BFH Beschluss v. - VIII B 86/20

Aufwendungen für den Blindenführhund einer in der Kanzlei des Ehemanns mitarbeitenden Rechtsanwältin

Leitsatz

NV: Ob Aufwendungen für einen Blindenführhund, der einer als Rechtsanwältin in der Kanzlei des Ehemanns tätigen Steuerpflichtigen auch die Teilnahme an Gerichtsverhandlungen und Mandantenbesprechungen für die Kanzlei ermöglicht, Betriebsausgaben der Kanzlei sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und betrifft keine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 4 Abs. 4;

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde ist teilweise unzulässig, teilweise unbegründet und insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

2 Gemäß § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert oder 3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt werden. Im Streitfall legen die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Voraussetzungen der angesprochenen Zulassungsgründe nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügend dar (s. unter 1. und 2.) und werfen keine abstrakt klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage auf (s. unter 3.).

3 1. Soweit die Kläger geltend machen, das Finanzgericht (FG) habe bei seiner Entscheidung die Vorgaben des (BFHE 242, 209, BStBl II 2013, 1015) nicht beachtet, zielt ihr Vorbringen auf die Darlegung des Zulassungsgrunds der Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ab. Sie begründen jedoch nicht schlüssig, dass die Voraussetzungen des Zulassungsgrunds erfüllt sein können.

4 a) Die Kläger begründen das Vorliegen einer Divergenz damit, das FG-Urteil weiche vom BFH-Urteil in BFHE 242, 209, BStBl II 2013, 1015 ab, weil das FG für die Würdigung, ob ein fremdübliches Arbeitsverhältnis vorgelegen habe und der Betriebsausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen der Klägerin zu gewähren sei, statt die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten des Streitfalls in den Blick zu nehmen, tragend darauf abgestellt habe, dass über die Mitarbeit der Klägerin in der Kanzlei des Klägers zwischen den Klägern weder ein mündlicher noch ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden sei.

5 b) Die Zulassung der Revision wegen Divergenz setzt voraus, dass das FG bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als u.a. der BFH oder ein anderes FG. Es muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der bezeichneten Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt. Eine solche Abweichung kann nicht nur vorliegen, wenn das FG ausdrücklich einen abstrakten Rechtssatz abweichend von einem solchen Rechtssatz des BFH formuliert. Es genügt, wenn das FG in fallbezogenen Rechtsausführungen abweicht und sich dies aus den Entscheidungsgründen hinreichend deutlich ergibt (vgl. aus der Senatsrechtsprechung den Beschluss vom  - VIII B 126/19, BFH/NV 2020, 1264, Rz 10, m.w.N.).

6 c) Die Kläger legen mit ihrem Vorbringen nach diesem Maßstab keine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO dar. Das FG hat das Vorliegen eines steuerrechtlich anzuerkennenden Ehegatten-Arbeitsverhältnisses als Voraussetzung für den Betriebsausgabenabzug von Altersvorsorgeaufwendungen für die Klägerin nicht nach anderen abstrakten Voraussetzungen als in der von den Klägern bezeichneten Divergenzentscheidung beurteilt. Es hat vielmehr die Voraussetzungen, die im BFH-Urteil in BFHE 242, 209, BStBl II 2013, 1015 für die Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses unter Ehegatten formuliert worden sind, ausdrücklich zitiert und angewendet. Soweit die Kläger geltend machen, das FG habe nach den Kriterien des BFH-Urteils in BFHE 242, 209, BStBl II 2013, 1015 zu dem Ergebnis kommen müssen, ein in der Kanzlei des anderen Ehegatten in Vollzeit mitarbeitender Ehegatte (hier: die Klägerin), der ebenfalls Berufsträger (hier: Rechts- und Fachanwältin) sei, müsse auch ohne den Abschluss eines Arbeitsvertrags bei Entrichtung von Vorsorgeaufwendungen steuerrechtlich als Arbeitnehmer-Ehegatte behandelt oder einem solchen gleichgestellt werden, rügen sie keine Divergenz, sondern eine aus ihrer Sicht fehlerhafte rechtliche Würdigung des Streitfalls durch das FG, die nicht zur Revisionszulassung führen kann (vgl. , BFH/NV 2014, 523, Rz 16).

7 2. Soweit die Kläger verfassungswidrige Ungleichbehandlungen i.S. des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gegenüber anderen Steuerpflichtigen als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO aufwerfen, erfüllen sie die Darlegungsanforderungen nicht.

8 a) Die Darlegung der Voraussetzungen des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO verlangt u.a. substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer zweifelhaften Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsfähig ist. Macht ein Beschwerdeführer —wie die Kläger im Streitfall— mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfassungsrechtliche Fragen als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung geltend, so erfordert die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung eine substantiierte, an den Vorgaben des GG und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik. Wird ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG geltend gemacht, ist auf naheliegende Gründe für und gegen die angegriffene Differenzierung einzugehen (vgl. zum Ganzen z.B. , BFH/NV 2017, 1052, Rz 8, 11, m.w.N.; Senatsbeschluss vom  - VIII B 42/19, BFH/NV 2020, 234, Rz 5).

9 b) An einer solchen Verdeutlichung und Begründung fehlt es, soweit die Kläger die Frage als grundsätzlich bedeutsam erachten, ob eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vorliegt, weil Vorsorgeaufwendungen für die in der Kanzlei des Klägers als Rechtsanwältin mitarbeitende Klägerin nicht als Betriebsausgaben abziehbar seien, die mitarbeitende Ehefrau eines Landwirts hingegen eine eigene Versorgung aus betrieblichen Mitteln erhalte. Die Kläger behaupten zwar eine Ungleichbehandlung und einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, leiten dieses Ergebnis jedoch weder anhand der jeweils einschlägigen Vorschriften des einfachen Rechts für die genannten Vergleichsgruppen noch anhand der einschlägigen Maßstäbe des Verfassungsrechts her. Ferner setzen sie sich nicht ansatzweise mit höchstrichterlicher und verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung zu der Problematik auseinander.

10 c) Soweit die Kläger meinen, ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege „auf der Hand“, da sie wegen der gesetzlichen Höchstbeträge ihre kumulierten Beiträge zu vor dem abgeschlossenen privaten Lebens- und Rentenversicherungen und aus an das Rechtsanwaltsversorgungswerk geleisteten 5/10-Pflichtbeiträgen nicht vollständig abziehen könnten, obwohl andere Rechtsanwälte in der Summe vergleichbare 10/10-Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk als Sonderausgaben abziehen könnten, fehlt es ebenfalls an der schlüssigen Darlegung der Voraussetzungen des Zulassungsgrunds.

11 Die Kläger verdeutlichen schon nicht, dass sie sich mit Steuerpflichtigen, die ihre Altersvorsorge allein darauf stützen, 10/10-Pflichtbeiträge an das berufsständische Versorgungswerk zu entrichten, um hieraus eine Altersrente zu beziehen, überhaupt in einer vergleichbaren Situation befinden. Nach den bindenden Feststellungen des FG haben die Kläger sich aus freien Stücken dafür entschieden, einen nach der Satzung des Versorgungswerks bindenden Pflichtbeitrag in Höhe von nur 5/10 (statt in Höhe von 10/10) zu leisten und ihre Altersvorsorge daneben auf Lebens- und Rentenversicherungen zu stützen, die vor dem abgeschlossen wurden (sog. Altversicherungen) und die —anders als eine Altersrente aus dem berufsständischen Versorgungswerk— unter bestimmten Voraussetzungen im Erlebensfall zu steuerfreien Leistungen führen können (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes 2004 i.V.m. § 52 Abs. 36 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren jeweils anzuwendenden Fassung). Es ist auf dieser Grundlage nicht erkennbar, dass ein im Ergebnis niedrigerer Sonderausgabenabzug der kumulierten Beiträge der Kläger zum Versorgungswerk und für die Altversicherungen gegenüber solchen Steuerpflichtigen, die nur höhere und als Sonderausgaben abzugsfähige Beiträge an das berufsständische Versorgungswerk leisten, nicht ausschließlich auf der Disposition der Kläger, sondern auf einer die Kläger verfassungswidrig benachteiligenden Ausgestaltung der Regelungen des Sonderausgabenabzugs beruhen könnte.

12 3. Die Voraussetzungen des Zulassungsgrunds gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO sind auch für die weitere von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage nicht erfüllt, da es sich nicht um eine abstrakte Rechtsfrage handelt.

13 a) Macht ein Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geltend, so hat er zunächst eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche, abstrakte Rechtsfrage herauszustellen. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert; nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Die ordnungsgemäße Konkretisierung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO erfordert regelmäßig, dass die aufgeworfene Rechtsfrage mit „Ja“ oder mit „Nein“ beantwortet werden kann; das schließt nicht aus, dass eine Frage gestellt wird, die je nach den formulierten Voraussetzungen mehrere Antworten zulässt. Unzulässig ist jedoch eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt und damit auf die Antwort „Kann sein“ hinausläuft (Senatsbeschluss in BFH/NV 2020, 1264, Rz 4, m.w.N.).

14 b) Eine solche abstrakte Rechtsfrage werfen die Kläger nicht auf. Sie heben hervor, die Aufwendungen für den Blindenführhund der Klägerin müssten „neben und zusätzlich zum Behindertenpauschbetrag“ abzugsfähig sein, weil dieser der Klägerin in Form der Teilnahme an Gerichtsverhandlungen und Mandantenbesprechungen die berufliche Tätigkeit für die Kanzlei des Klägers ermöglicht habe. Ob aufgrund des beschriebenen Einsatzes des Blindenführhunds für die rechtsanwaltliche Tätigkeit der Klägerin die Aufwendungen für das Tier vollständig als Betriebsausgaben bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit abzuziehen sein könnten (vgl. zum Werbungskostenabzug solcher Aufwendungen beim Arbeitnehmer , Deutsches Steuerrecht 1985, 672), hängt aber von den Umständen des Streitfalls als Einzelfall ab und betrifft keine abstrakte Rechtsfrage. Zudem ist die aufgeworfene Frage im Streitfall auch nicht entscheidungserheblich, denn das FG hat den von den Klägern beschriebenen Einsatz des Blindenführhunds für die berufliche Tätigkeit der Klägerin als Rechtsanwältin in der Kanzlei des Klägers in den Streitjahren nicht festgestellt.

15 4. Der Senat sieht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO von einer Darstellung des Tatbestands und einer weiteren Begründung ab.

16 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2021:B.080421.VIIIB86.20.0

Fundstelle(n):
BB 2021 S. 1684 Nr. 28
BFH/NV 2021 S. 1068 Nr. 9
NJW 2021 S. 2311 Nr. 31
AAAAH-83067