Besteuerung der aus der atypisch stillen Beteiligung an einer Luxemburger S.à.r.L erzielten gewerblichen Einkünfte in den
Jahren 2007/2008: Verdrängung des Luxemburger Besteuerungsrechts nach DBA Luxemburg 1958 durch § 20 Abs. 1 AStG in der Fassung
2007/2008 und § 20 Abs. 2 AStG in der Fassung 2007/2008
Vereinbarkeit mit Verfassungs- und Unionsrecht
unionsrechtskonforme Gesetzesauslegung
Leitsatz
1. Ist eine deutsche Kapitalgesellschaft als atypisch stille Gesellschafterin an einer Luxemburger S.à.r.L. (mit Sitz und
Geschäftsräumen in Luxemburg) beteiligt, die im Wesentlichen Zinseinkünfte aus der Finanzierung von Luxemburger Tochtergesellschaften
mit Eigenkapital erzielt, so handelt es sich bei den aus der atypisch stillen Gesellschaft erzielten gewerblichen Einkünften
um Unternehmensgewinne nach Art. 5 Abs. 1 DBA Luxemburg 1958 und Art. 20 Abs. 1 DBA Luxemburg 1958, für die dem Staat Luxemburg
das Besteuerungsrecht zusteht und die nach Art. 20 Abs. 2 DBA Luxemburg 1958 durch die Freistellungsmethode im Inland von
der Bemessungsgrundlage für die Steuer auszunehmen sind. Die Steuerfreiheit gemäß dem DBA Luxemburg 1958 kommt jedoch aufgrund
der vorrangigen Vorschrift des § 20 AStG (in der in Streitjahren 2007/2008 gültigen Fassung) nicht zur Geltung, wenn die Voraussetzungen
nach § 20 Abs. 1 AStG in der Fassung 2007/2008 und § 20 Abs. 2 AStG in der Fassung 2007/2008 erfüllt sind.
2. § 20 Abs. 2 AStG verletzt weder in der im Jahr 2007 noch in der im Jahr 2008 gültigen, um den Zusatz „ungeachtet des §
8 Abs. 2 AStG” ergänzten Fassung die Niederlassungsfreiheit oder die Kapitalverkehrsfreiheit. Die Vorschrift ist daher europarechtskonform
(Abgrenzung von , BStBl 2010 II S. 774); insoweit ist eine Vorlage an den EuGH nicht
erforderlich, da die europarechtlichen Rechtsfragen durch (Columbus Container Services)
bereits geklärt sind.
3. Die Auslegungsmethode „europarechtskonforme Auslegung” ist nicht mit der Auslegungsmethode „verfassungskonforme Auslegung”
gleichzusetzen. Mit der Methode der europarechtlichen Interpretation darf die Bindung der Gerichte an Gesetz und Recht (Art.
20 Abs. 3 GG) nicht umgangen werden. Die Nichtbeachtung von Gesetzen setzt vielmehr die vorherige Klärung der europarechtlichen
Fragen durch den EuGH voraus (Vorlagepflicht des BFH; vgl. hierzu ).
4. Mit der Gestaltung von atypisch stillen Gesellschaften zwischen Konzerntöchtern kann der Konzern für steuerliche Zwecke
das für Kapitalgesellschaften geltende Trennungsprinzip teilweise beseitigen und die Gewinnzurechnung auf bestimmte Töchter
steuern. Bei dem Zusammenschluss von zwei Kapitalgesellschaften zu einer atypisch stillen (Personen-)Gesellschaft handelt
es sich aus der Sicht des deutschen Rechts um eine zulässige Gestaltung. Folglich kann die Gestaltung auch unter europarechtlichen
Gesichtspunkten nicht als Missbrauch angesehen werden. Denn andernfalls läge eine Diskriminierung durch unterschiedliche Missbrauchsmaßstäbe
im Inlands- und im Auslandsfall vor.
5. § 20 AStG bewirkt, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre vertraglichen Verpflichtungen aus Doppelbesteuerungsabkommen
(hier: mit Luxemburg) unter bestimmten Voraussetzungen nicht einhält (sog. „Treaty Overriding”). Da diese Vertragsverletzung
nicht zur Verfassungswidrigkeit des § 20 AStG führt (vgl. ), ist die Vorschrift
von den deutschen Gerichten zu beachten.
Fundstelle(n): DStR-Aktuell 2022 S. 6 Nr. 20 DStRE 2022 S. 705 Nr. 12 EStB 2022 S. 37 Nr. 1 GmbH-StB 2022 S. 27 Nr. 1 IStR 2022 S. 202 Nr. 6 IWB-Kurznachricht Nr. 21/2021 S. 842 YAAAH-88331
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