BGH Beschluss v. - VIII ZA 6/20

Anhörungsrüge: Substanziierungspflicht zum Vorliegen einer Gehörsverletzung

Gesetze: § 321a Abs 2 S 5 ZPO, Art 103 Abs 1 GG

Instanzenzug: Az: VIII ZA 6/20 Beschlussvorgehend Az: 1 S 238/19vorgehend Az: 224 C 273/17

Gründe

I.

1Der Beklagte wurde durch das Amtsgericht Köln verurteilt, den Zutritt zu seiner von der Klägerin gemieteten Wohnung zwecks Anbringung von Rauchmeldern zu dulden. Seine Berufung hat das Landgericht Köln als unzulässig verworfen, da der Wert der Beschwer bei lediglich 500 € liege. Den Antrag des Beklagten, ihm zur Einlegung und Begründung einer hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde einen Notanwalt beizuordnen (§ 78b Abs. 1 ZPO), hat der Senat durch Beschluss vom zurückgewiesen.

2Der Beklagte habe schon nicht dargelegt, aus welchen Gründen die von ihm genannten, beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte zur Übernahme des Mandats nicht bereit gewesen seien. Hierauf sei er zuvor mit Schreiben des hingewiesen worden. Zudem sei die Rechtsverfolgung aussichtslos, da die Berufung des Beklagten mangels Erreichens des Beschwerdewerts (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) zu Recht als unzulässig verworfen worden sei.

3Hiergegen richtet sich die Anhörungsrüge des Beklagten.

II.

4Die gemäß § 321a Abs. 1 ZPO statthafte, im hiesigen, die Beiordnung eines Notanwalts betreffenden Verfahren nicht dem Anwaltszwang unterliegende (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VIII ZR 239/12, juris Rn. 1; vom - IX ZR 49/16, juris Rn. 2) und innerhalb der Frist des § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO eingelegte Anhörungsrüge des Beklagten ist - soweit mit ihr ordnungsgemäß eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt wird - unbegründet.

51. Soweit der Beklagte beanstandet, die vorinstanzlichen Entscheidungen seien nicht ordnungsgemäß ergangen sowie bekannt gemacht und der angegriffene Senatsbeschluss stelle eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar, genügt die Anhörungsrüge bereits nicht den Anforderungen an die Darlegung einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung durch den Senat (§ 321a Abs. 2 Satz 5 iVm Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

6a) Eine Anhörungsrüge muss konkrete Ausführungen dazu enthalten, aus welchen Umständen sich eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Gericht ergibt. Dabei genügt die schlichte Behauptung einer Gehörsverletzung nicht. Die nach § 321a Abs. 2 Satz 5 ZPO erforderliche Darlegung setzt vielmehr die Angabe der Tatsachen voraus, aus denen sich die geltend gemachte Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ergibt, sowie einen substantiierten Vortrag zum Vorliegen der Voraussetzungen einer Gehörsverletzung (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 46/15, juris Rn. 4; vom - VIII ZR 300/18, juris Rn. 2; jeweils mwN). Sieht sie ihr rechtliches Gehör dadurch als verletzt an, dass ihr aufgrund einer vermeintlich verfrühten gerichtlichen Entscheidung weiterer, ergänzender Sachvortrag abgeschnitten wurde, muss sie daher im Rahmen der Anhörungsrüge ausführen, was sie im Verfahren noch hätte vortragen wollen (vgl. , NJW 2009, 148 Rn. 10; BGH, Beschlüsse vom - IV ZR 321/05, NJW 2008, 378 Rn. 3; vom - VI ZB 44/11, NJW 2012, 2201 Rn. 17, 21; vom - AnwZ (Brfg) 58/11, juris Rn. 3; vom - VIII ZR 219/18, juris Rn. 4). Nur hiernach kann beurteilt werden, ob die Entscheidung möglicherweise anders ausgefallen wäre, mithin die Gehörsverletzung entscheidungserheblich ist.

7b) Diesen Anforderungen wird die Anhörungsrüge des Beklagten nicht gerecht.

8aa) Soweit er ausführt, die Entscheidungen der Vorinstanzen seien weder ordnungsgemäß ergangen noch ordnungsgemäß bekannt gemacht und daher Fristen nicht in Lauf gesetzt worden, wird eine Gehörsverletzung durch den angegriffenen Senatsbeschluss nicht im Ansatz aufgezeigt.

9bb) Bezüglich der Rüge, es liege eine unzulässige Überraschungsentscheidung vor, weil ihm der im angegriffenen Senatsbeschluss erwähnte Hinweis des nicht zugegangen sei, fehlt es an dem nach Vorstehendem gebotenen Vortrag des Beklagten dazu, was er aufgrund des Hinweises noch vorgebracht hätte. Gleiches gilt, soweit er beanstandet, die von ihm angekündigte "weitergehende Begründung" seines Antrags auf Beiordnung eines Notanwalts sei nicht abgewartet worden.

10Er kann sich insoweit nicht mit Erfolg darauf berufen, auch im Rahmen der Anhörungsrüge keine Angaben machen zu können, da ihm der Hinweis - immer noch - nicht vorliege. Denn spätestens nach Erhalt des Senatsbeschlusses vom wusste der Beklagte um den Inhalt des Schreibens vom , da im Beschluss - korrespondierend mit dem vorherigen Hinweis - ausgeführt wurde, dass die bloße Erklärung des Beklagten, die angefragten Rechtsanwälte hätten eine Vertretung abgelehnt nicht genüge, weil die Angabe der Gründe hierfür fehle. Damit war er in der Lage, zumindest mit seiner Anhörungsrüge nähere Angaben zu machen. Diese fehlen.

11Weitere Hinweise waren dem Beklagten, entgegen dessen Ansicht, nicht zu erteilen. Ein Gericht verstößt insoweit nur dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG und gegen das Gebot eines fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip), wenn es bei einer Entscheidung ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (Verbot der "Überraschungsentscheidung", vgl. BVerfG, NJW-RR 2018, 694 Rn. 18; , NJW 2015, 3453 Rn. 7; jeweils mwN). Derartige Gesichtspunkte, mit denen der antragstellende Beklagte als Rechtsanwalt bei der Bescheidung seines Antrags nach § 78b Abs. 1 ZPO nicht rechnen musste, sind von ihm weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

122. Soweit der Beklagte rügt, der Senat habe im Rahmen der Beurteilung seiner Rechtsverfolgung als aussichtslos entscheidungserheblichen Sachvortrag nicht hinreichend berücksichtigt, ist dies unzutreffend (§ 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 3 ZPO). Der Senat hat das vom Beklagten als übergangen gerügte Vorbringen erwogen, aber hieraus einen Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Bemessung der Beschwer nicht entnommen. Eine Gehörsverletzung ergibt sich hieraus nicht, denn das Gebot rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch der von den Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen (vgl. , juris Rn. 4).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:260121BVIIIZA6.20.0

Fundstelle(n):
PAAAH-82401