Online-Nachricht - Donnerstag, 05.08.2021

Einkommensteuer / International | Ausübung des Wahlrechts zur EÜR (BFH)

Die als Mitunternehmerschaft anzusehende ausländische Personengesellschaft wird für Zwecke der Ermittlung der steuerfreien, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte als "fiktive" Normadressatin des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG behandelt; ein danach ggf. bestehendes Gewinnermittlungswahlrecht ist von ihr selbst, nicht von ihren inländischen Gesellschaftern auszuüben (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt/Rechtsfrage: Entfalten eine Bilanzierungspflicht nach ausländischem Recht bzw. die demgemäß tatsächlich erstellte ausländische Bilanz Sperrwirkung hinsichtlich des Gewinnermittlungswahlrechts nach § 4 Abs. 3 EStG mit der Folge, dass die Einkünfte aus dem von der inzwischen gelöschten Personengesellschaft luxemburgischen Rechts betriebenen Goldhandel nicht durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt werden durften?

Der BFH führte hierzu aus:

  • Auch ausländische gesetzliche Vorschriften, die eine Buchführungs- und Abschlusspflicht begründen, können in der im Streitfall vorliegenden Fallkonstellation das (materielle) Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG ausschließen.

  • Das Eingreifen der Sperrwirkung setzt voraus, dass die ausländischen Gesetze sowohl eine Buchführungs- als auch eine Abschluss- und damit Bilanzierungspflicht normieren.

  • Es ist aber nicht erforderlich, dass die ausländischen gesetzlichen Pflichten mit den deutschen funktions- und informationsgleich sind.

  • Besteht für die ausländische Personengesellschaft keine Sperrwirkung aufgrund einer gesetzlichen (ausländischen) Buchführungs- und Abschlusspflicht, steht es ihr frei, ihr Wahlrecht entsprechend den inländischen Regeln auszuüben.

Anmerkung von Walter Bode, Richter im IV. Senat des BFH:

Die BFH-Entscheidung betrifft einen (weiteren) sog. „Goldfinger-Fall“, dem eine heute (vgl. Art. 2 Nr. 14 Buchst. b des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom , BGBl I 2013, 1809; zur Begründung BT-Drucks 17/ 12375, 37) durch § 32b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG erledigte Steuergestaltung (zum Modell z.B. BT-Drucks 17/13286) zugrunde liegt.

Der BFH hat zum einen die Frage bejaht, dass ein ggf. bestehendes Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG durch eine ausländische Personengesellschaft selbst, und nicht von ihren inländischen Gesellschaftern auszuüben ist. Denn die als Mitunternehmerschaft anzusehende ausländische Personengesellschaft muss für Zwecke der Ermittlung der steuerfreien, dem Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG unterliegenden Einkünfte als "fiktive" Normadressatin des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG, d.h. wie eine inländische Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft), behandelt werden.

Weiter hervorzuheben ist, dass nach Ansicht des BFH auch ausländische gesetzliche Vorschriften, die eine Buchführungs- und Abschlusspflicht begründen, in der im Streitfall vorliegenden Fallkonstellation das (materielle) Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG ausschließen können. Denn auch solche Vorschriften sind „gesetzliche Vorschriften“ i.S. § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG. Auch die Finanzverwaltung ist im Ergebnis der Auffassung, dass eine ausländische Buchführungs- und Abschlusspflicht das Gewinnermittlungswahlrecht sperrt (vgl. zuletzt EStH 2020, H 4.5 (1) "Wahl der Gewinnermittlungsart"). Insoweit ist der BFH nicht der in der Literatur vertretenen Auffassung gefolgt, dass es sich bei den „gesetzlichen Vorschriften“ i.S. des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG nur um Pflichten aus dem nationalen Rechtskreis handeln könne. Soweit rechtsstaatliche Bedenken deshalb erhoben werden, weil ausländische nicht dem deutschen Grundgesetz und der Kontrolle des deutschen Gesetzgebers unterliegende Rechtsnormen materiell-rechtliche Auswirkungen haben, lässt sich nach Ansicht des BFH diesen wie bei § 140 AO ggf. mit einer entsprechenden Anwendung des kollisionsrechtlichen ordre public-Vorbehaltes begegnen, dem zufolge eine Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden ist, wenn sie zu einem Ergebnis führen würde, das mit den wesentlichen Grundsätzen deutschen Rechts insbesondere mit den Grundrechten nicht vereinbar ist. Das Eingreifen der Sperrwirkung setzt nach Ansicht des BFH voraus, dass die ausländischen Gesetze sowohl eine Buchführungs- als auch eine Abschluss- und damit Bilanzierungspflicht normieren. Diese Pflichten hat das FG als Tatsachengericht zu ermitteln. Es ist aber nicht erforderlich, dass die ausländischen gesetzlichen Pflichten mit den deutschen funktions- und informationsgleich sind. Die Sperrwirkung setzt deshalb nicht voraus, dass der sich nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften ergebende Gewinn aus den ausländischen Büchern und dem ausländischen Abschluss (Bilanz) ohne nennenswerte Umrechnungen entnommen werden kann. Entspricht der ausländische Abschluss nicht der Gewinnermittlung nach deutschem Steuerrecht (§ 4 Abs. 1 EStG), ist eine entsprechende Überleitungsrechnung vorzunehmen. Besteht für die ausländische Personengesellschaft keine Sperrwirkung aufgrund einer gesetzlichen (ausländischen) Buchführungs- und Abschlusspflicht, steht es ihr frei, ihr Wahlrecht entsprechend den inländischen Regeln auszuüben, d.h. es sind dabei die Regeln (entsprechend) zu befolgen, die auch für den reinen Inlandsfall gelten. Danach ist für die Ausübung des Wahlrechts die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung maßgeblich. Führt also die Personengesellschaft tatsächlich Bücher im Ausland und stellt sie dort tatsächlich einen Abschluss nach ausländischem Recht auf, ohne auch eine Einnahmenüberschussrechnung zu erstellen, ist das Wahlrecht zugunsten des Betriebsvermögensvergleichs ausgeübt.

Quelle: ; NWB Datenbank (JT)

Fundstelle(n):
NWB SAAAH-86110