Umsatzsteuer | GiG bei Erwerb eines vermieteten Grundstücks (BFH)
Eine (partielle) Geschäftsveräußerung i. S. des § 1 Abs. 1a UStG liegt vor, soweit der Erwerber das zunächst vom Veräußerer gepachtete - teilweise eigenbetrieblich genutzte und teilweise untervermietete - Grundstück nach dem Erwerb weiterhin teilweise vermietet (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. In diesem Fall tritt der erwerbende Unternehmer an die Stelle des Veräußerers (§ 1 Abs. 1a Satz 3 UStG).
Sachverhalt: Der Kläger betrieb in den Streitjahren 2010 bis 2013 eine Fahrzeugaufbereitung und erbrachte Haus- und Gartenserviceleistungen. Er erwarb ein Grundstück, welches mit drei Lagerhallen und einem sog. Sozialgebäude bebaut ist. Das Grundstück hatte der Kläger rund zweieinhalb Jahre zuvor bereits gepachtet. Hier befand sich u.a. auch sein Betriebssitz. Der Kläger hatte das gepachtete Grundstück, soweit keine Nutzung durch ihn selbst erfolgte, untervermietet. Im Kaufvertrag verzichtete der Verkäufer gem. § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG; es wurde festgehalten, dass der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schulde.
Im Rahmen einer Außenprüfung wurde festgestellt, dass der Kläger das zunächst gepachtete und untervermietete Grundstück im Zeitpunkt des Erwerbs zu 65,9 % für steuerpflichtige Umsätze und zu 34,1 % für den Vorsteuerabzug ausschließende steuerfreie Vermietungsumsätze verwendet hat. Die auf den Grundstückskaufpreis vom Kläger als Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1, § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG geschuldete Umsatzsteuer ist daher im Jahr 2010 nur anteilig als Vorsteuer abzuziehen.
Im Einspruchsverfahren machte der Kläger erstmals geltend, dass es sich bei dem Erwerb des Grundstücks um eine nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG handelt. Das gesamte Grundstück ist vor dem Erwerb an ihn, den Kläger, vermietet bzw. verpachtet gewesen. Er hat die Vermietungs- und Verpachtungstätigkeit des Verkäufers nach dem Grundstückserwerb fortgeführt. Für den Grundstückserwerb wird weder Umsatzsteuer geschuldet noch kommt ein Vorsteuerabzug in Betracht; eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs in den Folgejahren entfällt.
Der BFH sah die Revision des Klägers als begründet an und wies zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück an das FG:
Bei der steuerpflichtigen Lieferung des Grundstücks handelt es sich, soweit der Kläger die Vermietungstätigkeit des Verkäufers fortgeführt hat, um eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG.
Übertragen werden muss ein Gesamt- oder "Teilvermögen". Bei Letzterem handelt es sich um einen autonomen unionsrechtlichen Begriff, der eine einheitliche Auslegung finden muss, um eine unterschiedliche Anwendung der Mehrwertsteuerregelung in den Mitgliedstaaten zu verhindern (vgl. EuGH, Urteil „Zita Modes“ EU:C:2003:644, Rz 32 und 34 f.; EuGH, Urteil „Schriever“ EU:C:2011:724, Rz 22, , Rz 29).
Der Teil des Grundstücks, das der Kläger bereits untervermietet hatte, bildet außerdem ein für die partielle Fortführung der Vermietungstätigkeit des Verkäufers ausreichendes Teilvermögen.
Der Senat weicht mit dieser Beurteilung nicht vom ab. Nach dieser Entscheidung ist eine Geschäftsveräußerung nicht gegeben, wenn ein vermietetes Grundstück verkauft wird, die Mietverhältnisse aber nicht übergehen, sondern der Veräußerer das Grundstück auch nach der Übertragung weiterhin - nunmehr als Zwischenmieter - vermietet. Die Vermietungstätigkeit hinsichtlich des vermieteten Grundstücks war in diesem Fall auch nach Veräußerung umsatzsteuerrechtlich weiterhin dem Veräußerer zuzurechnen, weil er seine Vermietungstätigkeit im Außenverhältnis gegenüber den Mietern auch nach dem Besitzübergang als Zwischenmieter fortgeführt hatte. Für die Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit im Verhältnis zu den Mietern war ohne Bedeutung, dass der Verkäufer nicht mehr als Eigentümer, sondern als Zwischenmieter vermietet hatte. Somit hatte der Erwerber des Grundstücks nicht die Vermietungstätigkeit des Veräußerers fortgeführt, sondern ein eigenes Vermietungsunternehmen begründet, während daneben das Vermietungsunternehmen der übertragenden Person unverändert fortbestand. Die für die Annahme einer Geschäftsveräußerung erforderliche Unternehmensübertragung war danach nicht gegeben (vgl. , Rz 15).
Soweit der Kläger, ein Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, die Vermietungstätigkeit des Verkäufers nicht fortgeführt hat, sondern das Grundstück fortan eigenbetrieblich genutzt hat, ist für die Lieferung des Grundstücks im Jahr 2010 auf deren Steuerbefreiung i.S. des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG gem. § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 UStG verzichtet wurde eine Steuer entstanden, die dieser als Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1, § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG schuldet. Insoweit steht dem Kläger - was das Jahr 2010 betrifft - gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG der Vorsteuerabzug zu, da die eigenbetriebliche Tätigkeit umsatzsteuerpflichtig ist.
Die Entscheidung ist für den Steuerpflichtigen von besonderem Interesse, da sie eine Fallstruktur behandelt, die bisher vom BFH noch nicht entschieden worden ist und eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG bei einem Vermietungsunternehmen betrifft.
Der Fall ist zu einer Entscheidung des V. Senats des BFH abzugrenzen, der gewissermaßen den umgekehrten Fall behandelt. Es ist daher für den Berater wichtig diese beiden Fälle voneinander zu unterscheiden. Der Fall des V. Senats () betraf den Verkauf eines vermieteten Grundstücks. Die Mietverhältnisse gingen aber nicht auf der Erwerber über, sondern der Veräußerer vermietete das Grundstück auch nach der Übertragung weiter – nunmehr als Zwischenmieter. Die Vermietungstätigkeit hinsichtlich des vermieteten Grundstücks war nach der Veräußerung umsatzsteuerlich weiterhin dem Veräußerer zuzurechnen, da er nunmehr als Zwischenvermieter fungierte. Eine Geschäftsveräußerung lag nicht vor, da es an der Unternehmensübertragung fehlte.
Im Besprechungsfall lag der umgekehrte Fall vor. Der Eigentümer, der an den Kläger das Grundstück vermietet hatte, der wiederum an Dritte – als Zwischenvermieter – das Grundstück vermietete, übertrug das Grundstück auf den Kläger. Zwar ging das bisherige Mietverhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Kläger unter; jedoch war das Vermietungsunternehmen – so die Entscheidung des XI. Senats - auf den Kläger übergegangen, so dass von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen ausgegangen werden konnte. Diese war somit nach § 1 Abs. 1a UStG steuerfrei.
Die Entscheidung des XI. Senats ist vom Sinn und Zweck der Vorschrift des § 1 Abs. 1a UStG getragen. Sie soll die Übertragung von Unternehmen und Unternehmensteilen erleichtern.
Überdies weist der Sachverhalt des Besprechungsurteils auf ein in der Praxis weit verbreitetes verfahrensrechtliches Problem hin. Wird nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung ein Änderungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen - so im Streitfall -, so hat der Steuerpflichtige einen Anspruch auf Löschung des Vorbehalts, es sei denn die Sonderprüfung war „auf bestimmte Sachverhalte“ beschränkt (). Macht er die Löschung des Vorbehalts geltend (durch Einspruch und evtl. Klage) und war die Sonderprüfung nicht auf bestimmte Sachverhalte beschränkt, darf kein zweiter Änderungsbescheid – z.B. aufgrund einer allgemeinen Außenprüfung ergehen. § 164 Abs. 3 Satz 3 AO gewährt dem Steuerpflichtigen Rechtssicherheit, die ihm durch einen weiteren Änderungsbescheid genommen würde ().
Quelle: ; NWB Datenbank (JT)
Fundstelle(n):
PAAAH-85298