BAG Urteil v. - 6 AZR 281/20

Garantiebetrag im Tarifbereich der VKA

Gesetze: § 17 Abs 4 S 2 TVöD-V, § 17 Abs 4 S 1 TVöD-V

Instanzenzug: ArbG Bochum Az: 3 Ca 27/19 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 6 Sa 961/19 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob der Garantiebetrag gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-V in der bis zum geltenden Fassung (aF) zusätzlich zur Ausgangsentgeltgruppe oder zur Aufstiegsentgeltgruppe zu zahlen ist.

2Der Kläger ist seit 2001 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Durchgeschriebene Fassung des TVöD für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V) vom und der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) vom Anwendung.

3§ 29b TVÜ-VKA lautet auszugsweise:

4§ 29c TVÜ-VKA lautet auszugsweise:

5§ 17 TVöD-V aF lautete auszugsweise:

6Seit dem wird der Garantiebetrag Beschäftigten, die vor diesem Zeitpunkt höhergruppiert worden sind, nur noch statisch gezahlt und ist bei Höhergruppierungen nach diesem Zeitpunkt abgeschafft.

7Der seit dem als technische Fachkraft tätige Kläger war bei Inkrafttreten der Entgeltordnung (VKA) als Anlage 1 zum TVöD (im Folgenden EGO) am in die Entgeltgruppe 9 Stufe 3 TVöD eingruppiert und wurde daraus nach § 29c Abs. 3 TVÜ-VKA stufengleich in die Entgeltgruppe 9a Stufe 3 TVöD (VKA) übergeleitet. Aufgrund des fristgerechten Antrags des Klägers nach § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA gruppiert die Beklagte ihn rückwirkend zum in die Entgeltgruppe 9b TVöD (VKA) höher. Die Stufenzuordnung in dieser Entgeltgruppe erfolgte nach § 17 Abs. 4 Satz 1 TVöD-V aF ebenfalls in die Stufe 3, die betragsbezogen der Stufe 3 der Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) entsprach. Die Beklagte zahlte an den Kläger für die Zeit vom bis zum den in § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-V aF festgelegten Garantiebetrag von zuletzt 94,39 Euro zusätzlich zum Entgelt aus der Ausgangsentgeltgruppe 9a TVöD (VKA). Allerdings wies sie diesen Garantiebetrag in den Entgeltabrechnungen des Klägers aus abrechnungstechnischen Gründen als „Auffüllbetrag“ zum neuen Tabellenentgelt der Aufstiegsentgeltgruppe 9b Stufe 3 TVöD (VKA) aus. Zum endete der betragsmäßige Gleichlauf zwischen der jeweiligen Stufe 3 der Entgeltgruppen 9a und 9b TVöD (VKA). Die Stufe 3 der Entgeltgruppe 9b TVöD (VKA) wurde stärker angehoben als diejenige der Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA). Dies führte dazu, dass die Beklagte den „Auffüllbetrag“ nur noch in Höhe der verbleibenden Differenz zwischen dem neuen Tabellenentgelt der Entgeltgruppe 9a Stufe 3 TVöD (VKA) und dem der Entgeltgruppe 9b Stufe 3 TVöD (VKA) zahlte.

8Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ihm der Garantiebetrag nach § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-V aF in Höhe von zuletzt 94,39 Euro ungekürzt neben dem jeweiligen Entgelt der Aufstiegsentgeltgruppe 9b Stufe 3 TVöD (VKA) zustehe.

9Der Kläger hat zuletzt beantragt

10Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und gemeint, der Garantiebetrag sei ungekürzt zum jeweiligen Tabellenentgelt der Ausgangsentgeltgruppe 9a Stufe 3 TVöD (VKA) zu zahlen.

11Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Gründe

12Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des Garantiebetrags zusätzlich zu dem Tabellenentgelt der Entgeltgruppe 9b TVöD (VKA), in die er höhergruppiert worden ist (Aufstiegsentgeltgruppe).

13I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Garantiebetrag nach § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-V aF ist - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat - zusätzlich zum jeweiligen Entgelt der Entgeltgruppe, aus der der Kläger höhergruppiert worden ist, also dem der Entgeltgruppe 9a Stufe 3 TVöD (VKA) als Ausgangsentgeltgruppe, zu zahlen. Das ergibt die Auslegung der Tarifnorm (zu den für Tarifverträge maßgeblichen Auslegungsgrundsätzen  - Rn. 20 mwN). Diesen Anspruch hat die Beklagte erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Das steht zwischen den Parteien außer Streit.

141. Ein Beschäftigter, der befördert bzw. dessen Tätigkeit - wie die des Klägers - im Zusammenhang mit der Einführung der EGO höher bewertet worden ist, ist in die höhere Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale der neuen Tätigkeit entsprechen, und nach § 17 Abs. 4 Satz 1 TVöD-V aF der Stufe zugeordnet, in der er mindestens sein bisheriges Tabellenentgelt erhält. Er befindet sich damit zwar eingruppierungsrechtlich und bezogen auf die Stufenlaufzeit in der Aufstiegsentgeltgruppe. Jedoch erhält dieser Arbeitnehmer nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-V aF „anstelle“ des Unterschiedsbetrags zwischen dem bisherigen Tabellenentgelt und dem Tabellenentgelt der Aufstiegsentgeltgruppe einen - abhängig von der Entgeltgruppe betragsmäßig variierenden - fixen Garantiebetrag, wenn die Entgeltdifferenz zwischen der Ausgangsentgeltgruppe und der Aufstiegsentgeltgruppe einen bestimmten Wert, nämlich diesen Garantiebetrag, unterschreitet. Mit der Formulierung „anstelle“ des Unterschiedsbetrags haben die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass der jeweilige Garantiebetrag diesen Differenzbetrag bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-V aF ersetzt (vgl. Duden Das Synonymwörterbuch 7. Aufl. Stichwort „anstelle“). Gezahlt wird nicht der sich aus der neuen Stufe in der Aufstiegsentgeltgruppe, bezogen auf das Tabellenentgelt (§ 15 Abs. 1 TVöD-V), ergebende Unterschiedsbetrag, sondern der Garantiebetrag. Daraus folgt zugleich, dass der Beschäftigte während der betreffenden Stufenlaufzeit noch nicht das Entgelt der Aufstiegsentgeltgruppe erhält, sondern weiter ein (dynamisiertes) Entgelt in Höhe seines bisherigen Tabellenentgelts zuzüglich des Garantiebetrags (zu der inhaltsgleichen Regelung in § 16 Abs. 3 Satz 2 KDVO  - Rn. 38 mwN). Damit sieht § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-V aF für die Dauer der Stufenlaufzeit, jedenfalls solange das Tabellenentgelt der Aufstiegsentgeltgruppe dasjenige der Ausgangsentgeltgruppe zuzüglich des Garantiebetrags nicht aufgrund von Tariferhöhungen überschreitet, ein eigenes Entgeltregime vor. Der höhergruppierte Beschäftigte erhält danach ein Entgelt, das über dem seiner neuen Entgeltgruppe und -stufe liegt. Dieses Entgeltregime hat zur Folge, dass der Garantiebetrag als solcher zwar durch allgemeine Tariferhöhungen nicht gekürzt wird, sich aber dadurch die Differenz zum Tabellenentgelt der Aufstiegsentgeltgruppe stetig verringert. § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-V aF gewährleistet - entgegen der Auffassung des Klägers und anders als das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom (- 7 Sa 390/19 - zu II 2 b der Gründe) angenommen hat - nämlich keinen Mindestabstand zwischen dem bisherigen Tabellenentgelt und dem Entgelt der Aufstiegsentgeltgruppe für die Dauer der Stufenlaufzeit. Vor dem Hintergrund der Festlegung eines fixen Garantiebetrags hätte es für eine solche Mindestabstandsklausel einer eindeutigen Regelung durch die Tarifvertragsparteien bedurft. Daran fehlt es.

152. Dieses Wortlautverständnis steht auch im Einklang mit Sinn und Zweck des § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-V aF. Das für Höhergruppierungen bis einschließlich geltende Regelungskonzept, welches keine stufengleiche, sondern eine betragsgemäße Stufenzuordnung vorsah, hatte zur Folge, dass die Beschäftigten Gefahr liefen, durch die Höhergruppierung Entgeltnachteile zu erleiden (ausführlich zur inhaltsgleichen Regelung des § 17 Abs. 4 TV-L  - Rn. 21 f. mwN). Die Tarifnorm sollte nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien deshalb sicherstellen, dass der im Stufenzuordnungssystem des TVöD-V aF angelegte potentielle Entgeltverlust nicht lediglich durch die das bisherige Tabellenentgelt gewährleistende und damit besitzstandswahrende Regelung in § 17 Abs. 4 Satz 1 TVöD-V aF vermieden wurde. Vielmehr sollte der höhergruppierte Arbeitnehmer durch einen monatlichen Garantiebetrag einen zusätzlichen Mindestentgeltgewinn erhalten ( - Rn. 38 mwN). Ein solcher Mindest-entgelt- bzw. Mindesthöhergruppierungsgewinn kann sich jedoch nur gegenüber dem Tabellenwert der bisherigen Entgeltgruppe ergeben und ist deshalb zusätzlich zu diesem zu zahlen. Zwar hätten die Tarifvertragsparteien einen stärkeren Anreiz für leistungsbereite und motivierte Beschäftigte, sich auf ein mit erhöhten Arbeitsanforderungen und mehr Verantwortung einhergehendes Beförderungsamt zu bewerben, schaffen können, indem sie zB für die Dauer der Stufenlaufzeit einen Mindestabstand zwischen dem Entgelt der Ausgangsentgeltgruppe und demjenigen der Aufstiegsentgeltgruppe gewährleistet hätten. Hierfür hätte es aber - wie bereits unter Rn. 14 ausgeführt - angesichts des unmissverständlichen Wortlauts des § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-V aF in Bezug auf den Garantiebetrag einer entsprechenden eindeutigen Anordnung bedurft, an der es gerade fehlt.

163. Diesem Verständnis steht § 17 Abs. 4 Satz 6 TVöD-V aF nicht entgegen. Die Norm bestimmt lediglich den Zeitpunkt, ab wann der Beschäftigte das neue Tabellenentgelt nach Satz 1 erhält und legt damit fest, dass auch im Laufe eines Monats erfolgende Höhergruppierungen einen entsprechend höheren Vergütungsanspruch für den gesamten Monat begründen.

17II. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2021:160621.U.6AZR281.20.0

Fundstelle(n):
HAAAH-86546