Online-Nachricht - Donnerstag, 15.07.2021

Gewerbesteuer | Gemischt genutzte Gebäude keine Wohnungsbauten i. S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG (BFH)

Wohnungsbauten i. S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sind Gebäude, die ausschließlich Wohnzwecken dienen. Gemischt genutzte Gebäude werden nicht erfasst (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG tritt an Stelle der sog. einfachen Kürzung nach Satz 1 der Vorschrift auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen i. S. des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) in der jeweils geltenden Fassung errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt.

Sachverhalt: Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin die sog. erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zusteht.

Im Streitfall geht um die Rechtsfrage, ob eine "Betreuung von Wohnbauten" auch dann vorliegt, wenn zu dem - neben eigenem - auch verwalteten fremden Grundbesitz in untergeordnetem Umfang Gebäudeeinheiten gehören, in denen sich nicht nur Wohnungen, sondern auch vereinzelt Gewerbeeinheiten befinden.

Für das Streitjahr beantragte die Klägerin die erweiterte Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Das FA veranlagte zunächst erklärungsgemäß. In der sich anschließenden Betriebsprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht vorlägen. Die Klägerin verwalte nicht ausschließlich fremde Wohnungsbauten, da die gemischt genutzten fremden Verwaltungseinheiten keine Wohnungsbauten i. S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG darstellten. Das FA schloss sich der Auffassung der Betriebsprüfung an.

Einspruch und Klage blieben erfolglos ().

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:

  • Zu Recht hat das FG entschieden, dass die sog. erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu versagen ist, wenn ein Unternehmen neben eigenem Grundbesitz gemischt genutzte Grundstücke bzw. Gebäude betreut.

  • § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erfasst mit dem Begriff "Wohnungsbauten" nur Gebäude, die ausschließlich Wohnzwecken dienen. Gemischt genutzte Gebäude werden nicht erfasst.

  • Hierfür spricht bereits der Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Auch die systematische Auslegung spricht dafür, dass gemischt genutzte Gebäude nicht unter den Begriff "Wohnungsbauten" fallen. Für die hier vertretene Auslegung des Begriffs "Wohnungsbauten" spricht ferner die Entstehungsgeschichte des § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 GewStG.

  • Angesichts des eindeutigen Wortlauts und der Entstehungsgeschichte des § 9 Nr. 1 Satz 3 EStG kann diese Norm schon deshalb nicht analog auf die Betreuung von gemischt genutzten Gebäuden angewendet werden, weil es an der dafür erforderlichen erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke fehlt.

  • Auch von Verfassungs wegen ist es nicht geboten, die Betreuung von gemischt genutzten Gebäuden unter den Begriff der Betreuung von Wohnungsbauten i. S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu fassen.

Anmerkung von Walter Bode, Richter im IV. Senat des BFH:

Kürzungsunschädlich nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, der die sog. „erweiterte Kürzung“ regelt, ist u.a. die Betreuung von „Wohnungsbauten“. Im Streitfall verwaltete die Klägerin neben eigenem Grundbesitz auch fremden Grundbesitz, der aus Wohnungen und gewerblichen Einheiten bestand. Drei hinsichtlich der Fremdverwaltung gebildete Verwaltungseinheiten enthielten gewerbliche Anteile zwischen 2 % und 18,5 % der gesamten nutzbaren Fläche der jeweiligen Einheit. Nach Ansicht des BFH wurde der Klägerin deshalb die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu Recht von FA und FG versagt. Denn diese komme nicht in Betracht, wenn ein Unternehmen neben eigenem Grundbesitz gemischt genutzte Grundstücke bzw. Gebäude betreue. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erfasse mit dem Begriff „Wohnungsbauten“ nur Gebäude, die ausschließlich Wohnzwecken dienen. Der BFH gewinnt dieses Ergebnis aus dem Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, im Rahmen einer systematischen Auslegung dieser Norm und aus deren Entstehungsgeschichte. Auch die Aufnahme der Betreuung von Wohnungsbauten in den Katalog der kürzungsunschädlichen Tätigkeiten habe der Schaffung von Wohnraum dienen sollen. Die analoge Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG auf die Betreuung von gemischt genutzten Gebäuden scheide mangels erkennbar planwidriger Gesetzeslücke aus. Auch von Verfassungs wegen sei es nicht geboten, die Betreuung von gemischt genutzten Gebäuden unter den Begriff der Betreuung von Wohnungsbauten i. S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu fassen. Für die Praxis ist somit entscheidend, ob sich in dem verwalteten fremden Gebäude auch Einheiten befinden, die dazu bestimmt sind, anderen als Wohnzwecken zu dienen. Insoweit weist der BFH darauf hin, dass die Beantwortung der Frage, welchen Zwecken ein Gebäude oder die darin befindlichen Einheiten zu dienen bestimmt sind, nicht nur vom Willen des Eigentümers oder des Mieters abhängt, eine Nutzung zu Wohnzwecken zu vereinbaren, sondern sich regelmäßig nach gesetzlichen Vorschriften und den darauf fußenden Genehmigungen für das konkrete Gebäude bestimmt.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
GAAAH-83642