Gerichtsstandsbestimmung: Zuständigkeit für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Organisationshaft im Jugendvollzug
Gesetze: § 462a Abs 1 StPO, § 85 Abs 2 JGG, § 85 Abs 4 JGG, § 110 JGG
Instanzenzug: LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 6 KLs 6/19
Gründe
I.
1Das Landgericht Oldenburg hat gegen den Verurteilten am eine Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten verhängt und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Das Urteil ist seit dem rechtskräftig. Der Verurteilte befand sich seit dem in der Justizvollzugsanstalt V. in Untersuchungshaft; nach Eintritt der Rechtskraft wurde er am in die Jugendanstalt H. verlegt und befand sich dort zunächst in sogenannter Organisationshaft.
2Mit anwaltlichem Schriftsatz vom hat der Verurteilte beim Amtsgericht Hameln seine Freilassung, hilfsweise die Unterbrechung der Vollstreckung beantragt. Identische Anträge hat der Verurteilte mit anwaltlichem Schriftsatz vom beim Amtsgericht Wildeshausen gestellt. Der Verurteilte ist am zur Vollstreckung der Maßregel in der A. -Klinik H. aufgenommen worden. Mit anwaltlichen Schriftsätzen vom hat er gegenüber dem Amtsgericht Wildeshausen und dem Amtsgericht Hameln angesichts seiner Verschubung in die A. -Klinik H. in Abänderung seiner Anträge jeweils beantragt, festzustellen, dass die Vollstreckung der Organisationshaft bis zum rechtswidrig war.
3Das Amtsgericht Wildeshausen hat sich mit Beschluss vom für unzuständig erklärt und die Sache an das Amtsgericht Hameln abgegeben. Das Amtsgericht Hameln hat sich mit Beschluss vom für unzuständig erklärt und das Verfahren gemäß § 14 StPO dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorgelegt.
II.
41. Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberstes Gericht der Amtsgerichte Wildeshausen (Oberlandesgerichtsbezirk Oldenburg) und Hameln (Oberlandesgerichtsbezirk Celle) zur Entscheidung des zwischen den Gerichten bestehenden Zuständigkeitsstreites nach § 85 Abs. 2 und 4, § 110 JGG berufen.
52. Zuständig für die in Streit stehende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Organisationshaft ist das Amtsgericht - Jugendrichterin als Vollstreckungsleiterin - Hameln.
6Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift u.a. ausgeführt:
„Die Organisationshaft (ist) eine Form der Strafhaft, die im Erwachsenenvollzug die Zuständigkeit der örtlichen Strafvollstreckungskammern begründet (vgl. -, juris, Rn. 10, OLG Celle, Beschluss vom - 1 Ws 217/16 -, juris, Rn. 14, -, NStZ 2010, 295, 296, KK-StPO/Appl, 8. Aufl., § 462a Rn. 9, jew. m.w.Nachw.). Sie tritt mit Rechtskraft der Verurteilung ein und dauert bis zur Verlegung des Verurteilten in den Maßregelvollzug an. Es handelt sich dabei nicht um eine kurzfristige vorübergehende Aufnahme, die noch keine zuständigkeitsbegründende Wirkung entfaltet (vgl. -, juris, Rn. 10 m.w.Nachw.).
Nichts Anderes kann im Jugendvollzug nach §§ 85 Abs. 2, Abs. 4, 110 JGG gelten. Mit Eintritt der Rechtskraft am und Aufnahme des Verurteilten in die Jugendanstalt H. am ist das für diese Jugendanstalt zuständige Amtsgericht Hameln für die Durchführung der Vollstreckung zuständig gewesen (vgl. -, juris, m.w.Nachw.). Die Verlegung des Verurteilten in die A. Klinik H. am änderte an der Zuständigkeit nichts, da das Amtsgericht Hameln noch nicht abschließend über die Frage der Rechtmäßigkeit der Organisationshaft befunden hat, mit der es befasst war, bevor der Verurteilte verlegt wurde (vgl. zum Erwachsenenvollzug: -, juris, Rn. 16 m.w.Nachw.).“
7Dem tritt der Senat bei.
83. Eine isolierte Entscheidung über den Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger kommt mit Blick auf den bereits am gegenüber dem Amtsgericht Hameln gestellten und bislang nicht beschiedenen Antrag auf Beiordnung im Vollstreckungsverfahren nicht in Betracht. Das für die Bescheidung (weiterhin) zuständige Amtsgericht Hameln wird im Rahmen der Beurteilung der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage auch das hiesige Verfahren der Zuständigkeitsbestimmung zu berücksichtigen haben.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:290421B2ARS172.20.0
Fundstelle(n):
OAAAH-82919