Online-Nachricht - Donnerstag, 20.05.2021

Bewertung | Einheitsbewertung eines Supermarkts im Altbundesgebiet (BFH)

Bei der Ermittlung des Gebäudenormalherstellungswerts eines Flachdachgebäudes im Altbundesgebiet ist das von den Außenwänden des Gebäudes gänzlich umschlossene Raumvolumen voll anzurechnen. Befinden sich unterhalb des Dachs Versorgungsleitungen, die mittels einer abgehängten Decke der Sicht entzogen sind, steht dies der Vollanrechnung nicht entgegen (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Im Streit stand ein im Jahr 2016 errichtetes Ladengebäude zum Betrieb eines Supermarktes. Dabei handelte es sich um einen Flachdachbau mit Erd- und Obergeschoss, das sich nur auf eine Teilfläche des Erdgeschosses erstreckte. Im gesamten Gebäude waren unterhalb des Flachdachs bzw. der Erdgeschossdecke zum Zweck des Sichtschutzes abgehängte Decken (sog. Staubdecken) eingezogen. Die Klägerin begehrte im Rahmen der Einheitswertfeststellung, den Raum zwischen den abgehängten Decken und den Flachdachdecken nur mit einem Drittel des Raumvolumens als "nicht ausgebauter Dachraum" i. S. des Abschn. 37 Abs. 1 Satz 3 BewRGr bzw. der DIN 277 (Stand November 1950) anzusehen (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 28.9.2018).

Der BFH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen:

  • Das FG hat zu Recht erkannt, dass bei der Berechnung des Gebäudewerts nach § 85 BewG i.V.m. Abschn. 36 bis 38 BewRGr das Raumvolumen zwischen der abgehängten Decke, den Außenwänden und der Dachhaut voll anzurechnen ist.

  • Die Vorschriften über die Einheitsbewertung dürfen nach dem weiter angewandt werden (vgl. ).

  • Für die Bewertung des Erbbaurechts ist nach § 92 BewG i.V.m. § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG das Sachwertverfahren nach §§ 83 ff. BewG anzuwenden. Für die Ermittlung des Gebäudewerts nach § 85 BewG ist zunächst ein Wert auf der Grundlage von durchschnittlichen Herstellungskosten nach den Baupreisverhältnissen des Jahres 1958 zu errechnen (§ 85 Satz 1 BewG), der sodann nach den Baupreisverhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt () auf den Gebäudenormalherstellungswert umzurechnen ist (§ 85 Satz 2 BewG). Weitere Vorgaben zur Ermittlung des Gebäudewerts enthält das BewG nicht.

  • Der Raum oberhalb einer nicht begehbaren Decke ist kein Dachgeschoss, auch wenn er in den Dachraum hineinragt. Soweit sich im Umkehrschluss aus Abschn. 37 Abs. 1 Satz 2 BewRGr sowie aus Text und Zeichnung zu Tz. 1.131 der Anlage 12 zu den BewRGr entnehmen lässt, dass das nichtausgebaute Dachgeschoss der Drittelregelung unterliegt, ist aus diesem Grunde daraus für den Raum oberhalb einer abgehängten und nicht begehbaren Decke nichts herzuleiten.

  • Ein Flachdach verfügt über nahezu keinen Dachraum. Ein auf allen Seiten von den Außenflächen der Umfassungen des Gebäudes umschlossener Raum, der sich baulich nicht von den Außenwänden des Gebäudekörpers abhebt, ist nicht "Dachraum" und demnach auch kein der Drittelregelung unterliegender "nicht ausgebauter Dachraum" i.S. des Abschn. 37 Abs. 1 Satz 3 BewRGr i.V.m. Tz. 1.2 der Anlage 12 zu den BewRGr.

Anmerkung von Prof. Dr. Matthias Loose, Richter im II. Senat des BFH:

Der Streitfall betrifft die Einheitsbewertung für Zwecke der Grundsteuer bei einem Erbbaurecht. Durch das Grundsteuer-Reformgesetz vom sind zwar die alten Vorschriften über die Einheitsbewertung weggefallen. Das neue Bewertungsrecht ist jedoch erst ab 2022 (Hauptfeststellung) bzw. ab 2025 (Hauptveranlagung) an anzuwenden.

Die Bewertung des Erbbaurechts erfolgt im sog. Sachwertverfahren. Dabei ist für die Ermittlung des Gebäudewerts zunächst ein Wert auf der Grundlage von durchschnittlichen Herstellungskosten nach den Baupreisverhältnissen – kein Witz – des Jahres 1958 (!) zu errechnen (§ 85 Satz 1 BewG). Dieser Wert wird dann nach den Baupreisverhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt 1964 umgerechnet. Weitere Vorgaben zur Ermittlung des Gebäudewerts sieht das BewG nicht vor.

Bereits 1966 wurden Richtlinien erlassen, die noch immer der einheitlichen Anwendung des BewG durch die Finanzbehörden dienen. Die Gerichte sind an diese Richtlinien zwar nicht gebunden. Der BFH hat jedoch schon früher entschieden, dass die Richtlinien eine Selbstbindung der Verwaltung bewirken und daher zu beachten sind. In den Richtlinien ist auch geregelt, in welcher Weise unterschiedliche Dachformen bei der Berechnung des Gebäudewerts zu berücksichtigen sind. Im konkreten Streitfall ging es um die technische Frage, ob bei der Berechnung des Raumvolumens der Raum zwischen einer abgehängten Decke und dem beginnenden Dach einzubeziehen ist. Der BFH hat dies bejaht.

Quelle: ; NWB Datenbank (JT)

Fundstelle(n):
GAAAH-79265