BGH Beschluss v. - X ZR 54/19

Zivilprozess: Antrag auf Prozesskostensicherheit in der Berufungsinstanz gegen eine Klagepartei aus dem Vereinigten Königreich nach Wirksamwerden des Brexit

Gesetze: § 110 Abs 1 ZPO, § 111 ZPO, § 1 BrexitÜG

Instanzenzug: Az: 3 Ni 46/16 (EP) Urteilnachgehend Az: X ZR 54/19 Beschlussnachgehend Az: X ZR 54/19 Urteil

Gründe

1I. Die Klägerin, ein im Vereinigten Königreich ansässiges Unternehmen, nimmt die Beklagte in einem Patentnichtigkeitsverfahren in Anspruch.

2Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Mit ihrer Berufung verteidigt die Beklagte das Streitpatent nur noch in geänderten Fassungen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen. Termin zur mündlichen Verhandlung ist bestimmt auf .

3Mit Schriftsatz vom beantragt die Beklagte, der Klägerin aufzugeben, Sicherheit wegen der Prozesskosten zu leisten. Sie macht geltend, die Voraussetzungen für eine Befreiung der Klägerin von dieser Verpflichtung seien seit nicht mehr gegeben.

4Die Klägerin äußert angesichts des vorgerückten Verfahrensstadiums Zweifel an der Sachdienlichkeit der beantragten Anordnung und macht geltend, sie werde schon deshalb nicht sämtliche Kosten des Verfahrens tragen müssen, weil die Beklagte das Streitpatent nur noch in beschränkter Fassung verteidige.

5II. Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Prozesskostensicherheit liegen vor.

61. Gemäß § 110 Abs. 1 ZPO muss ein Kläger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat, auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit leisten. Gemäß § 111 ZPO kann der Beklagte auch dann Sicherheit verlangen, wenn diese Voraussetzungen erst im Laufe des Rechtsstreits eintreten.

7Die Klägerin hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union. Der Übergangszeitraum nach Art. 126 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. EU L 29 S. 7), während dessen das Vereinigte Königreich gemäß § 1 BrexitÜG im Bundesrecht weiterhin als Mitgliedstaat galt, ist am abgelaufen.

82. Die Beklagte hat die Einrede der mangelnden Sicherheit für die Prozesskosten rechtzeitig erhoben.

9Die Einrede der mangelnden Sicherheitsleistung für die Prozesskosten gehört zu den die Zulässigkeit der Klage betreffenden verzichtbaren Rügen, die grundsätzlich vor der ersten Verhandlung zur Hauptsache, und zwar für alle Rechtszüge, erhoben werden muss. Da über die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten nur einmal und nicht in jeder Instanz erneut entschieden werden soll, ist in einer höheren Instanz die Einrede der mangelnden Sicherheitsleistung für die Kosten dieser Instanz nur zulässig, wenn die Voraussetzungen für die Sicherheitsleistung erst in dieser Instanz eingetreten sind oder wenn die Einrede in den Vorinstanzen ohne Verschulden nicht erhoben worden ist (, NJW 2001, 3630).

10Im Streitfall sind die Voraussetzungen für die Sicherheitsleistung erst in der Berufungsinstanz eingetreten. Die von der Beklagten kurz darauf erhobene Einrede ist deshalb rechtzeitig.

113. Ein Ausnahmetatbestand nach § 110 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

124. Die Kosten, für die die Klägerin Sicherheit zu leisten hat, belaufen sich auf rund 90.000 Euro.

13a) Für die erste Instanz sind drei Viertel der entstandenen Kosten für die mit der Prozessführung betrauten Patentanwälte und die mitwirkenden Rechtsanwälte anzusetzen, und zwar auf Grundlage des vom Patentgericht festgesetzten Streitwerts von 1.250.000 Euro.

14Die erstattungsfähigen Kosten für einen Anwalt betragen 13.657,50 Euro (1,3 Verfahrensgebühr: 7.101,90 Euro, 1,2 Terminsgebühr: 6.555,60 Euro). Für zwei Anwälte ergibt dies 27.315,00 Euro.

15Dieser Betrag ist um ein Viertel zu reduzieren, weil die Beklagte, wie die Klägerin zu Recht geltend macht, einen Teil der erstinstanzlichen Kosten schon deshalb wird tragen müssen, weil sie das Patent nur noch in beschränkter Fassung verteidigt. Nach vorläufiger Bewertung erscheint insoweit eine Kostenquote von einem Viertel zu Lasten der Beklagten angemessen.

16Dies führt zu einer Reduktion des oben genannten Betrags auf 20.486,25 Euro.

17b) Für das Berufungsverfahren sind die bislang verauslagten Gerichtskosten (37.416 Euro) und die Kosten für einen Patent- und einen Rechtsanwalt anzusetzen. Wegen der nur noch beschränkten Verteidigung des Streitpatents erscheint nach vorläufiger Bewertung ein Streitwert von 937.500 Euro angemessen.

18Die erstattungsfähigen Kosten für einen Anwalt betragen danach 14.145,30 Euro (1,6 Verfahrensgebühr: 7.300,80 Euro, 1,5 Terminsgebühr: 6.844,50 Euro). Für zwei Anwälte ergibt dies 28.290,60 Euro.

19c) Einschließlich eines pauschalen Zuschlags für sonstige Kosten ergibt sich der genannte Betrag von 90.000 Euro.

Bacher                                        Rombach

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:010321BXZR54.19.0

Fundstelle(n):
HAAAH-79632