BGH Beschluss v. - I ZR 173/20

Urheberrechtsverletzung durch Filesharing: Vorgerichtliche Pflicht des Internetanschlussinhabers zur Aufklärung über den Täter

Gesetze: § 19a UrhG, § 101a UrhG

Instanzenzug: Az: 24 S 1/20vorgehend Az: 1 C 5689/18

Gründe

1I. Zu fünf Zeitpunkten zwischen dem und dem bot der volljährige Cousin des Beklagten eine Datei mit dem Computerspiel "Stronghold Crusader 2" über den Internetanschluss des Beklagten in einer Tauschbörse öffentlich zum Herunterladen an. Die Klägerin behauptet, die ausschließlichen Vertriebs- und Verwertungsrechte an dem Computerspiel für Deutschland und eine Reihe anderer Staaten innezuhaben. Auf die Abmahnung der Klägerin gab der Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Mit Blick auf die geltend gemachten Zahlungsansprüche wies er darauf hin, dass "aufgrund des hier vorliegenden und im Falle eines gerichtlichen Verfahrens auch beweisbaren Sachverhalts" keine Zahlung erfolgen werde. Weitere Einzelheiten hierzu teilte er nicht mit.

2Die Klägerin hat den Beklagten zunächst auf Zahlung eines Teilschadensersatzes von 900 € und ihrer Abmahnkosten von 984,60 €, jeweils zuzüglich Zinsen, in Anspruch genommen. Der Beklagte hat in der Klageerwiderung seinen Cousin namentlich benannt und mitgeteilt, dieser habe ihm gegenüber zugegeben, die fragliche Urheberrechtsverletzung begangen zu haben. Die Klägerin hat die Täterschaft des Cousins des Beklagten unstreitig gestellt, ihre Klage geändert und die Feststellung beantragt, dass der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe. Sie beruft sich hierfür auf einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen der verspäteten Benennung des dem Beklagten bekannten Täters der Urheberrechtsverletzung.

3Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

4II. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Das durch die Unterlassungserklärung entstandene Schuldverhältnis zwischen den Parteien sei aufgrund ihres übereinstimmenden Willens ausschließlich zukunftsgerichtet. Aus einer ohne vorherige Kontaktaufnahme ausgesprochenen Abmahnung entstehe kein Vertrauensverhältnis, das die Annahme eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses rechtfertige. Eine unbegründete Abmahnung schaffe auch kein Schuldverhältnis aus Geschäftsführung ohne Auftrag, weil sie weder auf die Erfüllung einer Pflicht des Abgemahnten im Sinne des § 679 BGB hinwirke noch dessen mutmaßlichem Willen entspreche. Soweit die Rechtsprechung eine Antwortpflicht anerkenne, habe diese ihren Grund darin, dass die Abmahnung das durch die Verletzungshandlung entstandene gesetzliche Schuldverhältnis konkretisiere; dies sei nicht auf den abgemahnten urheberrechtlichen Nichtstörer übertragbar. Es könne dahinstehen, ob der Klägerin ein Besichtigungsanspruch nach § 101a UrhG zustehe, weil diese Vorschrift nur die in ihr aufgeführten Pflichten begründe. Die unionsrechtliche Grundlage des Besichtigungsanspruchs in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/48/EG gebiete offenkundig keine richtlinienkonforme Auslegung dahin, dass als minus zu diesem auch eine Antwortpflicht des Abgemahnten bestehe. § 101a UrhG stelle auch kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar. Der Beklagte sei der Klägerin nicht aus § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, weil ihm keine Antwortpflicht oblegen habe und sein Schweigen nicht als besonders verwerflich zu werten sei. Auch das durch die Zustellung eines Mahnbescheids entstehende Prozessrechtsverhältnis habe den Beklagten nicht zur Auskunftserteilung verpflichtet.

5Das Berufungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, weil es nach seiner Auffassung der Klärung bedürfe, ob die Grundsätze der wettbewerbsrechtlichen Antwortpflicht von abgemahnten Störern auf abgemahnte urheberrechtliche Nichtstörer zu übertragen seien.

6III. Der Senat beabsichtigt, die zugelassene Revision der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil er davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht mehr vorliegen (dazu III 1) und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat (dazu III 2).

71. Die Revision ist zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

8Die klärungsbedürftige Frage, die sich dem Berufungsgericht im vorliegenden Fall stellte, hat der Senat inzwischen mit Urteil vom entschieden (I ZR 228/19, juris - Saints Row). Danach besteht zwischen dem Rechtsinhaber, dessen urheberrechtlich geschütztes Werk ohne seine Zustimmung über eine Internettauschbörse öffentlich zugänglich gemacht wird, und dem hierfür nicht als Täter, Teilnehmer oder Störer verantwortlichen Inhaber des Internetanschlusses, über den die Urheberrechtsverletzung begangen worden ist, regelmäßig keine gesetzliche Sonderverbindung, die den Anschlussinhaber dazu verpflichtet, den Rechtsinhaber vorgerichtlich über den ihm bekannten Täter der Urheberrechtsverletzung aufzuklären (vgl. , juris Leitsatz sowie Rn. 33, 38 und 68 - Saints Row). Das Unionsrecht verlangt die Anerkennung einer solchen gesetzlichen Sonderverbindung nicht (vgl. , juris Rn. 72 - Saints Row).

9Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen daher zwar im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts vor, sind jedoch aufgrund der Entscheidung des Senats vom zwischenzeitlich entfallen. Dieser Fall wird vom Regelungsbereich des § 552a ZPO erfasst. Maßgeblich für die Beurteilung nach § 552a ZPO, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision vorliegen, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts (vgl. , GRUR 2005, 448 Rn. 7 = WRP 2005, 508 - SIM-Lock II).

102. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Sinne des Senatsurteils vom (I ZR 228/19, juris - Saints Row) entschieden, auf dessen Begründung Bezug genommen wird. Darüber hinaus ist die Auslegung des Berufungsgerichts, dass der Beklagte mit dem Unterlassungsvertrag, der infolge seiner strafbewehrten Unterlassungserklärung gegenüber der Klägerin zustande gekommen ist, keine Pflicht zur Benennung des Täters übernommen hat, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. hierzu auch , juris Rn. 21 bis 32 - Saints Row).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:210121BIZR173.20.0

Fundstelle(n):
YAAAH-81909