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Ermittlung der Herstellungskosten bei Unterbeschäftigung
Gestaltungsspielräume bei der notwendigen Eliminierung von Leerkosten
In der [i]Währisch, Leerkosten bei Unterbeschäftigung in der Krise, BBK 9/2021 S. 425 NWB DAAAH-76648 aktuellen Situation der pandemiebedingten Unterauslastung von Kapazitäten in zahlreichen Unternehmen ist bei der Ermittlung der Herstellungskosten insbesondere auf die Begrenzung nach § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB zu achten. Berücksichtigt werden dürfen demnach nur angemessene und produktionsbezogene Teile der Gemeinkosten, d. h. Kosten für Produktionsausfälle oder Leerkosten sind zu eliminieren. Aber: Welche Gemeinkosten sind „angemessen“ in diesem Sinne und was ist eine „normale“ Kapazität? Wie können die Leerkostenanteile konkret ermittelt werden und welche Ermessensspielräume bieten sich hierbei? Diesen Fragen geht der Beitrag nach.
Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .
I. Besonderheit der Herstellungskostenermittlung bei nicht ausgelasteten Kapazitäten
Die zur [i]Eggert, Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Jahresabschluss 2020, Teil 1: BBK 4/2021 S. 189 NWB MAAAH-70738, Teil 2: BBK 5/2021 S. 232 NWB UAAAH-72270 Eindämmung der Corona-Pandemie weltweit ergriffenen Maßnahmen beeinflussen die wirtschaftliche Lage von Unternehmen zum Teil erheblich. Dementsprechend sind die Auswirkungen im Rahmen der Erstellung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, der zum einen der periodengerechten Gewinnermittlung und zum anderen der Darstellung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens dient, für das Geschäftsjahr 2020 zu berücksichtigen. Hiervon betroffen sind u. a. die Herstellungskosten zur Bewertung selbst erstellter Güter.
Die Bewertung selbst erstellter, (noch) nicht verkaufter Güter betrifft
nicht nur die fertigen und unfertigen Erzeugnisse, sondern auchS. 440
aktivierten Entwicklungsaufwand in den immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens,
die selbst erstellten Sachanlagen,
selbst erstellte Güterteile, die eine Erweiterung oder eine wesentliche Verbesserung bereits bestehender Güter bedeuten, sowie
Rückstellungen für unsichere Verpflichtungen in Form selbst erstellter Leistungen.
Die [i]Schmidt, Herstellungskosten (HGB, EStG), infoCenter NWB HAAAB-05670 Problemstellung ist im Rahmen der Erstellung von Abschlüssen sowohl nach HGB als auch nach IFRS sowie in der steuerlichen Gewinnermittlung relevant. Gemeinsam ist den Herstellungskostendefinitionen der drei Normensysteme die grundsätzliche Pflicht zur Aktivierung der Material- und Fertigungseinzelkosten und -gemeinkosten sowie die Begrenzung der Berücksichtigung von Gemeinkosten auf „angemessene Teile“ (§ 255 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HGB; R 6.3 EStR) bzw. die „normale Kapazität“ (IAS 2.13).
Die folgenden Ausführungen orientieren sich an der Herstellungskostendefinition in § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB, also an der sog. „Untergrenze“ in einem Abschluss nach HGB (siehe Abb. 1), sind jedoch auch auf die „Obergrenze“ sowie die Herstellungskosten in einem IFRS-Abschluss übertragbar.
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materialeinzelkosten [i]Berechnung der
Herstellungskosten | Pflicht |
+ Fertigungseinzelkosten | |
+ Sondereinzelkosten der Fertigung | |
+ Materialgemeinkosten | |
+ Fertigungsgemeinkosten | |
+ Abschreibungen auf Anlagevermögen, sofern durch Fertigung
veranlasst | |
= Herstellungskosten-
Untergrenze | |
+ Kosten der allgemeinen Verwaltung | Wahlrecht |
+ Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für
freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung,
sofern im Zeitraum der Herstellung angefallen | |
= Herstellungskosten-
Obergrenze |
Abb. 1: Bestandteile der Herstellungskosten gem. § 255 Abs. 2 HGB
II. Begrenzung der Gemeinkostenanteile in den Herstellungskosten auf „angemessene Teile“
1. Bewertung selbst erstellter Güter
Im Rahmen [i]Wolz/Widmann, Ertragsrealisation (HGB, EStG), infoCenter NWB ZAAAE-67650 der Herstellung von Gütern (Sachgüter und Dienstleistungen) werden durch den Verbrauch von Produktionsfaktoren neue Güter erstellt: zeitgleich mit dem Wertverbrauch (Aufwand bzw. Kosten) kommt es auch zu einer Wertentstehung (Ertrag bzw. Erlös). Zur periodengerechten Gewinnermittlung ist der Zugang von Gütern aufgrund eigener Herstellung daher ebenso wie die Anschaffung von Gütern erfolgsneutral darzustellen und der Aufwand in den Perioden ergebniswirksam auszuweisen, in denen durch Verkauf der Güter ein Ertrag erwirtschaftet wird. Dies entspricht dem Grundsatz der sachlichen Abgrenzung.
Dementsprechend sind selbst erstellte Güter, die sich zum Abschlussstichtag im Bestand befinden, mit den Aufwendungen zu bewerten, die für ihre Herstellung entstanden sind, so dass diese durch die erfolgswirksame Aktivierungsbuchung S. 441(Neutralisierung der entstandenen Aufwendungen) das Ergebnis der Periode nicht mindern.
2. Begrenzung der Gemeinkostenbestandteile
Gem. § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB [i]Angemessene Teile der Material- und Fertigungsgemeinkosten gehören zu den Herstellungskosten „angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist.“ Angemessen sind die Teile der Herstellungskosten, die für die Herstellung eines Guts entstanden sind.
Damit [i]Negativabgrenzung fallen folgende Aufwendungen grundsätzlich nicht unter den Herstellungskostenbegriff:
Nicht betriebliche, periodenfremde und außerordentliche Aufwendungen (aus Sicht der Kostenrechnung: neutrale Aufwendungen).
Der Teil der fixen Gemeinkosten, der für die Bereitstellung von Produktionskapazitäten entsteht, die vollständig nicht für die Produktion genutzt wurden und keine Reservekapazität bilden (ungenutzte Kapazitäten).
Der Teil der fixen Gemeinkosten, welcher für die Bereitstellung von Produktionskapazitäten entsteht, die in der Berichtsperiode nicht für die Herstellung von Gütern genutzt wurden, da sie unausgelastet blieben (sog. Leerkosten).
Sofern [i]Einzel- vs. Gemeinkosten Aufwendungen unmittelbar bei der Herstellung entstehen und damit dem jeweiligen Gut direkt zurechenbar sind („Einzelkosten“, z. B. der Aufwand für das Material, aus dem das Gut besteht, sog. Erzeugniseinsatzstoffe), ist ihre Identifizierung als Bestandteil der Herstellungskosten eines Gutes unkritisch. Eine Vielzahl von Aufwendungen entsteht jedoch gemeinsam im Rahmen der Produktion mehrerer Güter oder sogar mehrerer Güterarten („Gemeinkosten“, z. B. die zeitbezogenen Abschreibungen auf eine Maschine, auf der mehrere Güter gefertigt werden). Diese Aufwendungen werden – sofern es sich auch um Kosten handelt – in der Kostenrechnung ggf. im Rahmen der Überwälzung der Istkosten über die Kostenstellen den Kostenträgern zugerechnet.