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Online-Nachricht - Donnerstag, 07.10.2021

Einkommensteuer | Behandlung von Rentenzahlungen aus einem Alt-Vertrag mit Kapitalwahlrecht (BFH)

Rentenzahlungen, die auf einem begünstigten Versicherungsvertrag i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 beruhen, sind insgesamt den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 zuzuordnen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 steuerfrei, soweit die Summe der ausgezahlten Rentenbeträge das in der Ansparzeit angesammelte Kapitalguthaben einschließlich der Überschussanteile nicht übersteigt (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 22 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG sind sonstige Einkünfte Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören. Sie sind damit insbesondere auch gegenüber Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der am geltenden Fassung (EStG 2004), die zu den Einkünften nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 EStG zählen, subsidiär.

Sachverhalt: Streitig ist, ob wiederkehrende Bezüge aus einem privaten Rentenversicherungsvertrag mit Kapitalwahlrecht als Einkünfte aus Kapitalvermögen oder als sonstige Einkünfte zu versteuern sind: Der Kläger schloss im Jahr 1998 einen privaten Rentenversicherungsvertrag mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragszahlung mit abgekürzter Beitragszahlungsdauer ab. Laut Versicherungsschein waren von dem Kläger im Zeitraum vom bis zum fünf jährliche Beitragszahlungen zu leisten. Als Rentenzahlungsbeginn war der mit einer garantierten monatlichen Grundrente und einer nicht garantierten monatlichen Mindestüberschussrente vereinbart. Statt der Rentenzahlung konnte der Kläger eine einmalige Ablaufleistung verlangen.

Die während der Ansparphase erzielten Überschüsse wurden dem Kläger jährlich jeweils am Ende des Versicherungsjahres zugeteilt und verzinslich gutgeschrieben. Sie sollten bei Ausübung des Kapitalwahlrechts zur Erhöhung der Ablaufleistung bzw. bei Bezug von Rentenleistungen zur Finanzierung der Mindestüberschussrente und einer garantierten Bonusrente verwendet werden.

Der Kläger machte von seinem Rentenwahlrecht Gebrauch und erhielt im Streitjahr 2010 einen Betrag in Höhe von X € ausgezahlt. Das FA besteuerte diesen mit dem Ertragsanteil in Höhe von 27 % als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg (Vorinstanz: ).

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Die dem Kläger im Streitjahr zugeflossenen Rentenzahlungen gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004.

  • Aus der in § 22 Nr. 1 EStG angeordneten Subsidiarität folgt, dass Kapitalerträge, die unter § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 fallen, nicht als Leibrenten oder andere Leistungen i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG steuerpflichtig sein können.

  • Das FG der ersten Instanz hat zu Recht entschieden, dass die gesamten dem Kläger zugeflossenen Rentenbezüge einheitlich unter § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 fallen.

  • Sie sind nicht in einen der Ertragsanteilsbesteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG unterliegenden Leibrentenanteil aus der Auszahlungsphase und einen nach Maßgabe des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 steuerlich zu erfassenden Zinsanteil aus der Ansparphase aufzuteilen.

  • Für eine einheitliche steuerrechtliche Zuordnung der gesamten Rentenbezüge zu einer der beiden Einkunftsarten spricht die Einheitlichkeit des den Rentenzahlungen zugrundeliegenden vertraglichen Anspruchs. Der Umstand, dass die Rentenbezüge aus verschiedenen Bestandteilen (Garantierente, Überschussbeteiligung aus der Ansparphase) bestehen, ändert hieran nichts.

  • Zwar führt die einheitliche Zuordnung der Rentenbezüge zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Ergebnis dazu, dass gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 auch die in den Gesamtbezügen enthaltenen Zinsanteile der Auszahlungsphase steuerfrei gestellt werden, bei denen es sich materiell-rechtlich um der Ertragsanteilsbesteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG unterliegende Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen im Sinne der Vorschrift handelt (vgl. , BStBl II 2011, 675).

  • Zu berücksichtigen ist jedoch, dass bei einer Ausübung des Kapitalwahlrechts durch den Kläger die gesamte Versicherungsleistung nicht der Besteuerung unterlegen hätte, da die in der Ansparphase erwirtschafteten Zinsen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 steuerbefreit und der in der Versicherungsleistung enthaltene Kapitalabfindungsbetrag als nicht steuerbare Umschichtung zwischen den Beitragszahlungen und der Ablaufleistung zu behandeln gewesen wäre (vgl. , BStBl II 2006, 245, unter II.3.).

  • Aus Gründen der Gleichbehandlung mit ebenfalls nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 begünstigten Verträgen, bei denen der Steuerpflichtige von seinem Kapitalwahlrecht Gebrauch macht, sind deshalb auch die bei Ausübung des Rentenwahlrechts zufließenden Gesamtbezüge nicht der Besteuerung zu unterwerfen, soweit die Summe der ausgezahlten Rentenbeträge das in der Ansparzeit angesammelte Kapitalguthaben einschließlich der Überschussanteile nicht übersteigt.

  • Das ist vorliegend der Fall. Denn nach den Feststellungen des FG war der dem Kläger im Streitjahr (dem ersten Jahr der Rentenzahlung) zugeflossene Rentenbetrag noch vollumfänglich in dem von der Versicherung mitgeteilten Kapitalabfindungsbetrag enthalten.

Anmerkung von Dr. Christian Levedag, Richter im VIII. Senat des BFH:

Mit dem Besprechungsurteil v. - VIII R 4/18 hat der VIII. Senat das Verhältnis der Steuerbefreiung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 zur Ertragsanteilsbesteuerung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG für sog. Altrentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht (Abschluss und erste Beitragszahlung vor dem , zur weiteren Anwendung des EStG 2004 siehe § 52 Abs. 28 Satz 5 EStG in der aktuellen Fassung) geklärt, soweit es sich um Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. cc EStG 2004 handelt.

Erste zentrale Aussage der Entscheidung ist, dass das Erfordernis der „laufenden Beitragszahlung“ - wie auf Grundlage der einschlägigen BMF-Schreiben in der Vergangenheit praktiziert (, BStBl I 2002, 827, Rz 12),- auch aus Sicht des BFH erfüllt ist, wenn die Dauer der Beitragsleistung kürzer als die Vertragsdauer ist und eine laufende Beitragsleistung von mindestens fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbart wurde. Für die Steuerbefreiung der rechnungs- und außerrechnungsmäßigen Zinsen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 darf zudem das Kapitalwahlrecht nicht vor Ablauf von zwölf Jahren seit Vertragsschluss ausgeübt werden können.

Zweite zentrale Aussage der Besprechungsentscheidung ist, dass die Steuerbefreiung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 auf die Rentenzahlungen anzuwenden ist, wenn der Kläger von seinem Kapitalwahlrecht keinen Gebrauch gemacht hat und die Versicherungsleistung in Gestalt wiederkehrender Bezüge ausgezahlt wird. Die Ertragsanteilsbesteuerung des Zinsanteils, der aufgrund der gestreckten Auszahlung der Versicherungsleistung in den Rentenzahlungen grundsätzlich enthalten ist (vgl. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG), wird wegen der Subsidiarität der sonstigen Einkünfte gegenüber den Kapitaleinkünften (vgl. § 22 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG) von einer einheitlichen Besteuerung der Rentenbezüge gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 verdrängt.

Aus Sicht des VIII. Senats fallen im Besprechungsfall die gesamten dem Kläger im Streitjahr 2010 zugeflossenen Einkünfte in den Rentenbezügen (bestehend aus Garantierente, Überschussbeteiligung aus der Anspar- und Rentenphase), im Ergebnis einheitlich unter die Steuerbefreiung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004.

Kernargumente für die Anwendung der Steuerbefreiung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG ist nach dem Besprechungsurteil der Umstand, dass sämtliche Komponenten, die in den Rentenbezügen enthalten sind, auf einem einheitlichen Versicherungsanspruch beruhen und die gesamte Versicherungsleistung bei einer Ausübung des Kapitalwahlrechts nicht der Besteuerung unterlegen hätte. Denn die in der Ansparphase erwirtschafteten Zinsen wären im Zeitpunkt der Auszahlung als Teil der Versicherungsleistung (des Kapitalabfindungsbetrags) gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 steuerbefreit.

Allein die Wahl, sich den „steuerfreien Kapitalabfindungsbetrag“ in wiederkehrenden Renten auszahlen zu lassen, könne die Steuerbefreiung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG aber nicht ausschließen und zu einer Ertragsanteilsbesteuerung der Renten führen, da es sich um eine Auszahlungsmodalität handele. Auch bei Ausübung des Rentenwahlrechts müssten die Gesamtbezüge steuerfrei gestellt werden, soweit die Summe der ausgezahlten Rentenbeträge das in der Ansparzeit angesammelte Kapitalguthaben einschließlich der Überschussanteile nicht übersteige.

Zur Klarstellung sei abschließend darauf hingewiesen, dass die Entscheidung die gefestigte Rechtsprechung des X. Senats unberührt lässt, dass im Fall einer Besteuerung von Rentenzahlungen aus nicht begünstigten Rentenversicherungsverträgen nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG die gesamten Rentenbezüge (Garantierente, Überschussbeteiligung aus der Ansparphase, ggf. zusätzliche Überschussbeteiligung aus der Rentenphase) einheitlich mit dem Ertragsanteil zu besteuern sind (, BFH/NV 2021, 980, Rz 106, und v. - X R 18/11, BFHE 241, 27, BStBl II 2014, 15, Rz 55).

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
PAAAH-90968