Online-Nachricht - Donnerstag, 29.07.2021

Verfahrensrecht | Ort der Akteneinsicht in Pandemiezeiten (BFH)

Die Übersendung von Akten in die Kanzleiräume eines Prozessbevollmächtigten zum Zwecke der dortigen Einsichtnahme bleibt auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt. Dabei ist die Entscheidung, Akteneinsicht ausnahmsweise außerhalb von Diensträumen zu gewähren, eine nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilende Ermessensentscheidung des FG (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Streitig ist, ob der Beschwerdeführer in Pandemiezeiten verlangen kann, dass ihm Verwaltungsakten zwecks Akteneinsicht zugesendet werden. Das FG der ersten Instanz hält die Gewährung der Akteneinsicht in der Geschäftsstelle des Gerichts für ausreichend.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Führt das FG die Prozessakten in Papierform, wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in den Diensträumen gewährt.

  • Die Übersendung von Akten in die Kanzleiräume eines Prozessbevollmächtigten zum Zwecke der dortigen Einsichtnahme bleibt auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt.

  • Dabei ist die Entscheidung, Akteneinsicht ausnahmsweise außerhalb von Diensträumen zu gewähren, eine nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilende Ermessensentscheidung des FG.

  • Hat das FG bei seiner Entscheidung die für und die gegen eine Akteneinsicht in den Kanzleiräumen sprechenden Gründe hinreichend berücksichtigt und gegeneinander abgewogen, kann sich die Versagung der Akteneinsicht in den Kanzleiräumen auch unter Berücksichtigung der besonderen Pandemielage als ermessensfehlerfrei erweisen.

  • Dies hat das FG vorliegend getan: Es hat insoweit zu Recht auf ein ausgefeiltes Hygienekonzept bei Gericht verwiesen, das die gesundheitlichen Risiken jedenfalls unter Beachtung der getroffenen Schutzmaßnahmen weitestgehend ausschließt.

  • Soweit der Kläger behauptet, er leide unter Asthma und gehöre zu einer besonderen Risikogruppe, hat er dieses Vorbringen weder substantiiert noch durch ein ärztliches Attest glaubhaft gemacht.

Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter im V. Senat des BFH:

Der Beschluss betrifft das Recht des Prozessbevollmächtigten auf Akteneinsicht wenn die Prozessakten – wie im Streitfall – noch in Papierform geführt werden.

Die Entscheidung bringt im Wesentlichen nichts Neues; auch die Argumentation des Beschwerdeführers enthielt keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte. Anders als in den Regelungen, die für andere Gerichtsverfahren wie die vor den Verwaltungs-, Sozial- oder Strafgerichten gelten, wird die Akteneinsicht im Finanzgerichtsprozess durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. Das gilt auch für die Akteneinsicht durch Rechtsanwälte. Das mag man für richtig oder falsch halten, aber es ist eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers. Die Übersendung von Akten in die Geschäftsräume eines Prozessbevollmächtigten zum Zwecke der dortigen Einsichtnahme bleibt auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt. Die Entscheidung hierüber ist eine nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilende Ermessensentscheidung des FG. Im Beschwerdeverfahren ist der BFH nicht auf eine Überprüfung der Ermessensentscheidung des FG beschränkt, sondern kann eigenes Ermessen auszuüben. All das ist bereits entschieden.

Neu ist nur der Gesichtspunkt, welches Gewicht dem gesundheitlichen Risiko der Akteneinsicht in den Diensträumen in Zeiten einer (Corona-)Pandemie zukommt. Der BFH hat sich der Ermessensentscheidung des FG angeschlossen, das davon ausgegangen ist, dass im Streitfall ein ausgefeiltes Hygienekonzept vorlag, das die gesundheitlichen Risiken bei Beachtung der getroffenen Schutzmaßnahmen wei-testgehend ausschließt. Das vom Beschwerdeführer geltend gemachte besondere gesundheitliche Risiko aufgrund einer Asthmaerkrankung war weder substantiiert noch durch ärztliches Attest glaubhaft gemacht worden.

Die Entscheidung betrifft damit letztlich einen Einzelfall und kann in einem anders gelagerten Sachverhalt, in dem z.B. kein hinreichendes Hygienekonzept gewährleistet ist oder ein erhöhtes Gesundheitsrisiko des Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht ist, anders ausfallen.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
XAAAH-85654