BGH Beschluss v. - I ZR 23/20

Streitwert der Nichtzulassungsbeschwerde: Verbandsklage von Verbraucherschutzverbänden gegen Bestellbutton und AGB-Klausel eines Online-Streaming-Dienstes

Gesetze: § 544 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 1 S 2 BGB, § 312j Abs 2 S 2 BGB, § 312j Abs 3 S 1 BGB, § 312j Abs 3 S 2 BGB, § 3 UWG, § 3a UWG, § 8 UWG, Art 8 Abs 2 UAbs 2 EURL 83/2011, Art 6 Abs 1 Halbs 1 EWGRL 13/93

Instanzenzug: Az: 5 U 24/19 Urteilvorgehend Az: 52 O 92/18nachgehend Az: I ZR 23/20 Beschluss

Gründe

1I. Der Kläger ist der Dachverband der 16 Verbraucherzentralen und 25 weiterer Verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland. Die Beklagte betreibt einen Online-Streaming-Dienst, dessen Nutzung im Internet erfolgt und nach Abschluss eines Abonnementvertrags möglich ist. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung eines Bestellbuttons auf ihrer Internetseite sowie wegen einer Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Unterlassung in Anspruch.

2Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben und die Revision nicht zugelassen. Den Streitwert hat es in Übereinstimmung mit dem Landgericht entsprechend den Angaben des Klägers in der Klageschrift auf insgesamt 17.500 € festgesetzt. Zur beabsichtigten Streitwertfestsetzung hat es beide Parteien in der mündlichen Verhandlung angehört; Einwände wurden nicht erhoben. Nach Erlass des Berufungsurteils hat die Beklagte Anhörungsrüge nach § 321a ZPO erhoben mit dem Ziel, die Zulassung der Revision zu erreichen und den Streitwert auf mehr als 20.000 € zu erhöhen. Das Berufungsgericht hat die Anhörungsrüge zurückgewiesen. Außerdem hat die Beklagte sowohl beim Landgericht als auch beim Berufungsgericht Streitwertbeschwerde eingelegt. Das Landgericht hat der Streitwertbeschwerde abgeholfen und den Streitwert auf 30.000 € festgesetzt. Das Berufungsgericht hat die Streitwertbeschwerde als Gegenvorstellung ausgelegt und ebenfalls eine Heraufsetzung des Streitwerts auf 30.000 € vorgenommen.

3Mit der beabsichtigten Revision, deren Zulassung sie mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt, möchte die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgen. Sie meint, sie sei durch das Berufungsurteil entsprechend der zuletzt erfolgten Streitwertfestsetzung mindestens in Höhe von 30.000 € beschwert.

4II. Der Senat beabsichtigt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen, weil der Wert der von der Beklagten mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Sie entspricht dem ursprünglich vom Berufungsgericht festgesetzten Streitwert und beträgt daher lediglich 17.500 €.

51. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer, über den das Revisionsgericht ohne Bindung an eine - möglicherweise fehlerhafte - Streitwertfestsetzung durch das Berufungsgericht selbst zu befinden hat (vgl. , NJW-RR 2013, 1401 Rn. 8; Beschluss vom - III ZR 615/16, juris Rn. 3; Beschluss vom - VI ZR 5/18, juris Rn. 3; Beschluss vom - IV ZR 224/18, juris Rn. 6; Beschluss vom - VIII ZR 161/19, WRP 2021, 60 Rn. 22), bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der Berufungsentscheidung. Für die Bewertung sind der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz und die bis dahin vom Kläger vorgebrachten Anknüpfungstatsachen maßgeblich (, juris Rn. 4). Im Regelfall entspricht nicht nur der Streitwert des Verfahrens, sondern auch die Beschwer des zur Unterlassung verurteilten Beklagten dem Interesse des Klägers an dem Unterlassungstitel (, juris Rn. 2; Beschluss vom - I ZR 45/19, juris Rn. 2; Beschluss vom - I ZR 205/19, juris Rn. 7). Auf einen höheren Streitwert und eine damit einhergehende höhere Beschwer im Fall der Verurteilung hat die beklagte Partei daher bereits in den Vorinstanzen hinzuweisen. Einer beklagten Partei, die weder die Streitwertfestsetzung in den Vorinstanzen beanstandet noch sonst glaubhaft gemacht hat, dass für die Festlegung des Streitwerts maßgebliche Umstände, die bereits dort vorgebracht worden sind, nicht hinreichend berücksichtigt worden sind, ist es nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung regelmäßig versagt, sich erstmals im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde auf einen höheren, die erforderliche Rechtsmittelbeschwer erreichenden Wert zu berufen (vgl. nur , juris Rn. 3; Beschluss vom - III ZR 300/15, juris Rn. 5; Beschluss vom - VII ZR 41/17, NJW 2017, 3164 Rn. 11; Beschluss vom - VI ZR 19/17, VersR 2018, 181 Rn. 5; Beschluss vom - V ZR 130/18, WuM 2019, 286 Rn. 6; Beschluss vom - I ZR 205/19, juris Rn. 7).

62. Nach diesen Grundsätzen beträgt der Beschwerdewert nicht mehr als 17.500 €.

7a) Die Beklagte hat sich erstmals nach Erlass des Berufungsurteils gegen die nach Anhörung beider Parteien vorgenommene Streitwertfestsetzung durch das Berufungsgericht auf 17.500 € gewandt, ohne geltend zu machen, dass sie auf einen höheren Streitwert rechtfertigende Umstände schon in der Berufungsinstanz hingewiesen hätte. Parteivortrag zur Höhe von Streitwert und Beschwer, der erstmals nach Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung mit dem Ziel gehalten wird, die Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu überschreiten, ist ebenso zu behandeln wie (erstmaliger) Vortrag im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren (vgl. dazu auch , juris Rn. 12). Er kann bei der Bemessung der Beschwer durch die Revisionsinstanz grundsätzlich auch dann keine Berücksichtigung finden, wenn er vom Berufungsgericht zum Anlass genommen worden ist, eine nachträgliche Heraufsetzung des Streitwerts vorzunehmen.

8b) Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes kann zwar dann geboten sein, wenn für die Partei kein Anlass bestanden hat, bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu einem höheren Wert vorzutragen. Hiervon kann insbesondere dann auszugehen sein, wenn der Streitwert durch die Vorinstanzen auf einen die Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO überschreitenden Betrag festgesetzt worden ist (vgl. dazu , WRP 2021, 60 Rn. 3 und 11). Eine solche Konstellation ist im Streitfall angesichts des eindeutigen Hinweises des Berufungsgerichts auf die beabsichtigte, die Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht erreichende, Streitwertfestsetzung in der mündlichen Verhandlung, gegen die die Parteien bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine Einwände erhoben haben, allerdings nicht gegeben.

9c) Maßgeblich ist damit der ursprünglich vom Berufungsgericht festgesetzte Streitwert in Höhe von 17.500 €. Anhaltspunkte dafür, dass die Streitwertbemessung auf Basis des bis zum Erlass des Berufungsurteils gehaltenen und damit allein zugrunde zu legenden Parteivorbringens Rechtsfehlern unterliegt, sie insbesondere ermessenfehlerhaft zu niedrig erfolgt ist, bestehen nicht.

10III. Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zugang dieses Hinweisbeschlusses.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:110221BIZR23.20.0

Fundstelle(n):
TAAAH-88269