Online-Nachricht - Donnerstag, 29.07.2021

Erbschaftsteuer | Begünstigung von Grundstücken im Betriebsvermögen bei Nutzungsüberlassung an Dritte (BFH)

Eine steuerschädliche Nutzungsüberlassung an Dritte ist nicht anzunehmen, wenn der Erblasser oder Schenker sowohl das Besitzunternehmen als auch die Betriebskapitalgesellschaft faktisch beherrscht. Dazu ist eine Einwirkung des Erblassers oder Schenkers mit den Mitteln des Gesellschaftsrechts auf die zur Beherrschung führenden Stimmrechte notwendig. Ein Einfluss nur auf die kaufmännische oder technische Betriebsführung ohne Möglichkeit der Erlangung einer Stimmenmehrheit reicht nicht aus (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG a.F. gehört zum begünstigten Vermögen vorbehaltlich § 13b Abs. 2 ErbStG a.F. inländisches Betriebsvermögen (§§ 95 bis 97 BewG) beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs. Gemäß § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG a.F. bleibt ausgenommen Vermögen i.S. des § 13b Abs. 1 ErbStG a.F., wenn das Betriebsvermögen der Betriebe oder der Gesellschaften zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht. Zum Verwaltungsvermögen gehören Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG a.F.), wobei "Dritter" i.S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG a.F. jede Person ist, die nicht mit dem Nutzungsüberlassenden identisch ist. Dritte können natürliche Personen - auch Angehörige -, Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften sein (vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 13b ErbStG, Rz 94).

Sachverhalt: Der Kläger erbte im Jahr 2012 den A-Betrieb seines Vaters. Der A Betrieb war ursprünglich ein Autohaus und wurde auf einem Betriebsgrundstück in Z betrieben.

Ende 1984 gründete der Kläger die J GmbH. Gegenstand des Unternehmens ist u.a. der Handel mit sowie die Reparatur von Kraftfahrzeugen. Gesellschafter und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist der Kläger.

Das Betriebsgrundstück in Z wurde mit Wirkung zum mit sämtlichen Betriebsräumen vom A Betrieb an die J GmbH zu deren Betrieb als Autohaus - inklusive der darin befindlichen Maschinen und sonstigen Einrichtungsgegenstände - verpachtet. Dem Erblasser wurde hinsichtlich der J GmbH eine Einzelprokura erteilt. Sie erlosch mit dessen Tod im Jahr 2012.

Im November 1997 erteilte der Erblasser dem Kläger eine frei widerrufliche Generalvollmacht. Dadurch wurde der Kläger von § 181 BGB befreit und berechtigt, sämtliche geschäftliche Entscheidungen allein zu treffen.

Ab dem Jahr 1999 wurde die Ausstellungsfläche der J GmbH erweitert. Die Verträge und der Schriftwechsel weisen als Bauherrn den Erblasser auf. Die Verträge mit den die Erweiterung ausführenden Unternehmen wurden vom Kläger abgeschlossen und die Erklärungen über eine Bauabnahme ebenfalls von ihm abgegeben.

Der Erblasser meldete sein Gewerbe am zum um und gab als neu ausgeübte Tätigkeit "Vermietung und Verpachtung" an. Im Jahr 2012 wurde das Gewerbe wegen vollständiger Aufgabe abgemeldet.

Das FA dagegen stellte den Wert des Betriebsvermögens mit 695.217 € fest. Die Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens wurde mit 611.250 € festgestellt. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg (Vorinstanz: ).

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • In seiner Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts gab der Kläger im Jahr 2014 den gemeinen Wert des gesamten Betriebsvermögens mit 687.634 € und den Wert des Betriebsgrundstücks mit 611.250 € an. Verwaltungsvermögen war nach der Erklärung des Klägers nicht vorhanden.

  • Bei dem Betriebsgrundstück handelt es sich um Verwaltungsvermögen i.S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG a.F. Ein Rückausnahmetatbestand nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a, Buchst. b Doppelbuchst. aa oder Buchst. c ErbStG a.F. liegt nicht vor.

  • Eine steuerschädliche Nutzungsüberlassung an Dritte ist nicht anzunehmen, wenn der Erblasser oder Schenker sowohl das Besitzunternehmen als auch die Betriebskapitalgesellschaft faktisch beherrscht.

  • Dazu ist eine Einwirkung des Erblassers oder Schenkers mit den Mitteln des Gesellschaftsrechts auf die zur Beherrschung führenden Stimmrechte notwendig.

  • Ein Einfluss nur auf die kaufmännische oder technische Betriebsführung ohne Möglichkeit der Erlangung einer Stimmenmehrheit reicht nicht aus.

  • Wird ein Grundstück an eine Kapitalgesellschaft verpachtet, ist auch dann von einer steuerschädlichen Nutzungsüberlassung an Dritte auszugehen, wenn Erwerber des Betriebsvermögens der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist.

  • Zwei Betriebe bilden keinen Gleichordnungskonzern, wenn sie durch mehrere Personen beherrscht werden.

Anmerkung von Prof. Dr. Matthias Loose, Richter im II. Senat des BFH:

Die Steuerbegünstigung für das Betriebsvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist geprägt von Regelvorschriften, Ausnahmevorschriften und komplizierten Rück-Ausnahme-Vorschriften. Nach §§ 13a und 13b ErbStG wird das Betriebsvermögen unter bestimmten Voraussetzungen gänzlich verschont oder zumindest weitgehend begünstigt. Nicht begünstigt ist das zum Betriebsvermögen gehörende sog. Verwaltungsvermögen. Darunter fällt u.a. auch die Nutzungsüberlassung von Grundstücken an Dritte. Von diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis gibt es eine Rück-Ausnahme. Eine steuerschädliche Nutzungsüberlassung an Dritte ist nämlich im Rahmen einer Betriebsaufspaltung nicht anzunehmen, wenn der Erblasser oder Schenker sowohl das Besitzunternehmen als auch die Betriebskapitalgesellschaft beherrscht.

Diese Regelung findet sich im aktuell geltenden Recht in § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a Alternative 1 ErbStG. Allein die Bezeichnung der Vorschrift lässt erahnen, wie kompliziert und umständlich der Gesetzgeber die Begünstigung des Betriebsvermögens geregelt hat. Der BFH hatte noch zur Vorgängervorschrift gleichen Inhalts zu entscheiden. Seiner Ansicht nach liegen die Voraussetzungen der begünstigenden Rück-Ausnahme nicht schon dann vor, wenn der Erwerber die Betriebsgesellschaft tatsächlich oder faktisch beherrsche. Die Vorschrift erfordere vielmehr, dass der Erblasser oder Schenker sowohl im Besitzunternehmen als auch im Betriebsunternehmen allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen entfalten könne.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB JAAAH-85650