(Wohnungseigentumsverfahren: Aufhebung eines nicht den inhaltlichen Anforderungen entsprechenden Berufungsurteils)
Gesetze: § 540 Abs 1 S 1 ZPO, § 559 Abs 1 S 1 ZPO
Instanzenzug: Az: 53 S 5/19 WEGvorgehend AG Schöneberg Az: 771 C 49/18
Tatbestand
1Die Parteien sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Kläger macht geltend, der ehemalige Verwalter habe einen am gefassten Beschluss fehlerhaft umgesetzt. Er möchte die gerichtliche Ersetzung eines Beschlusses mit dem Inhalt erreichen, dass der aktuelle Verwalter die streitgegenständliche Tür auf Kosten der Wohnungseigentümer wie von ihm gewünscht einzubauen habe.
2Das Amtsgericht hat die Klage ausweislich des Berufungsurteils abgewiesen, die dagegen gerichtete Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter, soweit erstinstanzlich zu seinem Nachteil entschieden worden ist.
Gründe
I.
3Das Berufungsgericht meint, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Beschlussersetzung nach § 21 Nr. 8 WEG, da er lediglich eine andere Umsetzung des Beschlusses vom verlange. Da es sich insoweit ggf. um eine Pflichtverletzung des Verwalters handele, seien etwaige Ansprüche gegen diesen zu richten. Der durch das Gericht zu ersetzende Beschluss könne auch nicht die Anweisung an den Verwalter zum Gegenstand haben, den Beschluss vom ordnungsgemäß umzusetzen. Hierzu seien die Wohnungseigentümer nämlich nicht verpflichtet. Andernfalls müssten sie zwangsläufig die dafür notwendigen Kosten übernehmen, obwohl der (ehemalige) Verwalter den Beschluss ordnungswidrig umgesetzt habe. In der Sache hafteten sie damit für die Umsetzung des Ausgangsbeschlusses; dies stünde im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
II.
4Die Revision hat Erfolg. Zu entscheiden ist durch Versäumnisurteil. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 82 ff.).
51. Das angefochtene Urteil ist bereits deshalb aufzuheben, weil es keine der Vorschrift des § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO entsprechende Darstellung enthält. Weil es die Revision zugelassen hat, sind die von dem Berufungsgericht angeführten Vorschriften, nach denen es meint, von der Darstellung eines Tatbestands absehen zu können (§ 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 ZPO), offensichtlich nicht einschlägig. Die tatbestandlichen Feststellungen in den Gründen des Berufungsurteils reichen nicht aus, um dem Senat eine revisionsrechtliche Nachprüfung zu ermöglichen.
6a) Der für das Revisionsverfahren maßgebliche Prozessstoff bestimmt sich nach § 559 ZPO. Danach ist Grundlage der Prüfung des Revisionsgerichts grundsätzlich nur der Tatsachenstoff, der sich aus dem Berufungsurteil einschließlich der in ihm enthaltenen wirksamen Bezugnahmen sowie aus dem Sitzungsprotokoll erschließt (§ 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Fehlen tatsächliche Feststellungen im Sinne des § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO oder sind sie derart lückenhaft, dass sich die tatsächlichen Gründe der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zweifelsfrei erkennen lassen, ist eine revisionsrechtliche Prüfung nicht möglich. In einem solchen Fall liegt ein von Amts wegen zu beachtender Verfahrensmangel vor, der die Aufhebung des Berufungsurteils zur Folge hat (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 231/15, NJW-RR 2017, 653 Rn. 4 ff.; , NZM 2017, 732 jeweils mwN sowie zur Rechtsbeschwerde Senat, Beschluss vom - V ZB 157/11, NJW-RR 2012, 141 Rn. 2). Gleiches gilt, wenn sich die Berufungsanträge nicht aus dem Berufungsurteil ergeben. Deren Wiedergabe ist nicht deshalb entbehrlich, weil sie in dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht enthalten sind (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 99/04, NJW-RR 2005, 716, 717).
7b) Ein solcher Verfahrensmangel ist hier gegeben.
8aa) Das Berufungsurteil enthält weder eine Sachdarstellung noch eine Bezugnahme auf die Feststellungen des Amtsgerichts. Eine solche kann nicht in dem Eingangssatz „Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen“ gesehen werden; denn er besagt nichts darüber, auf welchen tatsächlichen Feststellungen das erstinstanzliche Urteil beruht (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 231/15, NJW-RR 2017, 653 Rn. 6). Soweit sich in den Gründen des Berufungsurteils punktuell Tatsachenmitteilungen finden, reichen diese nicht aus, um sich den der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt in seiner Gesamtheit zu erschließen. So ist unbekannt, welchen Inhalt der Beschluss der Wohnungseigentümer vom hat, inwiefern er ordnungswidrig umgesetzt worden sein soll, was nach Auffassung des Klägers für eine ordnungsgemäße Umsetzung erforderlich ist und in welcher Weise er sich bislang um diese bemüht hat. Dem angefochtenen Urteil lässt sich nur entnehmen, dass um den Einbau einer Tür gestritten wird.
9bb) Ebensowenig ergeben sich die Berufungsanträge der Parteien aus dem Urteil. Soweit in den Gründen erwähnt wird, der Kläger beantrage eine Beschlussersetzung gerichtet auf die Anweisung an den Verwalter, die Tür wie vom Kläger gewünscht einbauen zu lassen, dürfte damit zum einen nicht die Formulierung des Klageantrags wiedergegeben sein. Zum anderen ergibt sich aus der Revisionsbegründung, dass der Kläger insoweit einen Haupt- und Hilfsantrag verfolgt und das Urteil des Amtsgerichts nur teilweise angefochten hat. Nichts davon lässt das Berufungsurteil erkennen.
102. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Hinsichtlich der Gerichtskosten des Revisionsverfahrens hat der Senat von der Möglichkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch gemacht.
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe von einem an diesem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Die Einspruchsschrift muss das Urteil, gegen das der Einspruch gerichtet wird, bezeichnen und die Erklärung enthalten, dass und, wenn das Rechtsmittel nur teilweise eingelegt werden solle, in welchem Umfang gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.
In der Einspruchsschrift sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen. Auf Antrag kann die Vorsitzende des erkennenden Senats die Frist für die Begründung verlängern. Bei Versäumung der Frist für die Begründung ist damit zu rechnen, dass das nachträgliche Vorbringen nicht mehr zugelassen wird.
Im Einzelnen wird auf die Verfahrensvorschriften in § 78, § 296 Abs. 1, 3, 4, § 338, § 339 und § 340 ZPO verwiesen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:290121UVZR158.20.0
Fundstelle(n):
QAAAH-80555