BVerwG Beschluss v. - 6 VR 1/21

Auskunftsanspruch zur Identität des Beschwerdeführers in einem Verfahren vor dem BVerfG

Gesetze: Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 5 Abs 1 S 2 GG, Art 5 Abs 2 GG, § 823 Abs 1 BGB, § 1004 BGB, § 1 BRAO, § 35b Abs 1 S 1 Nr 2 BVerfGG, Art 10 MRK, § 169 GVG, § 123 Abs 3 VwGO

Gründe

I

1Der Antragsteller, Redakteur der Zeitung "X.", begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung Auskünfte vom Bundesnachrichtendienst.

2Auf die Klage des Antragstellers hatte das Bundesverwaltungsgericht die Antragsgegnerin verurteilt, ihm hinsichtlich der vom Bundesnachrichtendienst zwischen Januar 2016 und April 2017 organisierten Hintergrundgespräche für Journalisten Auskunft unter anderem darüber zu erteilen, welche Medienvertreter der Bundesnachrichtendienst jeweils eingeladen hatte (Urteil vom - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303).

3Nach seinen Angaben erfuhr der Antragsteller am durch einen Pressebericht, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde "eines Zeitungsverlags" gegen dieses Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen hat (Beschluss vom - 1 BvR 2575/19 -). Das Bundesverfassungsgericht verweigerte ihm die Auskunft über die Identität des Beschwerdeführers und den Inhalt der Verfassungsbeschwerde.

4Daraufhin bat der Antragsteller den Bundesnachrichtendienst im Dezember 2020 um Auskunft u.a. zur Person des Beschwerdeführers, den Prozessbevollmächtigten, die vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe für die Vorabinformation der Behörde über die Verfassungsbeschwerde und dessen Zugehörigkeit zum Kreis der an Einzel- oder Gruppenhintergrundgesprächen teilnehmenden bzw. hierzu eingeladenen Medienvertreter. Der Bundesnachrichtendienst teilte ihm mit, der Beschwerdeführer habe die Behörde am von seinem Vorgehen per E-Mail informiert und den Text der Verfassungsbeschwerde beigefügt; eine weitergehende Kooperation habe nicht stattgefunden. Die Fragen zu Personen könnten aufgrund entgegenstehender schutzwürdiger Interessen Dritter nicht beantwortet werden.

5Mit Schriftsatz vom hat der Antragsteller seine Auskunftsbegehren beim Bundesverwaltungsgericht durch Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung weiterverfolgt. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, ihm stehe mit dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Bundesbehörden ein Anordnungsanspruch zur Seite. Er recherchiere über ein kollusives Zusammenwirken der Behörde mit Journalisten des Y. Verlages. Er halte es für möglich, dass der Bundesnachrichtendienst und die Z.-Zeitung in der Weise kooperierten, dass die Behörde exklusiven Nachrichtenstoff anbiete und die Z.-Zeitung sich mit dem Versuch revanchiere, ein ihr ungünstiges Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Fall zu bringen, dass der Bundesnachrichtendienst mangels Rechtsmittelberechtigung selbst nicht anfechten könne. Der Schutz privater bzw. beruflicher Interessen des Beschwerdeführers sei herabgesetzt, denn dieser sei in seiner beruflichen Sozialsphäre tätig geworden. Insbesondere nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts habe er damit rechnen müssen, dass sein Handeln recherchiert und öffentlich bekannt gemacht werde, wenn er mit dem Bundesnachrichtendienst kooperiere.

6Es bestehe auch ein Anordnungsgrund. Zwar nehme die Erteilung der begehrten Auskünfte die Hauptsache vorweg, aber es liege ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug vor. Es müsse jetzt aufgedeckt werden, wie der Bundesnachrichtendienst einzelne Medien mit der Erteilung von Informationen oder durch besondere Nähe zu Handelnden in der Behörde begünstige und eine entsprechende Berichterstattung fördere, insbesondere wie die Behörde und die Z.-Zeitung vertraulich kooperierten, um transparenzfördernde und pressefreundliche Gerichtsurteile unwirksam zu machen. Ein starker Gegenwartsbezug bestehe trotz Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde bereits im November 2019, weil dem Antragsteller beides erst jetzt bekannt geworden sei. Zudem werde darüber im Zusammenhang mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom (VG 27 K 34.17) zur Auskunftsverpflichtung des Bundeskanzleramts über Hintergrundgespräche öffentlich berichtet. Die Dringlichkeit und Aktualität einer notwendigen Berichterstattung über vertrauliche selektive Informationsvermittlung der Bundesregierung zeige sich u.a. in dem Zusammenwirken des Bundesministeriums des Innern mit der Z.-Zeitung im Vorfeld des Hisbollah-Betätigungsverbots. Diese Zusammenarbeit sei auch Gegenstand der aktuell auf einem Streaming-Portal verfügbaren Dokumentation "...", die eine kritische Diskussion angestoßen habe.

7Der Antragsteller beantragt,

der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem Antragsteller Auskunft darüber zu erteilen,

1. wer nach Kenntnis des BND der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 2575/19 vor dem BVerfG war,

2. wer die Prozessbevollmächtigten im Verfahren 1 BvR 2575/19 vor dem BVerfG waren,

3. welche Begründung der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 2575/19 in einer E-Mail an den BND dafür angegeben hat, den BND über seine Verfassungsbeschwerde zu informieren,

4. welche weiteren Anmerkungen/Wertungen zum Sachverhalt in der E-Mail des Beschwerdeführers zum Verfahren 1 BvR 2575/19 an den BND enthalten waren,

5. ob der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 2575/19 zum Kreis der MedienvertreterInnen gehört, die in den vergangenen Jahren zu BND-"Hintergrundgesprächen" eingeladen wurden bzw. daran teilnahmen,

6. ob der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 2575/19 sog. "Einzelgespräche" zur Erlangung von Hintergrundinformationen mit dem BND geführt hat und falls ja wann zuletzt,

7. ob der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 2575/19 BND-Präsident Bruno Kahl im Zusammenhang mit Herrn Kahls Dienstausübung persönlich bekannt geworden ist,

8. ob der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 2575/19 als Einzelperson Termine

a) mit BND-Präsident Kahl oder

b) sonst mit Mitgliedern der BND-Leitungsebene erhalten hat und wann dies ggf. zuletzt war,

9. wann (Datum) der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 2575/19 zuletzt Zutritt zu BND-Liegenschaften erhalten hat und was der Anlass dafür war.

8Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

9Sie trägt vor, das Justiziariat eines Medienverlages habe am die Pressestelle des Bundesnachrichtendienstes über die Erhebung der Verfassungsbeschwerde vom informiert und den Beschwerdetext beigefügt. Dabei sei explizit um vertrauliche Behandlung dieser Informationen gebeten worden. Am sei die Mitteilung erfolgt, dass die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen worden sei.

10Die Erhebung der Verfassungsbeschwerde werde nur durch den Antragsteller selbst in der Öffentlichkeit diskutiert und dieser habe dazu bereits berichtet. Der Bundesnachrichtendienst habe die Vorbereitung der Verfassungsbeschwerde weder unterstützt noch sei er mit dem Beschwerdeführer diesbezüglich in Kontakt gestanden. Die Mutmaßungen des Antragstellers beruhten auf reiner Spekulation. Es sei im Übrigen üblich und nachvollziehbar, als Rechtsmittelführer den gerichtlich zur Auskunft Verpflichteten zu informieren, um so den Vollzug des Urteils zu verhindern. Die unmittelbare oder mittelbare Identifizierung des Beschwerdeführers sei als Verletzung von dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung unzulässig. Zudem werde dieser durch das vom Grundrecht der Pressefreiheit geschützte Redaktionsgeheimnis davor geschützt, dass der Bundesnachrichtendienst Daten zu Einzelgesprächen preisgebe.

II

11Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die in tatsächlichem Zusammenhang stehen und deshalb gemäß § 44 VwGO zusammen vor dem nach § 123 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO zuständigen Bundesverwaltungsgericht verfolgt werden können, haben nur zum Teil Erfolg.

121. Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Sein Begehren zielt nicht auf eine nur vorläufige Maßnahme, sondern die im Wege der einstweiligen Anordnung begehrte Auskunftserteilung nimmt die Hauptsache vorweg. Dennoch dürfen an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes in presserechtlichen Auskunftsverfahren mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) sowie das von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG mitumfasste Selbstbestimmungsrecht der Presse hinsichtlich der Themenauswahl und der Entscheidung, ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll, keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Erforderlich und zugleich ausreichend ist es, wenn ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen ( - NJW 2014, 3711 Rn. 29 f.; 6 VR 1.17 - NJW 2018, 485 Rn. 13). Demnach darf ein Verweis auf das Hauptsacheverfahren nicht dazu führen, dass eine begehrte Auskunft mit starkem Aktualitätsbezug ihren Nachrichtenwert verliert und allenfalls noch von historischem Interesse ist ( 6 VR 2.15 - NVwZ 2016, 945 Rn. 22).

13Dabei ist zu berücksichtigen, dass es Sache der Presse ist, zu beurteilen, welche Informationen für sie vonnöten sind, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer möglichen Berichterstattung im Recherchewege aufzubereiten. Die Bedeutung einer Information kann vielfach im Stadium vor ihrer Erhebung und zuweilen selbst im unmittelbaren Anschluss hieran noch nicht abschließend bewertet werden. Es liegt im Wesen der journalistischen Recherche, dass sie teilweise von unbewiesenen Hypothesen ausgeht und sich so ihr Zweck auch in der Falsifizierung bzw. darin erfüllen kann, dass von einer Publikation Abstand genommen wird. Der Aussagegehalt einzelner Informationen ergibt sich unter Umständen erst aus der Verknüpfung mit anderen, möglicherweise später gewonnenen Informationen. Einzelne Informationen können, auch wenn sie selbst nicht publikationswürdig sind, Anhaltspunkte für die Gewinnung weiterer Informationen liefern oder zur Neubewertung bereits vorliegender Informationen führen. Aus alledem ergibt sich bei Auskunftsanträgen die Notwendigkeit journalistischer Freiräume insbesondere bei der Beurteilung der sachlichen Notwendigkeit angefragter Informationen. Der Komplexität und möglichen Zweckfülle von Rechercheprozessen wird es nicht gerecht, wenn das Gewicht eines geltend gemachten Auskunftsinteresses von einer journalistischen Relevanzprüfung abhängig gemacht würde ( 6 VR 2.15 - NVwZ 2016, 945 Rn. 23).

14Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes sind hier erfüllt. Zwar ließe eine Berichterstattung über das 6 A 7.18 - (BVerwGE 166, 303) und die sich daran anschließende Entscheidung des - weder einen starken Gegenwartsbezug noch ein gesteigertes öffentliches Interesse erkennen. Aber die Recherche für die beabsichtigte Berichterstattung des Antragstellers zu seinem Verdacht, die Hintergrundgespräche des Bundesnachrichtendienstes könnten in dem übergreifenden Zusammenhang eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen Bundesbehörden und ausgewählten Presseorganen stehen, vermag ein gesteigertes öffentliches Interesse zu beanspruchen. Insoweit liegt auch ein starker Gegenwartsbezug vor. Denn erst Anfang dieses Jahres wurde bekannt, dass der Bundesminister des Innern ausgewählten Medienvertretern vorab vertrauliche Informationen zu einer Razzia im Zusammenhang mit einem Betätigungsverbot der Hisbollah im April 2020 hat zukommen lassen. Diese selektive Informationsvermittlung verbunden mit der Erklärung des Ministeriums, diese Art "anlassbezogener Vorabinformation" gehöre zum üblichen Repertoire behördlicher Medienarbeit, begründet Anhaltspunkte für die Hypothese des Antragstellers, zwischen der Erhebung der Verfassungsbeschwerde und einer privilegierten Informationsversorgung durch den Bundesnachrichtendienst könne ein "quid pro quo" bestehen. Jedenfalls kann sein Rechercheansatz vor diesem Hintergrund - entgegen der Annahme der Antragsgegnerin - nicht als reine Spekulation abgetan werden.

152. Der Antragsteller hat mit dem verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Auskunft nur hinsichtlich der Fragen 1, 2 und 5 einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht; im Übrigen haben seine Anträge keinen Erfolg (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

162.1 Das Grundrecht der Pressefreiheit verleiht Presseangehörigen einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Auskunft gegenüber Bundesbehörden in Ermangelung einer einfachgesetzlichen Regelung des Bundesgesetzgebers, soweit auf diese die Landespressegesetze wegen einer entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht anwendbar sind ( 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 13 ff. m.w.N. und vom - 10 C 18.19 - BVerwGE 167, 319 Rn. 28). Diese Voraussetzungen treffen auf gegenüber dem Bundesnachrichtendienst geltend gemachte Auskunftsansprüche zu, da der in § 4 Abs. 1 PresseG BE landesrechtlich normierte Auskunftsanspruch der Presse gegenüber dieser Behörde nicht anwendbar ist ( 6 VR 2.15 - NVwZ 2016, 945 Rn. 11).

17Aufgrund des in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Auskunftsanspruchs können Pressevertreter behördliche Auskünfte verlangen, soweit die Informationen bei der Behörde vorhanden sind und berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine einzelfallbezogene Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit gegenläufigen schutzwürdigen Interessen, wobei allerdings eine Bewertung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Entscheidend ist vielmehr, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, die den presserechtlichen Auskunftsanspruch ausschließen; aus Art. 10 EMRK ergibt sich insoweit nichts Anderes ( 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 13 und 43). Deshalb ist hier zur Herstellung praktischer Konkordanz insbesondere das Gewicht der äußerungsrechtlichen Schutzdimensionen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (so - NJW 2020, 1793 Rn. 7) im Hinblick auf das in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wurzelnde gegenläufige Informationsinteresse des Antragstellers zu gewichten.

182.2 Hinsichtlich der Fragen nach der Identität des Beschwerdeführers im Verfahren 1 BvR 2575/19 (Frage 1), dessen Zugehörigkeit zum Kreis der zu Hintergrundgesprächen vom Bundesnachrichtendienst eingeladenen bzw. daran teilnehmenden Medienvertreter (Frage 5) sowie der Identität der Prozessbevollmächtigten im Verfahren 1 BvR 2575/19 (Frage 2) überwiegt das Auskunftsinteresse des Antragstellers das Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung dieser Informationen.

19Der beschließende Senat hat in seinem Urteil vom (- 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303) die Antragsgegnerin zur Erteilung der Auskunft verurteilt, welche Journalisten der Bundesnachrichtendienst zwischen Januar 2016 und April 2017 zu den von ihm veranstalteten Hintergrundgesprächen mit mehreren Teilnehmern eingeladen hatte. Deren Betroffenheit war hinsichtlich dieser Information der Sozialsphäre zuzurechnen, da die Zugehörigkeit zum Kreis der zu diesem Veranstaltungsformat eingeladenen Medienvertreter in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit stand, die einen überaus starken Öffentlichkeitsbezug aufweist. Deshalb musste ihr Geheimhaltungsinteresse angesichts des Gewichts der für eine Auskunft an den Antragsteller streitenden Pressefreiheit zurücktreten ( 6 A 7.18 - a.a.O. Rn. 42). Das gilt auch hinsichtlich der Frage nach der Person des Beschwerdeführers in dem sich anschließenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Denn ein Journalist, der zur Abwehr von gegen eine Behörde gerichteten Auskunftsansprüchen, die sich auf seine berufliche Tätigkeit beziehen, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nimmt, erscheint hinsichtlich seiner Identität als Prozesspartei wegen der Betroffenheit in seiner Sozialsphäre in nur gemindertem Umfang als schutzwürdig.

20Dieser Annahme steht die Vorschrift des § 35b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BVerfGG nicht entgegen. Danach kann u.a. Privatpersonen einschließlich früherer Beteiligter nach Abschluss ihres Verfahrens, soweit sie ein berechtigtes Interesse darlegen und die datenschutzrechtlichen Belange Dritter gewahrt bleiben, Auskunft aus Akten des Bundesverfassungsgerichts gewährt werden. Damit hat der Gesetzgeber im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Allgemeinem Persönlichkeitsrecht keine Abwägung getroffen, die zugunsten des Persönlichkeitsschutzes vorgeprägt wäre (vgl. 7 C 33.17 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 21 zu § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO). Denn die Regelung deckt viele Fallkonstellationen ab, in denen die Schutzwürdigkeit der betroffenen Interessen ganz unterschiedlich zu bewerten ist. Sie lässt genügend Raum zur Herstellung praktischer Konkordanz zwischen Pressefreiheit und Allgemeinem Persönlichkeitsrecht.

21Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Auskunftserteilung der Person des Beschwerdeführers im Verfahren 1 BvR 2575/19 gegenüber dem Antragsteller nicht präjudiziert, dass dieser die Information uneingeschränkt veröffentlichen darf. Denn als Presseangehöriger unterliegt der Antragsteller bei seiner Berichterstattung zivilrechtlichen Bindungen zum Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines Betroffenen aus Art. 5 Abs. 2 GG i.V.m. § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog und Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG.

22Damit ist die Antragsgegnerin zur Beantwortung sowohl der Frage 1 als auch der Frage 5 verpflichtet. Sie hat darüber hinaus dem Antragsteller die Identität der Prozessbevollmächtigten im Verfahren 1 BvR 2575/19 (Frage 2) zu offenbaren.

23Der beschließende Senat hat entschieden, dass das Persönlichkeitsrecht eines Rechtsanwalts, der in einem gerichtlichen Strafverfahren mitgewirkt hat, der Nennung seines Namens an Pressevertreter regelmäßig nicht entgegensteht ( 6 C 35.13 - Buchholz 11 Art. 5 Abs. 1 GG Nr. 3 = NJW 2015, 807). Diese Wertung beansprucht für andere Gerichtsverfahren in gleicher Weise Gültigkeit, denn insoweit wirkt der verfassungsrechtlich im Rechtsstaatsprinzip verankerte und einfachgesetzlich in § 169 GVG normierte Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen prinzipiell schutzmindernd auf die Rechte eines am Verfahren beteiligten Rechtsanwalts ein. Für diesen als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) wird die Möglichkeit des (presse-)öffentlichen Bekanntwerdens seiner Identität infolge der Mitwirkung in einer Gerichtsverhandlung nicht lediglich als tatsächliche Konsequenz des Öffentlichkeitsgrundsatzes hingenommen, sondern sie entspricht der normativen Stoßrichtung dieses Grundsatzes. Dabei kommt es nicht darauf an, ob im Einzelfall überhaupt eine öffentliche Verhandlung stattgefunden hat. Denn die dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgrundsatz innewohnende Wertung, amtliche Funktionsträger in gerichtlichen Verfahren hätten ebenso wie mitwirkende nichtamtliche Organe der Rechtspflege für ihre Mitwirkung öffentlich einzustehen, gilt unabhängig davon, welche Regelungen die Prozessordnungen über die Möglichkeit von Entscheidungen im schriftlichen Verfahren oder über den Ausschluss der Öffentlichkeit treffen ( 6 C 35.13 - a.a.O. Rn. 33 f.). Gründe, aus denen sich in dem hier vorliegenden Fall ausnahmsweise erhebliche Belästigungen oder Gefährdungen für die Prozessbevollmächtigten im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ergeben könnten, sind nicht ersichtlich.

242.3 Demgegenüber sind die Anträge hinsichtlich der übrigen Auskunftsbegehren unbegründet. Die insoweit notwendige Gewichtung der der Pressefreiheit entgegenstehenden Geheimhaltungsbelange des Betroffenen bleibt einem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Die im Rahmen des § 123 VwGO erforderliche Abwägung fällt wegen der möglicherweise im Raum stehenden berechtigten Belange des Beschwerdeführers insoweit zulasten des Antragstellers aus.

25Hinsichtlich der Fragen 3 und 4, die auf den Inhalt der E-Mail des Betroffenen vom an den Bundesnachrichtendienst zielen, ist zu berücksichtigen, dass der Absender um eine vertrauliche Behandlung gebeten hat. Auch wenn er hinsichtlich der von ihm eröffneten Kommunikation mit der Behörde mit Blick auf sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht wohl nur in der Sozialsphäre betroffen sein dürfte, ist nicht absehbar, ob auch andere Grundrechte inmitten stehen. So könnte auch der Schutzbereich der ihm zustehenden Pressefreiheit tangiert sein, wenn der Inhalt der E-Mail Methoden und Inhalte eigener Recherchen offenbaren würde. Die potentielle Komplexität der insoweit anzustellenden Abwägung ist im Verfahren der einstweiligen Anordnung nicht zu leisten.

26Die Fragen 6 bis 9 zielen auf Auskünfte zu Einzelgesprächen und sonstigen Kontakten mit Angehörigen des Bundesnachrichtendienstes, die typischerweise auf Initiative einzelner Journalisten zustande kommen. Die Klärung der Fragen, ob diese Art behördlicher Informationsarbeit wie die vom Bundesnachrichtendienst veranstalteten Hintergrundgespräche, zu denen die Behörde Themen setzt und Journalisten einlädt, in gleicher Weise Teil der behördlichen Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit ist und mit Blick auf Auskunftsbegehren dazu denselben Regeln wie zu vom Bundesnachrichtendienst veranstalteten Hintergrundgesprächen mit mehreren Teilnehmern unterliegt, muss der Klärung in einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

273. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2021:230321B6VR1.21.0

Fundstelle(n):
NJW 2021 S. 2305 Nr. 31
JAAAH-76620