Online-Nachricht - Mittwoch, 28.04.2021

Verfahrensrecht | Keine Freistellung von Sanierungsgewinnen im Wege des Erlasses (FG)

Die gesetzliche Neuregelung zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen rechtfertigt es nicht, in Altfällen Sanierungsgewinne im Wege des Erlasses steuerfrei zu stellen (; nicht rechtskräftig).

Sachverhalt: Die Kläger sind Eheleute und waren im Streitjahr 2011 zu jeweils 50 % an einer KG beteiligt. Durch den Forderungsverzicht einer Gläubigerbank der KG in Höhe von 500.000 € entstand ein Gewinn, den das beklagte Finanzamt in dem Einkommensteuerbescheid der Kläger für 2011 steuererhöhend berücksichtigte, was der damaligen Rechtslage entsprach und von den Klägern daher nicht angegriffen wurde. Da sie allerdings der Auffassung waren, dass die auf den Forderungsverzicht entfallende Einkommensteuer nach dem sog. Sanierungserlass des (BStBl I 2003, 240) zu erlassen sei, stellten sie einen entsprechenden Antrag nach § 227 AO.

Das beklagte Finanzamt lehnte den Erlassantrag ab, weil die besonderen Voraussetzungen des Sanierungserlasses nicht vorlägen.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg:

  • Es kann offenbleiben, ob die Voraussetzungen des Sanierungserlasses vorliegen oder nicht.

  • Der Große Senat des BFH hat bereits mit Beschluss v. - GrS 1/15 entschieden, dass eine entsprechende Steuerfreiheit gesetzlich hätte geregelt werden müssen und deshalb der Sanierungserlass gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt.

  • Zwar hat das BMF am "aus Gründen des Vertrauensschutzes" eine Altfallregelung getroffen (Schuldenerlass bis ).

  • Diese Altfallregelung verstößt jedoch nach Auffassung des ) ebenfalls gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, weil auch eine solche Maßnahme dem Gesetzgeber vorbehalten ist.

  • Zu dem vorgenannten Urteil ist zwar ein sog. Nichtanwendungserlass des BMF ergangen (, BStBl I 2018, 588). Daran ist das Finanzgericht jedoch nicht gebunden, da auch dieser Erlass gegen Gesetz und Recht verstößt.

  • Es steht der Finanzverwaltung nicht zu, die bisherige Verwaltungspraxis unter Berufung auf Vertrauensschutzgesichtspunkte im Billigkeitsweg fortzusetzen. Verwaltungsanweisungen, mit denen zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse generelle Unzulänglichkeiten des Gesetzes - hier: das Fehlen einer Übergangsregelung für Altfälle - korrigiert werden sollen, sind unzulässig.

  • Inzwischen hat der Gesetzgeber die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen gesetzlich geregelt (§ 3a EStG) und mit dem sog. JStG 2018 eine Übergangsregelung geschaffen (Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, BGBl I 2018, 2338). Über die Anwendung des § 3a EStG ist allerdings bereits im Veranlagungsverfahren (= Steuerfestsetzungsverfahren) zu entscheiden. Soweit sie greift, entsteht die Einkommensteuer erst gar nicht.

  • Demgegenüber wird über die im sog. Sanierungserlass vorgesehenen Maßnahmen in einem eigenständigen Billigkeitsverfahren entschieden, das - wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind - mit einem Erlass der Steuer nach § 227 AO seinen Abschluss findet. Daher kann in dem beim FG streitigen Billigkeitsverfahren nach § 227 AO kein Antrag auf Anwendung des § 3a EStG gestellt werden.

Quelle: FG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung v. (il)

Fundstelle(n):
NWB JAAAH-77310