BAG Urteil v. - 9 AZR 312/20

Widerruf eines Teilzeitverlangens nach § 8 TzBfG - abändernde Annahme iSv. § 150 Abs. 2 BGB

Leitsatz

1. Der Arbeitnehmer ist an sein Verlangen, die Arbeitszeit nach § 8 Abs. 1 TzBfG zu verringern, bis zum Ablauf der Stellungnahmefrist des Arbeitgebers aus § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG in der bis zum geltenden Fassung vom (TzBfG aF) (juris: § 8 Abs 5 S 1 TzBfG F: 2000-12-21) gebunden. Ein Widerrufsrecht steht dem Arbeitnehmer nach Zugang seines Verringerungsantrags nicht zu.

2. Will der Arbeitgeber einen Teilzeitantrag nach § 8 Abs. 1 TzBfG aF (§ 8 Abs 1 TzBfG F: 2000-12-21) nicht uneingeschränkt, sondern nur unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen iSv. § 150 Abs. 2 BGB annehmen, muss er dies in seiner Stellungnahme eindeutig zum Ausdruck bringen. Andernfalls kommt eine Vertragsänderung nach Maßgabe des Teilzeitbegehrens des Arbeitnehmers zustande.

Gesetze: § 8 Abs 5 S 1 TzBfG vom , § 8 Abs 1 TzBfG vom , § 150 Abs 2 BGB, § 130 BGB, § 145 BGB, § 147 BGB

Instanzenzug: ArbG Solingen Az: 2 Ca 1159/18 lev Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 8 Sa 403/19 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über den Umfang der Arbeitszeit des Klägers.

2Der Kläger ist seit dem bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Seine monatliche Vergütung betrug 6.055,32 Euro brutto bei einer Vollzeitbeschäftigung mit wöchentlicher Arbeitszeit von 37,5 Stunden.

3Unter Bezugnahme auf § 8 TzBfG beantragte der Kläger bei der Beklagten mit Schreiben vom die Verringerung seiner wöchentlichen Arbeitszeit auf 20 Stunden bei einer Verteilung auf fünf Tage in der Woche mit Wirkung zum . Gesprächstermine über das Teilzeitverlangen kamen aufgrund krankheitsbedingter Abwesenheit des Klägers nicht zustande.

4Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom ließ der Kläger die Beklagte auffordern, bis zum über seinen Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit zu entscheiden. Unter dem antwortete die Beklagte, weiterhin für Gespräche zur Verfügung zu stehen. Nach einem Telefonat mit der „Legal Counsel“ der Beklagten, in dem der Klägervertreter erklärte, der Kläger wünsche kein Gespräch über sein Teilzeitverlangen, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom an, dem Kläger ihre Entscheidung über den Teilzeitantrag fristgerecht in einem gesonderten Schreiben mitzuteilen. Mit einem der Beklagten am zugegangenen Schreiben vom zog der Kläger seinen Antrag auf Teilzeit „mit sofortiger Wirkung“ zurück.

5Das Schreiben der Beklagten vom , mit dem sie den Antrag des Klägers auf Teilzeitbeschäftigung beschied, hat auszugsweise folgenden Inhalt:

6Der Kläger hat die Ansicht vertreten, das Vollzeitarbeitsverhältnis bestehe fort. Er habe sein Teilzeitverlangen wirksam zurückgenommen. Zudem habe die Beklagte seinen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung nicht unverändert angenommen.

7Der Kläger hat zuletzt beantragt

8Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger sei für die Dauer der Stellungnahmefrist des Arbeitgebers nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG an seinen Teilzeitantrag gebunden. Dem Teilzeitbegehren habe sie vor deren Ablauf am mit Schreiben vom zugestimmt.

9Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

10Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Klage ist zwar zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

11I. Der - auszulegende - Feststellungsantrag ist zulässig.

121. Er genügt den Bestimmtheitserfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Bei der gebotenen Auslegung des Antrags begehrt der Kläger die Feststellung, dass seine Arbeitszeit über den hinaus 37,5 Stunden je Woche beträgt (zur Auslegung prozessualer Erklärungen vgl. etwa  - Rn. 13; - 9 AZR 702/13 - Rn. 13). Der Wortlaut des Antrags bezeichnet zwar nicht ausdrücklich den nach Auffassung des Klägers maßgeblichen Umfang der vertraglichen Arbeitszeit. Aus der Klagebegründung folgt jedoch, dass sein Feststellungsbegehren auf das Fortbestehen einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden gerichtet ist.

132. Für den so verstandenen Klageantrag besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Die Beklagte beruft sich auf eine am eingetretene Verringerung der Arbeitszeit des Klägers auf 20 Stunden je Woche. Die Entscheidung über den Feststellungsantrag ist geeignet, weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien auszuschließen. Zwischen ihnen besteht allein Streit darüber, ob die Arbeitszeit des Klägers über den hinaus weiterhin 37,5 Stunden je Woche beträgt.

14II. Die Klage ist unbegründet. Die Parteien haben den Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers mit Wirkung zum einvernehmlich auf der Grundlage von § 8 TzBfG in der bis zum geltenden Fassung vom (TzBfG aF) auf 20 Stunden bei einer Verteilung auf fünf Wochentage herabgesetzt.

151. Der Kläger hat mit Schreiben vom gegenüber der Beklagten verlangt, seine vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit mit Wirkung zum von bisher 37,5 Stunden auf 20 Stunden bei einer Verteilung auf fünf Arbeitstage in der Woche zu verringern. Hierbei handelte es sich um ein auf Änderung des Arbeitsvertrags gerichtetes Angebot, an das er bis zum gebunden war.

16a) Die allgemeinen Voraussetzungen des § 8 TzBfG aF sind erfüllt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand im Zeitpunkt des Teilzeitverlangens länger als sechs Monate (§ 8 Abs. 1 TzBfG aF). Es steht außer Streit, dass die Beklagte regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt (§ 8 Abs. 7 TzBfG aF).

17b) Der Kläger hat die Frist des § 8 Abs. 2 Satz 1 TzBfG aF gewahrt. Danach muss das Änderungsverlangen des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber spätestens drei Monate vor Beginn der begehrten Arbeitszeitverringerung zugehen. Mit Schreiben vom hat der Kläger die Beklagte ersucht, die regelmäßige Arbeitszeit ab dem in dem von ihm gewünschten Umfang zu reduzieren und auf fünf Tage in der Woche zu verteilen.

18c) Der Kläger konnte seinen Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit und deren Verteilung nicht durch sein Schreiben vom widerrufen. Er war daran am gebunden.

19aa) Die Bindungswirkung eines Verringerungsverlangens besteht bis zum Ablauf der Erklärungsfrist des Arbeitgebers aus § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG aF. Dies entspricht Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck des § 8 TzBfG aF.

20(1) Das Verringerungsverlangen eines Arbeitnehmers nach § 8 Abs. 1 TzBfG aF ist eine auf Änderung des Arbeitsvertrags gerichtete empfangsbedürftige Willenserklärung ( - Rn. 25; - 9 AZR 860/13 - Rn. 19 mwN), die nach ihrem Zugang nicht mehr widerrufen werden kann (ErfK/Preis 21. Aufl. TzBfG § 9a Rn. 21; MüKoBGB/Müller-Glöge 8. Aufl. § 8 TzBfG Rn. 18; Schaub ArbR-HdB/Linck 18. Aufl. § 43 Rn. 67). Abweichend von § 147 BGB, nach dem der einem Anwesenden unterbreitete Antrag nur sofort (§ 147 Abs. 1 BGB) und der an einen Abwesenden gerichtete Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden kann, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf (§ 147 Abs. 2 BGB), kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer seine Entscheidung über die Verringerung der Arbeitszeit und deren Verteilung bis spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Arbeitszeitverringerung mitteilen (§ 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG aF). Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Arbeitnehmer an sein Änderungsangebot nach § 145 BGB gebunden.

21(2) Dieses Verständnis wird durch die Systematik des Gesetzes bestätigt.

22(a) Nach § 8 Abs. 6 TzBfG aF kann der Arbeitnehmer eine erneute Verringerung der Arbeitszeit frühestens nach Ablauf von zwei Jahren verlangen, wenn der Arbeitgeber einer Verringerung zugestimmt oder sie berechtigt abgelehnt hat (vgl.  - Rn. 25, BAGE 113, 11). Hat der Arbeitgeber dagegen die Verringerung und/oder die Verteilung der Arbeitszeit zu Unrecht abgelehnt, kann der Arbeitnehmer wählen, ob er seinen bisherigen Antrag gerichtlich durchzusetzen versucht, einen neuen, geänderten Antrag stellt oder sein Verringerungsverlangen nicht weiterverfolgt. Macht er seine Ansprüche aus § 8 TzBfG aF im Klagewege vor den Gerichten für Arbeitssachen geltend, ist das dem Arbeitgeber zuvor unterbreitete konkrete Änderungsangebot seinem Inhalt nach für das gerichtliche Verfahren bindend. Der Streitgegenstand kann durch den Arbeitnehmer nicht mehr einseitig verändert werden, ohne das in § 8 Abs. 2 bis 5 TzBfG aF vorgeschriebene Verfahren erneut zu durchlaufen (vgl.  - Rn. 21 ff., BAGE 127, 95; vgl. zu § 15 BEEG aF  - Rn. 25). Die Vorschrift des § 8 Abs. 6 TzBfG aF begrenzt damit das Recht des Arbeitnehmers, von dem Arbeitgeber Teilzeit zu verlangen, und wahrt zugleich das Interesse des Arbeitgebers an einer kontinuierlichen Personalplanung. Für den Zeitraum von zwei Jahren nach einer Zustimmung oder berechtigten Ablehnung des Verringerungsverlangens muss sich der Arbeitgeber nicht mit einem weiteren Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit auseinandersetzen (vgl.  - Rn. 27; - 9 AZR 514/07 - Rn. 23, aaO). Dieser Regelungssystematik liefe es zuwider, wenn der Arbeitnehmer durch eine freie Disposition über seinen Teilzeitwunsch die Sperrwirkung des § 8 Abs. 6 TzBfG aF einschränken könnte.

23(b) Für eine Bindung an den Antrag spricht auch die Regelung in § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG aF. Danach gilt die vom Arbeitnehmer beantragte Arbeitszeitverringerung als vereinbart, wenn der Arbeitgeber den fristgerecht gestellten Antrag des Arbeitnehmers auf Verringerung der Arbeitszeit nicht spätestens einen Monat vor dem geplanten Beginn der Vertragsänderung formgerecht ablehnt. Die Fiktion ersetzt die Annahme des Antrags des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber. Sie tritt deshalb mit dem Inhalt des Antrags ein, den der Arbeitgeber auch hätte annehmen können ( - Rn. 40). Die Zustimmungsfiktion durch bloße Untätigkeit des Arbeitgebers setzt voraus, dass das Änderungsangebot bis zu ihrem Eintritt fortbesteht und den Arbeitnehmer bindet. Die Erklärungsfrist des § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG aF überlagert damit die Fristenregelung des § 147 BGB.

24(3) Die Bindung an ein Verringerungsverlangen entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 8 Abs. 2 TzBfG aF, dem zufolge der Arbeitnehmer die Verringerung seiner Arbeitszeit und deren Umfang mindestens drei Monate vor dem gewünschten Beginn der Arbeitszeitverringerung geltend zu machen hat und dabei die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angeben soll. Die Dreimonatsfrist soll dem Arbeitgeber ausreichend Zeit geben, die Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen und arbeitsorganisatorische oder personelle Auffangmaßnahmen vorzubereiten. Dies dient der Vermeidung von Nachbesetzungsproblemen in den Betrieben (vgl. BT-Drs. 14/4374 S. 17). Der dem Arbeitgeber zur Planung der Teilzeittätigkeit eingeräumte Zeitraum und die damit einhergehende Planungssicherheit würden eingeschränkt, wenn der Arbeitnehmer nach Zugang seines Änderungsangebots hierüber noch disponieren könnte. Gegebenenfalls müsste der Arbeitgeber sogar bereits getroffene Dispositionen wieder rückgängig machen.

25(4) Der Senat muss vorliegend nicht entscheiden, ob er an seiner Rechtsprechung festhält, dass ein Arbeitnehmer nach Durchführung der Erörterung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF gerichtlich einen anderen Arbeitszeitwunsch einklagen darf, als er ursprünglich geltend gemacht hat, wenn er dabei neue Erkenntnisse aus der Verhandlungsphase berücksichtigt (vgl.  - zu I 5 b bb (1) der Gründe, BAGE 105, 133). Auf solche Erkenntnisse stützt der Kläger sein Abrücken vom Verringerungsverlangen nicht. Ebenfalls keiner Entscheidung bedarf es, ob der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält, dass der Arbeitnehmer den Verteilungswunsch nicht sogleich mit dem Verringerungswunsch äußern muss, sondern ihn bis zur Erörterung mit dem Arbeitgeber zurückstellen darf (vgl.  - zu B II 3 b der Gründe, BAGE 113, 11). In diesem Zusammenhang besteht ein Konflikt mit der Dreimonatsfrist des § 8 Abs. 2 TzBfG aF, die das Gesetz dem Arbeitgeber zur Vorbereitung auf die Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit einräumt. Vorliegend kommt es darauf nicht an. Der Kläger hat seinen Verringerungs- und Verteilungswunsch zeitgleich geäußert. Offengelassen hat der Senat bislang, ob der Arbeitnehmer vor Abschluss des „Konsensverfahrens nach § 8 Abs. 2 bis 5 TzBfG aF“ gemäß § 145 BGB daran gehindert ist, seinen einmal geäußerten Änderungswunsch noch zu ändern. Dagegen könnte sprechen, dass die nach § 8 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF vorgeschriebene Erörterung entwertet würde. Dem Arbeitnehmer wäre es nicht möglich, die vom Arbeitgeber im Rahmen der Erörterung eingewandten entgegenstehenden betrieblichen Gründe durch Änderung seines Verteilungswunsches zu berücksichtigen (vgl.  - Rn. 22, BAGE 127, 95). Vorliegend bedurfte es auch dazu keiner Entscheidung, weil der Kläger nicht lediglich seinen Verteilungswunsch im Rahmen des Konsensverfahrens anpassen, sondern über sein Verringerungsverlangen insgesamt disponieren wollte.

26bb) Entgegen der Ansicht der Revision endete die Bindung des Klägers an seinen (Teilzeit-)Antrag nicht dadurch, dass die Beklagte anlässlich der Erörterung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 TzBfG aF weitere Themen (Überbeanspruchung des Klägers, Urlaub, Abmahnungen) mit dem Kläger besprechen wollte. Aus dem Gesetz ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erörterung in einem separaten Termin stattfinden muss.

272. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte das Angebot des Klägers auf Vertragsänderung vom mit Schreiben vom angenommen hat. Seine Auslegung, die Erklärung sei nicht als Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen iSv. § 150 Abs. 2 BGB zu verstehen, die als Ablehnung des Angebots verbunden mit einem neuen Antrag gölte, enthält keine revisiblen Rechtsfehler.

28a) Die Zustimmung des Arbeitgebers zu dem Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers ist - ebenso wie dessen Ablehnung - eine empfangsbedürftige, an den Arbeitnehmer gerichtete atypische Willenserklärung (vgl. zur Ablehnung  - Rn. 25). Ob der Arbeitgeber den Antrag auf Teilzeitbeschäftigung uneingeschränkt angenommen oder eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen erklärt hat, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln (vgl.  - Rn. 18).

29b) Atypische Willenserklärungen sind nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen müssen. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen ( - Rn. 18; - 3 AZR 137/13 - Rn. 30, BAGE 152, 164).

30c) Will der Empfänger eines Vertragsangebots im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB von dem Vertragswillen des Anbietenden abweichen, muss er dies in der Annahmeerklärung eindeutig zum Ausdruck bringen. Dementsprechend kommt ein Vertrag mit dem von dem Antragenden gewollten Inhalt zustande, wenn die Abweichung der Annahmeerklärung vom Antrag aus der Sicht des Antragenden nicht hinreichend deutlich wird (st. Rspr. des BGH, vgl.  - Rn. 26; - VII ZR 82/08 - Rn. 14; - VII ZR 11/08 - Rn. 35; - VII ZR 223/80 - zu I 1 der Gründe mwN; MüKoBGB/Busche 8. Aufl. § 150 Rn. 6 mwN; Palandt/Ellenberger 80. Aufl. BGB § 150 Rn. 2 mwN).

31d) Die Auslegung atypischer Erklärungen kann in der Revision nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (vgl.  - Rn. 62; - 3 AZR 332/18 - Rn. 18 mwN).

32e) Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts hält diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab stand.

33(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe dem Teilzeitantrag des Klägers in dem Schreiben vom ohne Einschränkungen ausdrücklich zugestimmt. Dass die Zustimmung von der dort angesprochenen Änderung der Tätigkeiten des Klägers abhängen soll, sei nicht erkennbar. Bei den Ausführungen zur Freiwilligkeit übertariflicher Leistungen und deren Anrechnung auf Tariflohnerhöhungen, Entgeltgruppen- bzw. Tätigkeitsjahresänderungen handele es sich zwar nicht nur um deklaratorische Hinweise. Die Aussagen „Alle sonstigen Vertragsbestandteile Ihres Arbeitsvertrages behalten weiterhin ihre Gültigkeit“ und „Bitte bestätigen Sie uns diese Vereinbarung auf der beigefügten Zweitschrift“ deuteten vielmehr auf eine beabsichtigte Änderung des Arbeitsvertrags der Parteien hin. Hierfür spreche auch ein Abgleich mit dem Arbeitsvertrag der Parteien vom . Entsprechendes gelte für die Bitte der Beklagten um Bestätigung der Vereinbarung durch den Kläger auf einer Zweitschrift. Es sei aber nicht hinreichend deutlich erkennbar, dass auch die Zustimmung zu dem Teilzeitantrag des Klägers von weiteren Änderungen des Arbeitsvertrags der Parteien abhängen solle. Zudem habe der Kläger gewusst, dass die Beklagte im Vorfeld organisatorische Vorkehrungen für einen anderweitigen Einsatz des Klägers getroffen und diesbezüglich ein Zustimmungsersetzungsverfahren bei dem bei ihr gebildeten Betriebsrat durchgeführt habe.

34(2) Damit hat das Landesarbeitsgericht den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht verlassen. Die Beklagte hat nicht klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, ihre Zustimmung zu dem Teilzeitbegehren des Klägers nur unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen zu erteilen. Bereits in den Eingangssätzen ihres Schreibens vom hat sie dem Kläger unter Bezugnahme auf dessen Teilzeitantrag vom - ausdrücklich und ohne jeden Vorbehalt - mitgeteilt, „hiermit“ seinem Antrag auf Teilzeitbeschäftigung stattzugeben. Im Folgenden teilte sie ihm lediglich die weiteren Modalitäten der bewilligten Teilzeitbeschäftigung mit (Beginn der Teilzeittätigkeit, Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit und deren Verteilung), die allesamt dem Teilzeitverlangen des Klägers vom entsprachen. Dass die Zuweisung der Tätigkeit eines Business Partners nicht vom Direktionsrecht der Beklagten abgedeckt war, sondern einer Vertragsänderung bedurfte, ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht. Entsprechendes gilt für die Teilnahme des Klägers an der gleitenden Arbeitszeit gemäß der in Bezug genommenen Betriebsvereinbarung. Den darüberhinausgehenden Ausführungen zur Freiwilligkeit übertariflicher Leistungen und deren Anrechnung auf Tariflohnerhöhungen oder Änderungen der Entgeltgruppe bzw. Tätigkeitsjahre sowie der Bitte um „Bestätigung“ „diese[r] Vereinbarung“ auf der beigefügten Zweitschrift fehlt indes ein hinreichend deutlicher Bezug zu der Stattgabe des Teilzeitantrags im ersten Teil des Schreibens.

35cc) Dass das Schreiben der Beklagten vom dem Kläger auch innerhalb der in § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG aF genannten Frist zuging, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Die Klage wäre aber auch bei einem späteren Zugang unbegründet, weil sich die Arbeitszeit dann in dem vom Kläger „gewünschten“ Umfang kraft Zustimmungsfiktion gemäß § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG aF mit Wirkung zum verringert hätte.

36III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2021:090321.U.9AZR312.20.0

Fundstelle(n):
BB 2021 S. 1651 Nr. 27
DB 2021 S. 1616 Nr. 29
DStR 2021 S. 10 Nr. 31
NJW 2021 S. 10 Nr. 28
NJW 2021 S. 2675 Nr. 36
AAAAH-81460