügung in Bezug auf einen von diesen auf ihrem Grundstück errichteten überdachten Stellplatz bzw. eine gegenüber der Antragstellerin zu 1) erlassene Duldungsanordnung sowie die Androhung entsprechender Zwangsgelder durch Bescheid vom . Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos. Die Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom (VGH 1 B 11.2471) nicht zugelassen. Das Urteil ging den seinerzeitigen Bevollmächtigten der Antragsteller am zu.

2Mit Schreiben vom bestellten sich die Rechtsanwälte ... unter Vorlage entsprechender Prozessvollmachten als Prozessbevollmächtigte für die Antragsteller und erhoben in deren Namen und Auftrag Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision. Die Begründung blieb einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten.

3Durch ein sowohl an den Verwaltungsgerichtshof als auch an das Bundesverwaltungsgericht gerichtetes Schreiben vom beantragten die Antragsteller die Beiordnung eines Notanwalts zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Beschwerdeverfahren. Trotz intensiver Bemühungen hätten sie keinen Rechtsanwalt gefunden, der bereit gewesen sei, sie in diesem Verfahren zu vertreten. Die bisherigen Bevollmächtigten würden sie nicht mehr vertreten, weil eine Einigung über den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung nicht zustande gekommen sei. Die Rechtsverfolgung sei weder aussichtslos noch mutwillig. Vielmehr leide das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs an entscheidungserheblichen Verfahrensfehlern.

4Auf entsprechende Anfrage des Verwaltungsgerichtshofs vom teilten die Prozessbevollmächtigten der Antragsteller mit Schriftsatz vom mit, dass aufgrund von Differenzen über eine Honorarvereinbarung das Mandat niedergelegt worden sei.

5Mit Beschluss vom lehnte der Verwaltungsgerichtshof den Antrag auf Bestellung eines Notanwalts ab, weil sich die Antragsteller innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist entgegen § 78b Abs. 1 ZPO nicht ausreichend um eine neue anwaltliche Vertretung bemüht hätten. Durch Beschluss vom gleichen Tag entschied der Verwaltungsgerichtshof, der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht abzuhelfen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ging am beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6Unter dem wiederholten die Antragsteller ihren Antrag vom gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom sei unbeachtlich, denn für die Entscheidung über ihren Antrag sei im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision das Bundesverwaltungsgericht als Prozessgericht zuständig.

II.

7Der Antrag der Antragsteller, ihnen für das Beschwerdeverfahren einen Notanwalt gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 78b Abs. 1 ZPO beizuordnen, bleibt ohne Erfolg.

8Nach § 78b Abs. 1 ZPO hat das Prozessgericht, insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Diese Vorschrift ist gemäß § 173 Satz 1 VwGO auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wegen des dort geltenden Vertretungszwangs (§ 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO) sinngemäß anzuwenden. Prozessgericht ist dabei das Gericht, bei dem das Verfahren, für das der Vertretungszwang besteht, bereits anhängig ist oder anhängig gemacht werden soll (Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 78b Rn. 10). Das ist vorliegend das Bundesverwaltungsgericht (vgl. BFH, Beschlüsse vom - VI B 19/95 - BFH/NV 1995, 912 <juris Rn. 4> und vom - III S 6/77 - BFHE 123, 433 <juris Rn. 6>; siehe auch BVerwG 6 AV 2.98 - Buchholz 303 § 719 ZPO Nr. 1 <juris Rn. 3 f.>, der dort in Bezug auf § 719 Abs. 2 ZPO entwickelte Rechtsgedanke lässt sich auch auf das Verfahren nach § 78b Abs. 1 ZPO im Falle einer Nichtzulassungsbeschwerde übertragen). Hieraus folgt, dass der Verwaltungsgerichtshof den Antrag der Antragsteller vom nicht als unbegründet, sondern bereits als unzulässig hätte ablehnen müssen. Da diese Entscheidung jedoch gemäß § 152 VwGO, der § 78b Abs. 2 ZPO verdrängt, unanfechtbar ist, sieht der Senat keine Möglichkeit, die Entscheidung insofern zu ändern. Das ist aber auch nicht erforderlich, weil dieser Beschluss keine präjudizielle Wirkung für das vorliegende Verfahren hat (vgl. a.a.O.).

9Der danach zulässige Antrag der Antragsteller auf Bestellung eines Notanwalts ist unbegründet, denn die Antragsteller sind im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren anwaltlich vertreten. Zwar haben die bisherigen Bevollmächtigten ausweislich ihres Schreibens vom aufgrund von Differenzen über eine Honorarvereinbarung ihr Mandat niedergelegt. Die Frage, inwieweit die daraus folgende Beendigung (vgl. § 671 Abs. 1 BGB) des Auftrags zur Prozessvertretung bewirkt, dass der Prozessbevollmächtigte nicht mehr im gleichen Umfang wie bisher aktiv für die Antragsteller handeln kann, ist für den vorliegenden Fall jedoch unerheblich. Vielmehr kommt es hier allein darauf an, dass die Kündigung des Prozessvertretungsvertrages gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m § 87 Abs. 1 ZPO im - wie hier - Anwaltsprozess dem Prozessgegner und auch dem Gericht gegenüber erst durch die Anzeige der Bestellung einer anderen gemäß § 67 Abs. 4 VwGO zur Prozessvertretung befugten Person rechtliche Wirksamkeit erlangt ( BVerwG 3 C 83.76 - BVerwGE 55, 193; BVerwG 7 CB 61.76 - BayVBl 1978, 123 <juris Rn. 4>; - NJW 2007, 2124 <juris Rn. 11>). Das bedeutet, dass die Prozessbevollmächtigten der Antragsteller solange gegenüber dem Gericht als bestellt gelten, wie sich für die Antragsteller kein neuer Prozessbevollmächtigter bestellt hat (Bork, a.a.O., § 87 Rn. 14). Bis zu diesem Zeitpunkt sind sie im Außenverhältnis berechtigt und verpflichtet, die Antragsteller im Beschwerdeverfahren zu vertreten ( BVerwG 8 B 74.06 und 8 AV 1.06 - juris Rn. 3). Da sich bisher für die Antragsteller kein neuer Bevollmächtigter bestellt hat, werden diese nach wie vor durch ihre bisherigen Bevollmächtigten vertreten. Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notanwalts liegen daher schon aus diesem Grunde nicht vor.

10Unabhängig davon wäre die Rechtsverfolgung auch aussichtslos i.S.v. § 78b Abs. 1 ZPO, denn die Beschwerdebegründungsfrist nach § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist am abgelaufen, ohne dass die Beschwerde begründet worden ist. Sie ist damit bereits unzulässig. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist nach § 60 VwGO scheidet schon aus Fristgründen aus. Die Bevollmächtigten der Antragsteller sind mit Schreiben des Gerichts vom , das sie ausweislich des Empfangsbekenntnisses am erhalten haben, auf den Fortbestand der Vollmacht hingewiesen worden. Folglich hätte innerhalb eines Monats (§ 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 VwGO) nach Erhalt des Schreibens ein entsprechender Wiedereinsetzungsantrag gestellt und die Beschwerdebegründung nachgeholt werden müssen (§ 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das ist - bis dato - nicht geschehen.

Fundstelle(n):
RAAAH-91854