BSG Beschluss v. - B 13 R 17/20 BH

Instanzenzug: Az: S 21 R 1347/19vorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: S 21 R 1347/19 Urteil

Gründe

I

1Der Kläger mit Wohnsitz im Bundesgebiet bezieht seit Oktober 1992 eine Pension des österreichischen Rentenversicherungsträgers und seit Januar 2006 eine Regelaltersrente von der Beklagten. Er ist der Auffassung, ihm steht unter Anwendung von Art 4 und 5 der VO (EG) 883/2004 rückwirkend eine höhere Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu. Nach seiner Argumentation bezöge er mit einem Wohnsitz in Österreich zusätzlich zu seiner Pension und der Regelaltersrente eine Ausgleichszahlung nach österreichischem Recht. Diese sei nicht exportierbar. Aufgrund der europarechtlichen Vorgaben habe die Beklagte ihn aber finanziell so zu stellen, als bezöge er eine solche Ausgleichszahlung. Der Kläger machte einen auf diese Weise begründeten Anspruch auf eine höhere Rente erstmals 2017 ohne Erfolg gegenüber der Beklagten geltend (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ; -; Bayerisches ). Ein seinerzeit gestellter Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde blieb erfolglos ( BH -; ). Mit der im Wesentlichen gleichen Argumentation hat der Kläger Rechtsbehelfe gegen die Mitteilung der Beklagten über die zum erfolgende Rentenanpassung ergriffen. Das LSG hat die gegen die klagabweisende erstinstanzliche Entscheidung gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, die angefochtene Rentenanpassungsmitteilung entspreche den gesetzlichen Vorgaben. Einen Anspruch auf Zuerkennung einer höheren Rente unter Anwendung von Art 4 und 5 der VO (EG) 883/2004 könne der Kläger nicht mittels Anfechtung der Rentenanpassungsmittelung geltend machen. Diese enthalte lediglich eine Regelung zur Anpassung an den aktuellen Rentenwert und auch dies erst für den Zeitraum ab dem . Die Rentenhöhe an sich werde darin nicht neu geregelt. Die Revision gegen seine Entscheidung hat das LSG nicht zugelassen.

2Der Kläger hat mit privatschriftlichem Schreiben, das am beim BSG eingegangen ist, die Bewilligung von PKH unter Beiordnung eines nicht benannten Rechtsanwalts für das Verfahren einer noch einzulegenden Nichtzulassungsbeschwerde beantragt. Er hat seinen Antrag zugleich begründet. Eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat er vorgelegt.

II

31. Der PKH-Antrag des Klägers ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es hier. Das gegen die angefochtene Berufungsentscheidung statthafte und vom Kläger angestrebte Rechtsmittel ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 160a SGG). Die Revision darf gemäß § 160 Abs 2 SGG nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das angegriffene Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein bestimmter Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach summarischer Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Akten des LSG und derjenigen der Beklagten auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers nicht ersichtlich. Mit der Ablehnung des PKH-Antrags entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

4a) Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass ein zur Vertretung vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (vgl § 73 Abs 4 Satz 1 bis 3 SGG) erfolgreich geltend machen könnte, der Rechtssache komme eine grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zu. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Eine derartige Rechtsfrage stellt sich vorliegend nicht.

5Es ist insbesondere bereits geklärt, dass eine Anpassungsmitteilung nur die Berechnung des Rentenzahlbetrags auf Grund des geänderten aktuellen Rentenwerts (§ 68 SGB VI) betrifft und die weiteren Berechnungsfaktoren der Rente nach § 64 SGB VI unberührt lässt (vgl zB - juris RdNr 9; BH - juris RdNr 7; zuletzt BH - juris RdNr 5, jeweils mwN). Ebenso wenig bestehen angesichts der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl BVerfG <Kammer>; Beschluss vom - 1 BvR 79/09 - SozR 4-2600 § 68 Nr 4; BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 824/03, 1 BvR 1247/07 - SozR 4-2600 § 68 Nr 2) klärungsbedürftige Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsvorschriften, die der Rentenanpassung zugrunde liegen.

6Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ließe sich auch nicht mit Blick auf europarechtliche Vorgaben darlegen, die der Kläger in den Vordergrund seines Vorbringens stellt. Es fehlt bereits an der erforderlichen Klärungsfähigkeit etwaiger damit verbundener Fragen. Das BSG müsste darüber im angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheiden (vgl zum Merkmal der Klärungsfähigkeit etwa BH - juris RdNr 11). Da die angefochtene Rentenanpassungsmitteilung ausschließlich die Erhöhung der Rente auf Grund des geänderten aktuellen Rentenwerts zum betrifft, ist die vom Kläger begehrte Festsetzung einer höheren Rente unter Anwendung von Art 4 und 5 der VO (EG) 883/2004 nicht Regelungsgegenstand des angefochtenen Bescheids. Zudem sind die vorliegend in den Raum gestellten Fragen zu deren Regelungsinhalt nicht klärungsbedürftig, wie der Senat bereits bezogen auf das erste Klageverfahren des Klägers ausgeführt hat (Beschluss vom - B 13 R 9/19 BH - juris RdNr 10).

7b) Es spricht nichts dafür, dass ein beim BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter mit Erfolg den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) geltend machen könnte. Die angefochtene Entscheidung des LSG ist nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen.

8c) Es ist nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), auf dem die Entscheidung des LSG beruhen kann, in zulässiger Weise geltend gemacht werden könnte. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das LSG den Streitgegenstand fehlerhaft verkannt habe (Verstoß gegen § 123 SGG). Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Bei unklaren Anträgen muss das Gericht mit den Beteiligten klären, was gewollt ist, und vor allem bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten darauf hinwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden; erforderlichenfalls muss der Antrag ausgelegt werden (vgl nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 123 RdNr 3 mwN). Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass das LSG das Klagebegehren des Klägers entgegen den Wortlaut seines in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG selbst gestellten Klagantrags verkannt haben könnte. Insbesondere ist das LSG nicht von einem geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer Ausgleichszulage nach österreichischem Recht ausgegangen. Es hat vielmehr erkannt, dass der Kläger die Gewährung einer höheren Rente nach deutschem Recht begehrt, die ihn dem Betrag nach so stellen würde, als bezöge er eine solche Ausgleichszahlung.

9Es spricht auch nichts dafür, dass der Kläger, wie er meint, in seinem aus Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG abgeleiteten Verfahrensgrundrecht auf ein objektiv willkürfreies Verfahren verletzt worden sein könnte. Ein Richterspruch ist nur dann willkürlich und verstößt damit gegen Art 3 Abs 1 GG, wenn er unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht; hiervon kann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl zuletzt etwa BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 2 BvR 364/07 - juris RdNr 19 mwN). Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das LSG diese verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht beachtet haben könnte. Dass es nicht näher auf Art 4 und 5 VO (EG) 883/2004 oder andere europarechtliche Regelungen eingegangen ist, hat nicht auf sachfremden Erwägung beruht. Dies findet seinen Grund vielmehr in dem - sogar mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung übereinstimmenden - Rechtsstandpunkt des LSG zum Regelungsinhalt der angegriffenen Rentenanpassungsmitteilung.

10Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte dafür, dass das LSG das aus Art 2 Abs 1 GG abgeleitete Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren verletzt haben könnte (vgl zu dessen Rechtsinhalt zB BH - juris RdNr 10). Auch der Kläger trägt hierzu nichts vor, abgesehen von der bloßen Behauptung, er fühle sich in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt. Dass der Kläger das Urteil des LSG offensichtlich für falsch hält, kann auch unter keinem anderen Gesichtspunkt zur Revisionszulassung führen (stRspr; vgl etwa - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; - juris RdNr 8; - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

11Falls der Kläger mit seinem Vorbringen, er fechte "all die vorangegangenen gerichtlichen Entscheidungen" an, zudem die Bewilligung von PKH für - nicht weiter konkretisierte - Rechtsbehelfe gegen das und den beantragen will, ist auch ein solcher weitergehender Antrag abzulehnen. Etwaigen Rechtsbehelfen gegen diese inzwischen rechtskräftigen Entscheidungen (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 705 ZPO) fehlt unter jedem Aspekt die für eine PKH-Bewilligung erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2021:160621BB13R1720BH0

Fundstelle(n):
VAAAH-85338