Online-Nachricht - Donnerstag, 10.06.2021

Erbschaftsteuer | Vorfälligkeitsentschädigung als Nachlassverbindlichkeit (BFH)

Wird nach Eintritt des Erbfalls ein Darlehen des Erblassers vorzeitig abgelöst, so ist die Vorfälligkeitsentschädigung mit ihrem Zinsanteil nicht gesondert als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Die Zinsen sind Teil der als Kapitalschuld zu bewertenden und als Erblasserschuld abziehbaren Darlehensverbindlichkeit (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sind die Kosten abzugsfähig, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Demgegenüber sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG Kosten für die Verwaltung des Nachlasses nicht abzugsfähig.

Sachverhalt: Der Kläger ist einer von insgesamt 29 Erben der im Jahr 2013 verstorbenen Erblasserin. Da die Erben zunächst nicht bekannt waren, ordnete das Amtsgericht die Nachlasspflegschaft an und bestellte eine Nachlasspflegerin. Diese veräußerte mit Genehmigung des Gerichts vier der zum Nachlass gehörenden Grundstücke und löste damit für die Grundstücke aufgenommene Darlehen vorzeitig ab. Hierfür fielen Vorfälligkeitsentschädigungen an. Nachdem die Erben ermittelt worden waren, setzte das FA unter anderem gegenüber dem Kläger Erbschaftsteuer fest. Dieser machte die Vorfälligkeitsentschädigungen (anteilig) als Nachlassverbindlichkeiten geltend. Das FA lehnte den Abzug mit der Begründung ab, dass es sich um Kosten für die Verwaltung des Nachlasses (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG) handele.

Das FG hat der Klage stattgegeben und den auf den Kläger entfallenden Anteil der Vorfälligkeitsentschädigungen als Nachlassverbindlichkeit in Gestalt von Nachlassregelungskosten anerkannt (). (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 18.6.2018)

Der BFH hat die Revision des FA als begründet angesehen und das FG Urteil aufgehoben:

  • Die Vorfälligkeitsentschädigungen sind nicht als Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG oder nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG abzugsfähig, sie sind Kosten für die Verwaltung des Nachlasses nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG.

  • Aufwendungen im Zusammenhang mit der Tilgung von Erblasserschulden können nur als Nachlassregelungskosten abziehbar sein, wenn sie ihrerseits weder Zins noch Tilgung sind und die allgemeinen Voraussetzungen der Abziehbarkeit als Nachlassregelungskosten - in Abgrenzung zu den Nachlassverwaltungskosten - vorliegen. Das gilt auch für die vorzeitige Ablösung eines laufenden Darlehens durch eine Abschlusszahlung.

  • Soweit die Vorfälligkeitsentschädigung neben ihrem Zinsanteil auch sonstige Elemente wie Kosten oder Gebühren enthält, richtet sich die Abzugsfähigkeit danach, ob die vorzeitige Kündigung des Darlehens eine Maßnahme der Nachlassregelung oder der Nachlassverwaltung war.

  • Hat ein Nachlasspfleger Kosten veranlasst, so richtet sich die Abziehbarkeit als Nachlassverbindlichkeit nach denselben Maßstäben, die auch bei den durch den Erben selbst veranlassten Kosten anzulegen sind.

  • Nach diesen Maßstäben sind die streitigen Vorfälligkeitsentschädigungen nicht abziehbar. Die darin enthaltenen Zinsanteile können neben dem bereicherungsmindernden Ansatz der Darlehensverbindlichkeiten kein zweites Mal berücksichtigt werden, während etwaige sonstige Elemente (Kosten, Gebühren o.ä.) Kosten für die Verwaltung des Nachlasses nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG und damit nicht abzugsfähig sind.

Anmerkung von Prof. Dr. Matthias Loose, Richter im II. Senat des BFH:

Kosten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses entstehen, sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Kosten für die Verwaltung des Nachlasses dagegen nicht. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. Im Streitfall hat ein Nachlasspfleger mit Zustimmung des Nachlassgerichts Grundstücke veräußert und die darauf ruhenden Darlehensverbindlichkeiten vorzeitig zurückgezahlt. Dafür waren sog. Vorfälligkeitsentschädigungen und weitere Kosten entstanden, die der Kläger als Miterbe nun steuermindernd geltend machte.

Der BFH hat zunächst klargestellt, dass die wiederkehrende Zinsverpflichtung aus dem Darlehensvertrag nicht zusätzlich als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig ist. Soweit durch die vorzeitige Kündigung weitere Kosten entstanden sind, können sie ebenfalls nicht abgezogen werden, wenn sie auf der Verwaltung einschließlich der Verwertung des Nachlasses beruhen. Dies hat der BFH im Streitfall bejaht, die Vorentscheidung, die das anders gesehen hatte, aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Entscheidung des BFH begründet keine – zivilrechtlichen – Haftungsrisiken für den Nachlasspfleger, denn die fehlende erbschaftsteuerrechtliche Abzugsmöglichkeit bedeutet nicht automatisch eine Pflichtverletzung des Nachlassverwalters.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
IAAAH-80870