Finanzbehörde Hamburg - 53 - S 4543 - 06/97

§ 16 GrEStG; Formerfordernis bei Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs nach § 16 GrEStG

Bezug:

1. Fälle des § 16 Abs. 1 GrEStG

1.1

Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wird die Grunderwerbsteuer auf Antrag, der formlos gestellt werden kann, nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn ein Erwerbsvorgang durch Vereinbarung rückgängig gemacht wird, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist, und die Rückgängigmachung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer erfolgt. Die Vorschrift erfasst in erster Linie die auf einem freien Willensentschluss der Vertragsparteien beruhende und in deren gegenseitigen Einvernehmen erfolgende Aufhebung eines Erwerbsvorgangs durch einen Aufhebungsvertrag.
Zu der Frage, ob ein solcher Aufhebungsvertrag der notariellen Beurkundung nach § 311 b Abs. 1 BGB (entspricht § 313 BGB a.F.; vgl. Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom , BGBl I 2001 S. 3138) bedarf, bittet die Fin Beh nachfolgende Auffassung zu vertreten:

Nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist die Rückgängigmachung eines Rechtsgeschäfts durch Vereinbarung nicht von einer bestimmten formalen vertraglichen Gestaltung abhängig. Auch hat sich der Bundesfinanzhof in seinen bisher zu dieser Vorschrift ergangenen Entscheidungen nicht mit den Formerfordernissen der Vereinbarung über die Rückgängigmachung eines Grundstückskaufvertrages auseinandergesetzt. Da die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG jedoch die zivilrechtlich wirksame Beseitigung des zur Grunderwerbsteuer führenden Rechtsvorgangs verlangt, kommt hinsichtlich der Frage, welche Form der Aufhebungsvertrag haben muss, der höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung entscheidende Bedeutung zu.

Der Bundesgerichtshof hat seine frühere Rechtsprechung, nach der die Aufhebung und die Verpflichtung zur Aufhebung eines Grundstückskaufvertrages bis zur Umschreibung des Eigentums im Grundbuch formfrei war, mit Urteil vom (NJW S. 1639) aufgegeben. Nach dieser geänderten, inzwischen als gefestigt anzusehenden Rechtsprechung ( NJW S. 3323, und vom , NJW S. 3346) stellt sich die Rechtslage derzeit wie folgt dar:

Liegt ein Kaufvertrag ohne Auflassungserklärung und ohne Eintragung einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch vor, kann der Kaufvertrag formfrei aufgehoben werden. Die Aufhebung begründet in Bezug auf das veräußerte Grundstück keine wie auch immer geartete unmittelbare oder mittelbare Rückübertragungs- oder Erwerbsverpflichtung.

Bei einem Kaufvertrag mit Auflassungserklärung und ohne Eintragung einer Auflassungsvormerkung bzw. ohne Antrag auf Umschreibung des Eigentums im Grundbuch kann die Vertragsaufhebung ebenfalls formfrei vorgenommen werden. In derartigen Fällen befindet sich das Grundstück noch im Eigentum des Verkäufers, der es anderweitig veräußern oder belasten kann. Entsprechendes gilt, wenn der Veräußerer einen Eintragungsantrag zu Gunsten des Auflassungsempfängers gestellt hat, den er jederzeit wieder zurücknehmen kann.

Bei Vorliegen eines Kaufvertrags und eines Anwartschaftsrechts des Auflassungsempfängers besteht für den Aufhebungsvertrag Beurkundungszwang. Ein Anwartschaftsrecht des Auflassungsempfängers liegt vor, wenn er eine gesicherte Rechtsposition innehat, die der andere Vertragsbeteiligte (Veräußerer) nicht mehr einseitig zerstören kann. Der Erwerb eines Anwartschaftsrechts durch den Auflassungsempfänger ist in den Fällen zu bejahen, in denen er selbst den Antrag auf Umschreibung des Eigentums im Grundbuch gestellt hat oder eine Auflassungsvormerkung zu seinen Gunsten im Grundbuch eingetragen ist, die ihn nach den Vorschriften der §§ 883 ff BGB vor einer anderweitigen Verfügung des Verkäufers schützt. Weitere Voraussetzung für das Entstehen eines Anwartschaftsrechts des Auflassungsempfängers ist, dass der Antrag auf Eintragung des Eigentums oder die Eintragung einer Auflassungsvormerkung nach der Auflassung erfolgt. Durch die Eintragung einer Auflassungsvormerkung vor der Auflassung entsteht daher noch kein derartiges Anwartschaftsrecht.

Wird ein bestehendes Anwartschaftsrecht wieder aufgegeben, z.B. durch formlose Aufhebung der Auflassung oder durch Rücknahme des Eintragungsantrags, entfällt das Formerfordernis bzw. der zunächst unwirksame Aufhebungsvertrag wird dadurch geheilt.

1.2

Nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG wird auf Antrag die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn die Vertragsbedingungen nicht erfüllt werden und der Erwerbsvorgang vor Eigentumsübergang auf Grund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird.

In den Fällen des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG erfolgt die Rückgängigmachung regelmäßig durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Berechtigten. Sie ist formfrei möglich und kann auch konkludent erklärt werden (Palandt, 61. Aufl., § 313 Rn 17). Andererseits besteht auch die Möglichkeit, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen. Dieser bedarf ebenfalls nicht der Form des § 311 b Abs. 1 BGB (Palandt, 61. Aufl., § 313 Rn 39). Die Rechtsprechung verlangt aber, dass vor Abschluss der Vereinbarung das Vorliegen des gesetzlichen Rücktrittsrechts zwischen der Vertragsschließenden unbestritten feststehen muss (zuletzt EFG 1998 S. 1087). Hat der Erwerber nach Auflassung durch Stellung des Eintragungsantrags oder durch Eintragung einer Auflassungsvormerkung ein Anwartschaftsrecht erworben, ist die Verpflichtung zur Aufhebung des Anwartschaftsrecht formbedürftig (Palandt, 61. Aufl., § 313 Rn 40).

2. Fälle des § 16 Abs. 2 GrEStG

2.1

Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, so wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet.

§ 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG verlangt nicht, dass der vorangegangene Vertrag aufgehoben wird. Der bloße Rückkauf reicht. Für das schuldrechtliche Rechtsgeschäft besteht Beurkundungszwang nach § 311 b Abs. 1 BGB.

2.2

Nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG treten die zu § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG beschriebenen Rechtsfolgen auch ein, wenn das dem Erwerbsvorgang zugrunde liegende Rechtsgeschäft nichtig oder infolge einer Anfechtung als von Anfang an nichtig anzusehen ist.

Die Vorschrift erfasst die Fälle, in denen die Eigentumsübertragung am Grundstück zivilrechtlich wirksam erfolgt ist, diese Eigentumsübertragung jedoch aufgrund einer objektiv nichtigen oder durch Anfechtung nichtig gewordenen schuldrechtlichen Verpflichtung vorgenommen wurde. In diesem Fall steht dem Veräußerer nach § 812 f BGB ein Anspruch auf Rückübertragung des Eigentums zu. § 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG setzt einen einseitig und gegen den Willen des ursprünglichen Erwerbers durchsetzbaren Anspruch auf Rückerwerb voraus. Es ist nicht ausreichend, wenn die Parteien das Rechtsgeschäft für nichtig halten ( BFH/NV S. 964).

2.3

§ 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG sieht eine Rückabwicklung bei Nichterfüllung der Vertragsbedingungen des Rechtsgeschäfts vor.
Hierzu ist die Einigung der Parteien über die Nichterfüllung der Vertragsbedingungen (ersatzweise ein rechtskräftiges Urteil über die Verpflichtung zur Rückübertragung) und die Rückauflassung erforderlich. Beide Voraussetzungen sind nach § 311 b Abs. 1 BGB formbedürftig.

3. Fälle des § 16 Abs. 3 GrEStG

3.1

Nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG wird auf Antrag die Steuer entsprechend niedriger festgesetzt oder die Steuerfestsetzung geändert, wenn die Gegenleistung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer herabgesetzt wird.

Die Herabsetzung der Gegenleistung unterliegt grundsätzlich dem Beurkundungszwang nach § 311 b Abs. 1 BGB, es sei denn, sie beruht auf einem berechtigten Minderungsverlangen oder die Änderung erfolgt erst nach der Auflassung bzw. nach der Grundbucheintragung (Palandt, 61. Aufl., § 313 Rn 41 u. 44).

3.2

Nach der Änderung des § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen vom (vgl. BGBl I 2002 S. 2722) wird auf Antrag die Steuer entsprechend niedriger festgesetzt oder die Steuerfestsetzung geändert, wenn die Herabsetzung (Minderung) auf Grund des § 437 BGB n.F. (bisher der §§ 459 und 460 BGB a.F.) vollzogen wird. Gegen eine entsprechende Anwendung des § 437 BGB n.F. ab dem bestehen keine Bedenken.

§ 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG setzt voraus, dass sich der Verkäufer auf Verlangen des Käufers mit der Minderung einverstanden erklärt oder dementsprechend verurteilt worden ist und die Minderung auch tatsächlich eingetreten ist. Bei einem berechtigten Minderungsverlangen besteht kein Formzwang nach § 311 b Abs. 1 BGB (siehe vorstehende Tz 3.1, zweiter Absatz).

Nach der Neukonzeption des Kaufrechts wird nicht mehr zwischen Sach- und Rechtsmängeln unterschieden, so dass auch bei Rechtsmängeln eine vollzogene Minderung des Kaufpreises im Rahmen der Grunderwerbbesteuerung zu berücksichtigen ist.

4. Verletzung der Anzeigepflicht (§ 16 Abs. 5 GrEStG)

Nach § 16 Abs. 5 GrEStG gelten die Absätze 1 bis 4 dieser Vorschrift nicht, wenn einer der in § 1 Abs. 2, 2a und 3 bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht nach den §§ 18, 19 GrEStG fristgerecht angezeigt war.

Dieser Erlass ergeht im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder.

Finanzbehörde Hamburg v. - 53 - S 4543 - 06/97

Fundstelle(n):
TAAAA-79516