Strafverfahren mit Bezug zum NATO-Truppenstatut: Zuständigkeit deutscher Gerichte für im Inland begangene Straftaten des Ehepartners eines nach Deutschland entsandten Angehörigen der US-Streitkräfte; Ausschlusses der Öffentlichkeit einschließlich der Vertreter des Entsendestaates in der Hauptverhandlung
Gesetze: Art 1 Abs 1 Buchst c NATOTrStat, Art 1 Abs 1 Buchst f NATOTrStat, Art 7 Abs 1 Buchst a NATOTrStat, Art 7 Abs 9 Buchst g NATOTrStat, Art 25 Abs 1 Buchst a S 1 NATOTrStatZAbk
Instanzenzug: LG Weiden Az: 21 Js 10226/19 - 1 Ks
Tenor
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Weiden in der Oberpfalz vom wird als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
1. Die Angeklagte unterliegt wegen der in Deutschland begangenen Tat als philippinische Staatsangehörige und Ehefrau eines nach Deutschland entsandten Soldaten der Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika (Entsendestaat) uneingeschränkt der deutschen Gerichtsbarkeit. Es ist nach Artikel VII Abs. 1 bis 3 des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen (Bekanntmachung vom , BGBl. II S. 745 - NATO-Truppenstatut, NTS) kein Fall konkurrierender Gerichtsbarkeit gegeben. Denn Artikel VII Abs. 1 lit. a NTS gestattet den Militärbehörden des Entsendestaates nicht, in Deutschland die Strafgerichtsbarkeit über Angehörige im Sinne von Artikel I Abs. 1 lit. c NTS auszuüben. Das ergibt sich bereits aus Artikel I Abs. 1 lit. f NTS. Demnach erstreckt sich die Zuständigkeit der Militärbehörden auf Mitglieder der Truppen und das zivile Gefolge, nicht jedoch auf Angehörige (vgl. Witzsch, Deutsche Strafgerichtsbarkeit über die Mitglieder der US-Streitkräfte und deren begleitende Zivilpersonen, 1970, S. 58). Darüber hinaus ist die Angeklagte nicht dem Militärrecht des Entsendestaates im Sinne von Artikel VII Abs. 1 lit. a NTS unterworfen. Denn in Friedenszeiten ist das Militärrecht der Vereinigten Staaten von Amerika nicht auf Auslandstaten anzuwenden, die Ehepartner von Soldaten begangen haben (vgl. KK-OWiG/Lutz, 5. Aufl., vor § 53 Rn. 52; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, 3. Aufl., § 46 Rn. 21; Perlak, Military Law Review 2001, Vol. 169, 93, 97 f.; Marenbach, NJW 1974, 1070; Schwenk, JZ 1976, 581, jeweils mwN).
2. Die Beschwerdeführerin kann nicht mit Erfolg eine Verletzung von Artikel 25 Abs. 1a Satz 1 des Zusatzabkommens zum NTS (BGBl. 1961 II S. 1218) geltend machen. Denn diese völkervertragsrechtliche Vereinbarung begründet lediglich ein Recht des Entsendestaates auf Teilnahme von Prozessbeobachtern an der Hauptverhandlung, nicht jedoch ein dahingehendes Individualrecht der Beschwerdeführerin (vgl. BT-Drucks. III/2146, S. 236, 239).
3. Soweit die Auslegung des Revisionsvorbringens eine Rüge der Verletzung von Artikel VII Abs. 9 lit. g NTS ergeben sollte, wäre diese unzulässig. Das in Artikel VII Abs. 9 lit. g NTS geregelte Recht der Beschwerdeführerin auf Anwesenheit eines Vertreters des Entsendestaates bei der Verhandlung sichert lediglich allgemeine rechtsstaatstypische Verfahrensrechte und begründet keine über die Bestimmungen des deutschen Strafverfahrensrechts hinausgehenden Vorrechte (vgl. , BGHSt 21, 81, 84; BT-Drucks. III/2146, S. 227). Die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge betreffend die Verletzung von Art. VII Abs. 9 lit. g NTS wegen des Ausschlusses der Öffentlichkeit einschließlich der Vertreter des Entsendestaates bei der Vernehmung einer kindlichen Zeugin erfordert deshalb die Mitteilung des Ausschließungsbeschlusses, die die Beschwerdeführerin unterlassen hat.
4. Die strafschärfende Berücksichtigung des in seinem letzten Teilakt von Ver-deckungsmotiven getragenen Tatgeschehens begegnet angesichts der Feststellungen insbesondere zu den Vorstellungen der Angeklagten über die mögliche Todesursächlichkeit des Wassereinflößens keinen durchgreifenden Bedenken.
König
Feilcke
Tiemann
Fritsche
von Schmettau
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:161220B6STR373.20.0
Fundstelle(n):
GAAAH-82897