Voraussetzungen der Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche
Lieferungen
Leitsatz
Damit der Abnehmer einer innergemeinschaftlichen Lieferung erkennen kann, dass er den innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern
muss bedarf es zumindest eines umgangssprachlich formulierten Hinweises des leistenden Unternehmers auf der Rechnung, dass
es sich um eine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung handelt. Die Angabe des Steuersatzes von 0 % genügt dazu nicht.
Ein CMR-Frachtbrief ist unrichtig, wenn er als Absender den liefernden Unternehmer ausweist obwohl der Abnehmer oder ein
Dritter den Frachtführer mit dem Transport der Ware beauftragt hat und daher Absender im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b
des CMR-Abkommens ist.
Vertrauensschutz im Sinne des § 6 a Abs. 4 UStG kommt in einem solchen Fall regelmäßig jedenfalls dann nicht in Betracht,
wenn der Lieferant ein erfahrener Exportunternehmer ist der weiß oder wissen muss, dass er nicht der Absender der Ware im
Rechtssinne ist.
Der die Steuerbefreiung beanspruchende Unternehmer trägt nach den allgemeinen Grundsätzen die materielle Feststellungslast
(Beweislast) für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 8 a Abs. 1 UStG.
Die für ihn zuständige Finanzbehörde ist nicht verpflichtet auf Verlangen des Unternehmers ein Auskunftsersuchen an die Finanzverwaltung
im Zuständigkeitsbereich des vermeintlichen Abnehmers der innergemeinschaftlichen Lieferung zu stellen.
Überlässt der Unternehmer die Beförderung der Ware dem Abnehmer, so trägt er das Risiko für die Richtigkeit der Behauptung
des Abnehmers, die Ware tatsächlich in das Gemeinschaftsgebiet befördert zu haben.
Um sich später auf Vertrauensschutz nach § 6 Abs. 4 UStG berufen zu können, muss sich der Unternehmer selbst bei erfülltem
Beleg- und Buchnachweis stets der Seriosität seines Geschäftspartners vergewissern.
Kommt der Kontakt mit dem ausländischen Abnehmer z.B. ausschließlich über eine Internetseite oder unter Verwendung einer
inländischen Mobiltelefon- oder Faxnummer zu Stande, so muss der liefernde Unternehmer bei Anbahnung einer erstmaligen Geschäftsbeziehung
zumindest auch den Kontakt über den angeblichen ausländischen Geschäftssitz suchen, um die sich aufdrängenden Zweifel an der
ausländischen Ansässigkeit des Abnehmers auszuräumen und mit der für eine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung
erforderlichen Sorgfalt so handeln.
Ein CMR-Frachtbrief über eine angebliche Leistung der Luxemburg hat keinen Beweiswert, wenn in den jeweils unterzeichneten
Bestätigungsfeldern unzutreffend der Leistende als Frachtführer und die Firma die die Lieferung ausführt als Absender ausgewiesen
werden.
Bestehen gewichtige Zweifel am tatsächlichen Empfang der Ware weil völlig unklar ist, wem die Verfügungsmacht an der Waage
tatsächlich verschafft wurde und ob dieser die subjektiven Voraussetzungen des § 6 a UStG erfüllt, d.h. insbesondere als Unternehmer
im Sinne der Mehrwertsteuersystemrichtlinie zu qualifizieren ist, ist der Buch- und Beleg Nachweise nicht erbracht.
Vertrauensschutz nach § 6 a Abs. 4 UStG kommt nicht in Betracht, wenn die CMR-Frachtbriefe infolge der von der Rechnungsanschrift
abweichenden Lieferanschrift und des wiederum abweichenden Bestätigungsstempels widersprüchlich sind.
Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG in allen Punkten erfüllt, ist der Vorsteuerabzug nach
den vom EuGH entwickelten Grundsätzen des sog. innergemeinschaftlichen Missbrauchsverbots dennoch ausgeschlossen, wenn anhand
objektiver Kriterien feststeht, dass der dem Grunde nach vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen,
dass er sich mit seinem Erwerb der Ware an einem Umsatz beteiligt hat, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer
auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Handelskette begangenen Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen war.
Fundstelle(n): WAAAH-81042
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Online-Dokument
Hessisches Finanzgericht
, Urteil v. 10.12.2020 - 1 K 1263/17
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