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WP Praxis Nr. 8 vom Seite 251

Berufsrechtliche Neuregelungen durch das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz

Aktuelle Änderungen für die Abschlussprüfung sowie andere betriebswirtschaftliche Prüfungen bei Non-PIE und PIE

WP/StB Prof. Dr. Holger Philipps

Im Sommer 2020 machten die Insolvenz und der Bilanzbetrugsfall der Wirecard AG Schlagzeilen. Wieder einmal wurde das Vertrauen der Kapitalmarktteilnehmer massiv erschüttert. Regierungsvertreter reagierten schnell mit der Ankündigung von Maßnahmen zur Wiederherstellung des verloren gegangenen Vertrauens und rund fünf Monate später lag bereits der Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz – FISG) vor. Damit sollten u. a. die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers gestärkt und die Qualität der Abschlussprüfung verbessert werden. Parallel dazu wurde ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zum Fall Wirecard AG eingesetzt. Dessen Ergebnisse sind maßgeblich in die Beschlussempfehlungen des federführenden Finanzausschusses des deutschen Bundestags eingeflossen. Sie beeinflussten das anschließend innerhalb von knapp 10 Tagen Ende Mai 2021 schnell beschlossene FISG wesentlich. Wegen dieser Schnelligkeit wurde in der „Community“ darüber weder informiert noch diskutiert. Dies nimmt der Beitrag zum Anlass, die abschließenden Regelungen des FISG mit Auswirkung auf die Abschlussprüfung und auch auf andere betriebswirtschaftliche Prüfungen im Überblick darzustellen. Dabei wird u. a. deutlich, dass alle Abschlussprüfungen und Abschlussprüfer, nicht nur solche bei PIE, durch die Regelungen des FISG maßgeblich beeinflusst werden bzw. werden können.

Kernaussagen
  • Mit dem FISG wurden u. a. zahlreiche berufsrechtliche Regelungen geändert. Sie betreffen Abschlussprüfungen und -prüfer bei Non-PIE und PIE und sind zumeist anzuwenden für nach dem beginnende Geschäftsjahre.

  • Wesentliche Änderungen betreffen die Haftung, die Betonung der kritischen Grundhaltung, die Ausgestaltung der Mindestversicherungssumme für die Berufshaftpflichtversicherung, die teilweise Entbindung der Berufsaufsicht von der Verschwiegenheit, die Erhöhung des Bußgeldrahmens für und Erleichterung der Sanktionierung von Berufsgesellschaften, die Aufgabe der anonymisierten Bekanntmachung schwererer berufsaufsichtlicher Maßnahmen sowie für Abschlussprüfungen und -prüfer bei PIE die zeitliche Verkürzung der externen und internen Mandatslaufzeit, die Einschränkung von Nichtprüfungsleistungen sowie die Verschärfung der Strafrechts- und Ordnungswidrigkeitsfälle.

  • Wichtige Änderungen wurden erst durch die Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses als Ergebnisse des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Bilanzbetrugsfall bei der Wirecard AG in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht und dann zeitlich sehr schnell im Gesetz berücksichtigt. So konnten nicht alle Änderungen in der „Community“ diskutiert und durchdacht werden.

I. Bedeutung und Aktualität des Themas

Im Juni 2020 musste die Wirecard AG Insolvenz anmelden. Erst knapp zwei Jahre zuvor wurde das Unternehmen in den DAX 30 aufgenommen, dem Leitindex für die 30 nach ihrer Marktkapitalisierung größten börsennotierten deutschen Unternehmen. Die Wirecard AG galt als das deutsche Fintech-Unternehmen. Seit ihrer Insolvenz zeigte sich, die Wirecard AG hatte dem Kapitalmarkt mit einem lange geplanten und groß angelegten Betrug eine phantastische Wachstumsstory vorgegaukelt. Gemessen an der Differenz zwischen historischem Höchst- und Tiefstkurs der Wirecard-Aktie erlebten die Aktionäre des Unternehmens seit Oktober 2018 einen Vermögensverlust von rund 24 Mrd. €.

Wieder einmal erschütterte ein Betrugsfall das Vertrauen der Anleger am Kapitalmarkt.

In seinem Fahrwasser geriet auch die Abschlussprüfung in die Diskussion. Kritiker sowie Parlamentarier (als Ergebnis des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Fall S. 252Wirecard) warfen bzw. werfen den Abschlussprüfern hier erhebliche Fehlleistungen vor, was die Abschlussprüfer so nicht akzeptieren wollen.

Losgelöst von den fortschreitenden Erkenntnissen verfolgte das im Oktober 2020 in der Fassung des Referentenentwurfs veröffentlichte Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz, FISG) von Beginn an u. a. das Ziel, „Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit der Abschlussprüfer“ zu normieren, „um ein Prüferversagen zu verhindern, und um das Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit von Rechnungslegungsunterlagen und in den deutschen Finanzmarkt dauerhaft zu stärken. Es muss gewährleistet sein, dass die Abschlussprüfertestate eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage für die Finanzmarktakteure sind.“

Um dieses Ziel zu erreichen, werden mit dem FISG für alle Abschlussprüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (englischsprachig „Public Interest Entity“ – im folgenden PIE) eine Mandatshöchstlaufzeit von zehn Jahren, die stärkere Trennung von Abschlussprüfung und Nichtprüfungsleistungen, die Verschärfung der Haftung sowie strengere Sanktionen im Bilanzstraf- und im Bilanzordnungswidrigkeitenrecht für Abschlussprüfer normiert. Diese Änderungen standen im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens im Fokus der Diskussion. Sie betreffen Regelungen zur Abschlussprüfung im HGB, respektive im speziellen Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer. Daneben ändert das FISG aber auch Regelungen für oder im Zusammenhang mit der Abschlussprüfung in der WPO, respektive im allgemeinen Berufsrecht mit Geltung auch für Abschlussprüfungen bei anderen Unternehmen als denjenigen von öffentlichem Interesse (im folgenden Non-PIE). Darüber wurde im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zum FISG wenig diskutiert und informiert , auch, weil diese Änderungen zum Teil erst über die Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags vom in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden sind.

Am wurde das FISG im Bundesrat beschlossen und am 10. Juni 2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Seine Regelungen treten grundsätzlich am in Kraft.

Beide zuvor genannten Aspekte bieten Anlass genug, die berufsrechtlichen Neuregelungen durch das FISG für die Abschlussprüfung im speziellen und auch im allgemeinen Berufsrecht sowie seine Neuregelungen auch für andere betriebswirtschaftliche Prüfungen vorzustellen. Dazu gibt der Beitrag zunächst einen Überblick über die Neuerungen für alle Abschlussprüfungen und Abschlussprüfer (Abschnitt II.) und anschließend über diejenigen nur mit Geltung für Abschlussprüfungen und Abschlussprüfer bei PIE (Abschnitt III.). Darauffolgend werden Neuerungen durch das FISG bei anderen betriebswirtschaftlichen Prüfungen angesprochen (Abschnitt IV.) und anschließend die zeitliche Anwendung aller Neuregelungen thematisiert (Abschnitt V.).

II. Berufsrechtliche Neuregelungen für alle Abschlussprüfer

1. Betonung und Konkretisierung der kritischen Grundhaltung

Anforderungen an die kritische Grundhaltung der Abschlussprüfer sind nun in § 43 Abs. 4 WPO sehr viel ausführlicher formuliert und dadurch konkreter als bisher vorgegeben. Der Wortlaut dazu wurde erst mit den Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags in das FISG eingefügt und lautet nun wie folgt:

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